Rems-Murr-Kreis

Warum Kinder gegen Corona impfen? Was Eltern dazu bewegt, Eindrücke aus Fellbach

Kinderimpfen
Dr. Gottfried Strotbek, Professor im Ruhestand und ehemaliger Chefarzt der Winnender Kinderklinik, hilft derzeit bei Impfaktionen wie der in Fellbach aus Überzeugung mit. Unser Foto entstand allerdings schon beim Probelauf für das Winnender „Kinderimpfzentrum“, das an diesem Montag (20.12) seinen Betrieb aufnimmt. Termine: www.rems-murr-kreis.de/kiz © Alexandra Palmizi

Ein verängstigter Neunjähriger erzählte von Schauermärchen angeblicher Impffolgen, die ihm Gleichaltrige auf dem Pausenhof aufdrängten, weil er erwähnt hatte, sich gegen Corona impfen lassen zu wollen. Zwei über Zehnjährige hatten nach der Impfung kurzzeitig Kreislaufprobleme. Insgesamt wurden am vergangenen Wochenende (18./19.12.) in der Alten Kelter in Fellbach rund 360 Kinder zwischen fünf und elf Jahren geimpft.

Die Neunjährige mit den roten Haaren aus Heilbronn hat die Impfung hinter sich und sitzt jetzt noch 15 Minuten zwischen ihren Eltern, während der kleine Bruder in spielerischer Tollerei um die eine Stuhlreihe in der Fellbacher Alten Kelter saust. „Das war eine rationale Entscheidung, dass wir die Kleine impfen lassen, sobald die entsprechenden Studienergebnisse aus anderen Ländern vorliegen, der Kinderimpfstoff auch bei uns zugelassen ist und die Stiko ihn auch empfiehlt“, sagt die Mutter. „In ihrer Kita sind viele Betreuer nicht geimpft“, ergänzt der Vater. „Also war für uns klar, wir müssen unsere Tochter durch eine Impfung vor den negativen Folgen einer Corona-Infektion schützen.“

Eine Stuhlreihe weiter sitzt eine Mutter aus Weissach im Tal mit ihrem neunjährigen Sohn. „Wir hatten uns schon bei unserem älteren Sohn mit möglichen Nebenwirkungen der Impfung beschäftigt und konnten das bei der Kleinen deshalb schnell entscheiden, sobald es möglich war“, sagt sie. „In unserem Bekannten- und Freundeskreis sind eigentlich alle dafür, auch die Kinder gegen Corona impfen zu lassen.“

Von Anfeindungen durch Impfgegner berichtete keiner der Befragten in der Alten Kelter.

Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet

Viele der Eltern hätten bereits vor sechs bis acht Wochen angefragt, ob sie schon vor der erwarteten Stiko-Empfehlung und Zulassung des Kinderimpfstoffes eine Corona-Impfung für ihre Kinder haben könnten, „teilweise sogar aus dem gesamten Bundesgebiet und für Kinder unter fünf Jahren“, sagt Prof. Dr. Ralf Rauch, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin am Rems-Murr-Klinikum Winnenden. „Wegen der schwierigen Haftungsfragen haben wir den Offlabel-Use bislang allerdings nur bei unter Fünfjährigen von Beschäftigten der Kliniken, die das ausdrücklich wollten, oder bei schwer vorerkrankten Kindern gewährt.“

Kein Wunder, dass die rund 360 Kinderimpftermine in der Alten Kelter in Fellbach bereits am Donnerstag (16.12.) schnell ausgebucht waren, ergänzt Gerd Holzwarth, Dezernent im Landratsamt. Holzwarth schätzt allerdings, dass am Wochenende nur rund zehn Prozent der impfwilligen Eltern nicht aus dem Kreisgebiet stammten.

Die Stiko sagt, dass sie den niedriger dosierten Biontech-Kinderimpfstoff für Fünf- bis Elfjährige zwar vor allem für Vorerkrankte empfiehlt, aber – nach ärztlicher Aufklärung und Einwilligung der Eltern – auch für alle anderen Kinder. So waren am Wochenende die Fehlbuchungen gering. „Gerade mal drei Prozent sind nicht erschienen. Wir konnten den übrig bleibenden Impfstoff spontan auftauchenden Familien anbieten“, sagt Holzwarth. Die Kinderimpftermine seien bewusst Familientermine. „Eltern buchen für ein Kind, wenn sie mit mehreren Kindern auftauchen, dann impfen wir diese alle mit. Im Schnitt waren es in Fellbach zwei Kinder pro Termin.“

Die Impftermin-Taktung sei in Fellbach so gut gelaufen, dass man sie für künftige Kinderimpfaktionen von 15 auf zehn Minuten zu reduzieren hoffe, sagt Rauch. Bestimmte Informationsbögen sind auszufüllen, und die Impfärzte klären auf, die Eltern unterschreiben. „Unsere Erfahrung in Fellbach war aber, dass viele die Bögen sich schon vorher online besorgt und ausgedruckt und ausgefüllt hatten. Viele der Eltern sind sehr gut informiert über Chancen und Risiken“, sagt Rauch.

Das bestätigt die in Waiblingen tätige Kinderärztin Lamprini Georgala, die am Wochenende in Fellbach mitschaffte. „Die Eltern kamen sehr gut informiert schon hier an.“ Vereinzelte Fragen habe es zu den sehr seltenen nach mRNA-Impfstoff-Impfungen auftretenden Herzmuskelentzündungen gegeben. Hier seien ja aber wenn überhaupt Männer unter 30 betroffen und von diesen laut Daten aus den USA einer von 16 000 Geimpften.

Bedenken gegen den mRNA-Kinderimpfstoff von Biontech habe jedenfalls niemand der Eltern in den Aufklärungsgesprächen geäußert, sagt Prof. Rauch. „Die Risiken einer Infektion sind viel, viel größer.“

Am Samstag und Sonntag hatten zwei über zehnjährige Kinder in Fellbach, „die sehr schlaksig und dünn sind“, nach der Impfung Kreislaufprobleme. „Das lag aber wahrscheinlich nicht an der Impfung, sondern an der Aufregung. Wie beim erblassten Ministranten vor der versammelten Gemeinde in der Kirche, half da Liegen und Beine-Hochlegen“, sagt Rauch.

„Traurig, wie Impfgegner ihre Kinder indoktrinieren“

Es sei schon traurig, wenn Erwachsene sich trotz eindeutiger Faktenlage gegen eine Corona-Impfung entscheiden und dass Eltern und Kinder sich jetzt solidarisch zeigen müssten, sagt Rauchs Vorgänger als Kinderklinik-Chefarzt in Winnenden, Prof. Dr. Gottfried Strotbek, der ebenso in Fellbach als Impfarzt mithalf. Noch trauriger sei es, dass verbohrte Erwachsene die bedeutend höheren Risiken einer Corona-Infektion unterschätzten und sogar noch ihre Kinder mit Unsinn indoktrinierten.

Erst jüngst demonstrierten rund 100 Impfskeptiker auf dem Schulhof in Rommelshausen.

„Ein Neunjähriger hat am Samstag erzählt, er sei im Pausenhof von Mitschülern angegangen worden, weil er erzählt hatte, er werde sich gegen Corona impfen lassen. Dann wurden ihm von anderen Kindern wilde Schauermärchen über angebliche Impffolgen erzählt. So kam er leicht verängstigt hier mit seinen Eltern an“, sagt Prof. Strotbek. „Es ist doch absurd zu glauben, dass die mRNA eines Impfstoffes eine schlimmere Wirkung haben könnte als die RNA des Coronavirus, wenn sich jemand infiziert.“

Die mRNA verändere weder die DNA eines Menschen, weil sie eben nicht in den Zellkern eindringe, noch mache sie krank, ergänzt Prof. Rauch. Sie veranlasse stattdessen die Zellen, das Spike-Protein zu produzieren. Die Nanopartikel im Impfstoff, sprich die feinen Lipidhüllen rund um die mRNA, lösten sich nach bisherigen Erkenntnissen rasch und rückstandslos auf, so Rauch.

„Die Immunantwort des Körpers wird angeregt und er ist vorbereitet auf eine Infektion, weil er das Spike-Protein im Sars-CoV-2 nun schon kennt und Abwehrmechanismen eingeübt hat. Die Immunantwort auf eine Infektion ist dadurch unmittelbarer und zielgerichteter, bevor sich das Virus vermehren und im Körper verbreiten kann.“ Daten aus den USA, Kanada und Israel zeigten eindeutig, dass Corona-Impfungen besonders bei Kindern bislang statistisch absolut vernachlässigbare Nebenwirkungen gezeitigt haben, sagt Prof. Rauch.

Ein verängstigter Neunjähriger erzählte von Schauermärchen angeblicher Impffolgen, die ihm Gleichaltrige auf dem Pausenhof aufdrängten, weil er erwähnt hatte, sich gegen Corona impfen lassen zu wollen. Zwei über Zehnjährige hatten nach der Impfung kurzzeitig Kreislaufprobleme. Insgesamt wurden am vergangenen Wochenende (18./19.12.) in der Alten Kelter in Fellbach rund 360 Kinder zwischen fünf und elf Jahren geimpft.

Die Neunjährige mit den roten Haaren aus Heilbronn hat die Impfung

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