Trotz Impftrucks nur ein wenig mehr Impfungen für die Ü-80-Jährigen: Warum bis Ende Mai erst circa 20.000 von 29.100 geimpft sein könnten

Der Impftruck ist losgefahren und hat seinen ersten Halt seit Dienstag in Murrhardt. Am Donnerstag und Freitag steht er in Welzheim, am Samstag und Sonntag in Schorndorf. Impftermine für diese Stopps des Trucks gibt es keine mehr! Und die weitere Route steht noch nicht fest. „Sie wird auf der Bürgermeister-Kreisversammlung an diesem Mittwoch, 3. März, vorgestellt und soll dann gemeinsam abgestimmt und festgelegt werden“, teilte Landrat Dr. Richard Sigel mit.
Anmelde-Modalitäten und Route des Impftrucks noch nicht bekannt
Für die Terminvergabe wird zwar die bewährte Online-Plattform des Landkreises genutzt. Die Städte und Gemeinden entscheiden aber selbst, auf welchem Weg sie die Termine vergeben und können auf die Bedürfnisse vor Ort eingehen. Die Rathäuser informieren, sobald die Termine buchbar sind. Bürgerinnen und Bürger sollten sich daher erst dann beim Rathaus der Wohngemeinde melden, wenn dazu aufgefordert wurde, so Sigel.
Kurzum: Es hat also derzeit keinen Sinn, diesbezüglich jetzt schon bei den Rathäusern seiner Gemeinde, dem Gesundheitsamt oder dem Landratsamt nachzufragen! Bei der 116 117 schon gar nicht, die wissen nämlich nichts von dem lokalen Impftruck-Angebot. Geduld ist weiterhin gefragt. Auch deshalb, weil sich an der Impfstoffmenge für über 80-Jährige insgesamt gesehen trotz Impftrucks leider kaum etwas ändert. Nur ein Bruchteil der über 80-Jährigen im Rems-Murr-Kreis wird im Impftruck zum Zug kommen können. Pro Kommune sind dem Vernehmen nach zweitägige Stopps geplant mit durchschnittlich 120 Impfungen pro Tag. In unserem Landkreis gibt es aber rund 29 100 über 80-Jährige: allein in Welzheim rund 800, in Weinstadt rund 3000 und in Schorndorf 3134.
Nervenzehrende Mangel-Verwaltung für die über 80-Jährigen
Der Astrazeneca-Impfstoff ist nicht für über 64-Jährige zugelassen und beim Biontech-Impfstoff, der auch für Ältere genehmigt wurde, herrscht weiterhin Mangel. Genau deshalb bleibt die Terminvergabe für die Ü-80-Jährigen auch weiterhin so nervenzehrend. Ihre Geduld wird weitere lange Wochen und Monate auf eine harte Probe gestellt werden.
Die Seniorenheime (4200 Pflegeplätze) im Rems-Murr-Kreis sind zwar bald durchgeimpft. Zum Teil laufen hier gerade noch Zweitimpfungen. Und die in den Heimen verwendeten Biontech-Impfstoffdosen können im Rems-Murr-Kreis dann im Impftruck an Nicht-Pflegeheimbewohner weiter verimpft werden. Aber: Nach wie vor bekommt der Rems-Murr-Kreis mit nur einem Kreisimpfzentrum (KIZ) im Durchschnitt lediglich 1170 Biontech-Dosen pro Woche.
„Die Hälfte muss für die Zweitimpfungen zurückgehalten werden“, erläutert Martina Keck, Pressesprecherin des Landratsamtes. Bleiben 585 Dosen zur Erst-Verimpfung an Ü-80-Jährige pro Woche. 225 wöchentliche Dosen bleiben für Impftermine am Samstag und Sonntag im KIZ in der Waiblinger Rundsporthalle. 360 Dosen gingen bislang an die Mobilen Impfteams des KIZ für Impfungen in den Seniorenheimen. Diese 360 werden nunmehr nach und nach zur Verfügung im Impftruck stehen. Hinzukommen die Biontech-Dosen der Mobilen Impfteams des Zentralen Impfzentrums (ZIZ) des Robert-Bosch-Krankenhauses, die ebenfalls ihre Impfungen in Seniorenheimen im Rems-Murr-Kreis bald abschließen.
„Es werden im Impftruck pro Tag mindestens 120 Impfungen durchgeführt“, ergänzt Juliane Jastram von der Pressestelle des Landratsamts. In Murrhardt, Welzheim und Schorndorf demnach diese Woche jeweils 240 Impfungen. „Die ersten beiden Wochen kommen je 60 Dosen aus dem ZIZ und 60 aus dem KIZ. In der folgenden Zeit dann 120 vom ZIZ“, sagt Juliane Jastram. „Wenn die Abläufe im Truck gut funktionieren, könnte die Menge auch noch erhöht werden, das ZIZ würde dann entsprechend mehr Material mitbringen.“ Insgesamt wird der Impftruck zunächst 39 Tage auf der Straße sein, so Juliane Jastram. „Das bedeutet: 39 x 120 = 4680 Impfungen. Falls wir beim Impfen schneller werden, können wir bis zu 144 Dosen verimpfen, also 39 x 144 = 5616 Impfungen“, so Jastram.
Eine gewagte Prognose
Führen wir diese Rechnung erwägend fort: Bis Ende Mai sollen im Impftruck in den Kommunen des Rems-Murr-Kreises zunächst insgesamt rund 5500 über 80-Jährige geimpft werden. Rechnet man ab jetzt die 225 Impfungen an den folgenden 13 Wochenenden im KIZ dazu, kämen bis Ende Mai 2925 Impfungen dazu. Dann wären wir bei 8425. Zusätzlich der in den Pflegeheimen Geimpften, von denen wir zwar wissen, dass sie nicht alle über 80 sind und auch nicht alle geimpft wurden, aber die wir einfach mal trotzdem alle dazurechnen (4200 Pflegeplätze), ergäbe dies 12 625. Die bereits vorher im KIZ und außerhalb, etwa in Stuttgart, Geimpften eingerechnet, lautete die optimistische und grobe Prognose: Bis Ende Mai sind etwa 20 000 der 29 100 Ü-80-jährigen Rems-Murr-Bürger geimpft.
Trotzdem ist Landrat Sigel zuversichtlich, auch weil er den Impftruck nach Mai weiter in Betrieb halten möchte: „Mindestens bis Juni. Der Landkreis hat sich aber bereits eine Option gesichert, den Truck auch länger zu nutzen“, so Sigel. Und: „Mit 120 Impfterminen pro Tag und einem Stopp in jeder Stadt beziehungsweise jeder Gemeinde im Landkreis ist das ein weiterer wichtiger Schritt zum Schutz der älteren Bevölkerung, für die derzeit immer noch zu wenig zugelassener Impfstoff verfügbar ist.“ Der Impftruck deckt auch die Zweitimpfungen drei Wochen nach der ersten Spritze ab und soll mindestens bis Juni im Rems-Murr-Kreis unterwegs sein.
Modellprojekt „Impftruck“ um Astrazeneca-Impfungen erweitern?
Bereits am Wochenende hat der Landrat dem Sozialministerium vorgeschlagen, das Modellprojekt Impftruck zu erweitern und auch zusätzliche Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca für Menschen unter 65 Jahren zu ermöglichen. „Das Modellprojekt zeigt schon jetzt, wir können vor Ort auf gut funktionierende Strukturen zurückgreifen und wären sofort in der Lage, jeden Tag auch noch weitere Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca zu ermöglichen“, so Landrat Sigel.
„Angesichts der Presseberichte, dass wir in Kürze bundesweit mit dem Problem kämpfen werden, dass zwar Impfstoff da ist, wir aber mangels Terminen einen Impf-Stau bekommen, wollen wir schon jetzt unser Modellprojekt ausbauen. Bis die Arztpraxen diese Aufgabe übernehmen, würden wir das Modellprojekt erweitern und auch Astrazeneca vor Ort verimpfen“, sagt Sigel. „Damit könnten wir auch einem der Hauptprobleme, dem Flaschenhals der zentralen Terminvergabe begegnen, der viele zum Verzweifeln bringt.“ Die Vergabe von Impftruck-Terminen liefe lokal, über die Rathäuser und Software des Landratsamtes.