VfB Stuttgart

VfB trennt sich von Sven Mislintat: Die richtige Entscheidung? Ein Pro und Contra

Sven Mislintat
Wurde am Mittwoch entlassen: VfB-Sportdirektor Sven Mislintat. © ZVW/Benjamin Büttner (Archiv)

Sportdirektor Sven Mislintat verlässt den VfB Stuttgart. Der Verein habe sich mit dem 50-Jährigen darauf geeinigt, den noch bis zum 30. Juni 2023 laufenden Vertrag zu beenden, teilte der abstiegsgefährdete Bundesligist am Mittwoch (30. 11.) mit. Ist das die richtige Entscheidung? Unsere VfB-Reporter liefern ein Pro und Contra zum Mislintat-Aus: 

Pro von Simeon Kramer: Es ist richtig, Sven Mislintat zu entlassen

Das VfB-Aus von Sven Mislintat ist absolut nachvollziehbar – und das aus gleich mehreren Gründen. Kein Sportdirektor in der Bundesliga hat so viele Befugnisse und Kompetenzen. Kein Sportdirektor hat ein im Vertrag verankertes Veto-Recht, das ihm ermöglicht, bei allen sportlichen Entscheidungen das letzte Wort zu haben. Und: Kein bei einem Abstiegskandidaten angestellter Sportdirektor verdient rund zwei Millionen Euro pro Jahr. All das hatte Mislintat.

Der umfangreiche Arbeitsvertrag und die dazugehörigen Kompetenzen sind ein Überbleibsel aus der Zeit mit Thomas Hitzlsperger. Der Ex-VfB-Boss hatte Mislintat weitestgehend freie Hand gelassen und den Kaderplaner so zum starken Mann gemacht. Der 50-Jährige hatte dadurch Befugnisse, die kein anderer Sportdirektor in der Bundesliga vorweisen kann. Die Gefahren, die für einen Verein durch eine Person mit so großer Machtfülle entstehen, liegen auf der Hand: Wird blind ein alternativloser Weg verfolgt? Werden Zweitmeinungen gehört – und findet noch ein Diskurs zum Wohle des Clubs statt?

Dass Alexander Wehrle an diesem Zustand etwas ändern wollte, dürfte wohl jedem halbwegs neutralen Beobachter klar sein. Und: Auch Sven Mislintat muss sich an den Erfolgen seiner zusammengestellten Mannschaft messen lassen. Doch genau diese blieben zuletzt aus. Trotz allem wollte der VfB mit Mislintat weiterarbeiten. Deshalb wurde dem Westfalen ein „absolut marktgerechtes Angebot“ hingelegt, heißt es in der offiziellen Mitteilung zum Mislintat-Aus. Dieses akzeptierte der Kaderplaner aber nicht, weil er seine umfangreichen Kompetenzen nicht verlieren wollte - was wiederum zur unausweichlichen Trennung führte.

Dabei liegt auf der Hand, dass der VfB mit Mislintat weitergearbeitet hätte, wenn dieser dem Club entgegengekommen wäre. Wollte der 50-Jährige also wirklich beim VfB bleiben? Wohl nicht, sonst hätte er eingesehen, dass er Teile seiner Kompetenzen abgeben muss. Mislintat hat sich daher nicht nur gegen einen neuen Vertrag mit weniger Kompetenzen, sondern auch gegen einen VfB mit Wehrle und Vogt entschieden.

Contra von Danny Galm: Es ist ein Fehler, Sven Mislintat zu entlassen

Mit Sven Mislintat verliert der VfB Stuttgart nicht nur einen gewieften Kaderplaner, sondern auch eine Identifikationsfigur. Der Westfale ist nach dreieinhalb Jahren im Kessel längst zum Schwaben geworden. Keiner schimpfte und fieberte auf der Ersatzbank so leidenschaftlich mit wie der gebürtige Dortmunder. Unvergessen bleibt sein Jubelsprint nach dem Last-Second-Klassenverbleib am 34. Spieltag der vergangenen Saison. Bilder für die VfB-Historie.

Durch sein Auftreten hat er dem Traditionsverein in komplizierten Zeiten ein Gesicht gegeben. Seine klare Art der Kommunikation nach außen, gepaart mit Ex-Profi Thomas Hitzlsperger an der Spitze und dem sympathischen Trainer Pellegrino Matarazzo an der Seitenlinie, stand für den neuen Weg, den der Klub nach den Irrungen und Wirrungen der 2010er Jahre eingeschlagen hatte. Im November 2022 ist dieser Weg vorbei. Keiner aus dem Trio ist mehr da. Zurück bleibt ein Verein auf der Suche nach einer neuen Geschichte. Wofür will der VfB künftig stehen? Und vor allem: Welcher Kurs wird jetzt eingeschlagen?

Es liegt nun an Vorstandsboss Alexander Wehrle, all diese wegweisenden Fragen zu beantworten. Dabei ist vielen Fans und Beobachtern aber überhaupt nicht klar, was und wohin Wehrle will. In den ersten Monaten seiner Amtszeit sorgte er bislang lediglich für viel Wirbel und einige Kommunikationspannen. Zudem wurden Trainer und Sportdirektor entlassen, die beide mehrere Jahre (!) beim VfB tätig waren. 

Der CEO muss jetzt liefern. Und die nun anstehenden Personalentscheidungen müssen sitzen. Fehler werden nicht verziehen, einen weiteren Abstieg in die Zweitklassigkeit dürfte der finanziell angeschlagene VfB wohl kaum verkraften. Mislintats Transferstrategie war mitunter ein hochriskantes Pokerspiel. In den vergangenen drei Spielzeiten wurden die Saisonziele damit allerdings erreicht – wenn auch wie letztes Jahr erst auf den allerletzten Drücker. Das muss der noch zu findende Mislintat-Nachfolger mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln erst einmal nachmachen.