Grimms Märchen im Schwaben Park
Kaisersbach. Bereits kurz nachdem die neue Attraktion im Schwaben Park eingeweiht wurde, wird die Märchen-Rundbootfahrt von Piraten geentert. Allerdings ist der Seeräuber zurückhaltend und nimmt mit einer Prinzessin Platz in der Gondel. Mit einem Ruck beginnt die Fahrt der beiden mit ihren Eltern auf dem Kanal vorbei an Märchen-Pavillons. Eine halbe Million Euro hat Familie Hudelmaier investiert. Der Aufbau der Anlage war nicht gerade märchenhaft.
Video: Die neue Attraktion im Schwabenpark
400 Kubikmeter Erde wurden in den vergangenen Monaten bewegt. Für die Station, Fundamente und Fahrrinne haben die Mitarbeiter des Schwaben Parks 300 Kubikmeter Beton verarbeitet. Vier Experten des Kaisersbacher Familienparks hatten die Anlage vor knapp einem Jahr im Heide Park Resort in Soltau abgebaut, schildert Geschäftsführer Thomas Hudelmaier. Zehn Lkw-Ladungen waren nötig, um das Fahrgeschäft von Niedersachsen in den Rems-Murr-Kreis zu bringen. Weil die Himalaya-Bahn erst im Dezember abgebaut werden konnte, verzögerte sich der Aufbau der Bootsfahrt, die nun anstelle der Achterbahn Besucher anlocken soll. Doch das Warten habe sich gelohnt, freut sich Thomas Hudelmaier.
„Die Märchen-Rundfahrt entwickelt sich zu einem Besuchermagnet!“
Nach einem einwöchigen Probebetrieb wurde sie nun offiziell von Thomas und Guido Hudelmaier sowie Bürgermeisterin Katja Müller eingeweiht. Nachdem das rote Band durchtrennt ist, entern besagter Pirat und die Prinzessin die Attraktion. Denn zum „affenstarken Märchentag“ erscheinen viele Kinder verkleidet. Leider ist die Schwäbische Waldfee anderweitig im Einsatz und kann die Besucher am Sonntag nicht verzaubern.
Würdig vertreten wird sie von Ariana. Die elegante Prinzessin ist mit Bruder Miroslav und ihren Eltern aus Pforzheim angereist. Die beiden beobachten die schaukelnden Gondeln und freuen sich vielleicht noch etwas mehr auf die Fahrt als Mama und Papa. „Man hat ja selbst auch noch Spaß“, sagt die Mutter ehrlich. Es sei ja nicht so, dass sie den Freizeitpark nur wegen der Kinder besuchen. Sie sei ja auch noch etwas Kind, findet sie und lacht. Mindestens einmal im Jahr will Familie Bruch-Friesen einen Freizeitpark besuchen. Dieses Jahr fiel ihre Wahl auf den Schwaben Park.
Gegen die vierköpfige Familie sind die Eltern von Celine alte Hasen. Als Kinder waren sie schon im Schwaben Park und diese Tradition geben die Eltern nun „erfolgreich an den Nachwuchs weiter“, sagt der Vater. Das sind genau die Familien, auf die Hudelmaiers ihr Konzept ausrichten. Beispielhaft dafür stehe die neue Attraktion.
Geschäftsführer dürfen sich über lange Warteschlangen freuen
„Ein Fahrgeschäft, in dem Oma mit ihren Enkeln fahren kann, das ist optimal für uns“, sagt Thomas Hudelmaier. Es ist das Privileg des Geschäftsführers, sich über lange Warteschlagen freuen zu dürfen, während Eltern und Kinder die Minuten zählen, bis es weitergeht, denn die Schlange vor der Märchenfahrt wird immer länger. Sechs Boote fahren derzeit. Vier Menschen, wenn die Kinder auf dem Schoß sitzen auch mehr, finden Platz. Mit einem Ruck schießt die Gondel los. Dann gleitet sie gemächlich auf dem künstlichen Fluss. Der Blickwinkel der Fahrgäste verändert sich dabei stetig, denn prallen die Rundboote gegen die Wand, dreht sich die Gondel wie Aschenputtel beim Tanzabend mit dem Prinzen.
Das freut vor allem die Kinder. „Das Drehen gefällt mir am besten“, sagt der achtjährige Jaden. Doch noch mehr fährt er auf die schnelleren Attraktionen ab. Am coolsten sei die große Wasserrutsche. Kurz und steil rutschen die Besucher auf dem „Wave Runner“, hinab. Die Rutsche gehört neben Achterbahn, Bob Kart und Wildwasserbahn zu den schnellen Attraktionen. Da können Eltern und Nachwuchs als Ausgleich gerne mal durchschnaufen und ein paar Minuten übers märchenhafte Wasser schippern und schauen, was Schneewittchen, der Gestiefelte Kater und Aschenputtel in den Märchen-Pavillons treiben. Die Figuren bewegen sich und spielen beliebte Szenen aus Grimms Märchen nach. Aus den Lautsprechern trällert passende Musik.
Welche Attraktionen zu ihrem Park passen, entscheiden die Brüder gemeinsam.
Auf Freizeitpark-Messen sehen sie, was angeboten wird und erfahren, welche Entwicklungen und Trends es gibt. Die Parkbesitzer tauschen sich aus. Auf diese Art erfahren sie mitunter auch, welche Attraktionen in großen Parks wie dem Heide Park Resort ausgemustert werden sollen, im Schwaben Park aber noch ein Lächeln in Kindergesichter zaubern können. Mit großen Parks können sie nicht mithalten, sagen Hudelmaiers. Aber als Familienpark hätten sie sich in der Region etabliert. Ein gutes Händchen bei Neuanschaffungen sei dabei fast so wichtig wie gutes Wetter. Eine große Rafting-Anlage, die sie sich gewünscht hätten, sei leider zu teuer und zu groß.
Bei Weißwurst und Brezeln erläutern sie, was sie mit ihrem Park vorhaben. 500 000 Euro seien eher eine kleine bis mittlere Investition, sagt Guido Hudelmaier. Die Achterbahn habe mehr als das Sechsfache gekostet. Sich nun in einer der Märchen-Gondeln zurücklehnen und das Geschaffene genießen, können die Brüder nicht. Wenn sie mal fahren, dann weniger aus Spaß an der Freunde, sondern um zu schauen, ob die Technik reibungslos funktioniert, so Guido Hudelmaier. Damit der Besucherstrom nicht ausbleibt, müssen sie fast jedes Jahr in neue Fahrgeschäfte investieren. In Zukunft setzen sie noch mehr auf Attraktionen und wollen die Anzahl der Tiere im Park reduzieren.
Das Wetter entscheidet ob ein Jahr gut oder schlecht wird
Die Mischung aus Fahrgeschäften, Tieren und Show-Einlagen sei das Besondere an ihrem Familienpark. Doch für alle Parks gelte: In erster Linie entscheidet das Wetter, ob ein Jahr gut oder schlecht wird. Der Start in diesem Jahr war „suboptimal“, so die Geschäftsführer diplomatisch. Da habe es ja kaum ein schönes Wochenende gegeben, ärgert sich Guido Hudelmaier. An einem herrlichen Juli-Tag hätten sie fast so viele Besucher gehabt wie im gesamten April. Den schlechten Start machen sie an Tagen wie diesen wieder wett. Guido Hudelmaier geht von 3000 Besuchern aus.
Der Geschäftsführer erzählt Anekdoten darüber, wie sich der Park entwickelt hat. Erst waren die Tiere da, dann kamen nach und nach die Attraktionen hinzu. Die Technik schreitet voran, was unter anderem die Lasertunnel-Attraktion dokumentiert. Doch Guido Hudelmaier ist nicht mit allen technischen Entwicklungen zufrieden. Wetter-Apps, auf die mittlerweile ja fast jeder zurückgreife, seien eher schlecht fürs Geschäft. 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit würden manche Besucher abschrecken. Dabei ist die Chance, dass es trocken bleibt, mehr als doppelt so groß.
Gegen Selfies haben sie weniger einzuwenden. Denn so wird über die sozialen Netzwerke auch Werbung für ihren Park gemacht. Eine junge Frau macht ein Foto mit ihrer Tochter. Doch viele Erwachsene durchqueren auch ohne Kinder in einer Gondel sitzend den Märchenwald. Allein 20 000 Euro hätte die Gestaltung der Gartenanlage für die Märchen-Rundbootfahrt gekostet. Jürgen Reinbold aus Leonberg steigt aus der Gondel und hebt den Daumen. „Das hat Spaß gemacht!“ Dem Mann gefällt derlei „Schönes und Ruhiges.“ Es müsse ja nicht immer die Achterbahn sein.
Über die nächste Neuanschaffung werden Hudelmaiers dann im September in Barcelona entscheiden. Dort findet die nächste Messe für Freizeitparkbetreiber und Schausteller statt.
Bei aller Hektik und Betriebsamkeit verlieren die Brüder nicht ihre Schimpansen aus den Augen. Einem Schimpansen mussten sie eine Augen-OP spendieren. Denn sonst wäre der Affe erblindet, und dann hätte er gar nicht sehen können, wie kleine Piraten und Märchenfiguren durch den Park flitzen.
In Eigenregie
Die Märchenfiguren haben Hudelmaiers aus Soltau holen lassen. „Fast alle Arbeiten haben unsere Mitarbeiter in den letzten Monaten in Eigenregie durchgeführt“, betonen Hudelmaiers stolz. Was ihr Team geleistet habe, „sei ein tolles Stück Geschichte“ in der weiteren Entwicklung ihres Familienparks.
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