Warum VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo seine Startelf gegen Sandhausen radikal umgebaut hat
In der vielleicht kniffligsten Phase seiner noch jungen Trainer-Karriere ging Pellegrino Matarazzo voll ins Risiko. Seit Wochen wird rund um den VfB Stuttgart über fehlenden Mut diskutiert. Den Mut, den die Spieler aus dem Luxus-Kader des Zweitligisten vermissen ließen. Courage bewies diesmal zunächst der unerfahrene Matarazzo - und hatte damit Erfolg. Er könne doch kein „Angsthase“ sein, wenn er von seinen Spielern das Gegenteil verlange, erklärte der 42-Jährige nach dem furiosen 5:1 gegen den SV Sandhausen: „Das muss ich auch verkörpern. Ich bin meinem Bauchgefühl nachgegangen.“
Sechs neue Spieler und eine offensive Ausrichtung
Drei Spieltage vor dem Saisonende in der 2. Fußball-Bundesliga baute Matarazzo seine Elf radikal um, veränderte die Grundordnung und brachte die Schwaben damit wieder in die beste Ausgangsposition für den erhofften Aufstieg. Der Cheftrainer-Neuling hatte schon mal erklärt, es sei falsch, ihn nur als sachlichen Typen wahrzunehmen. Er habe auch emotionale Seiten. Eine komplett neue Abwehrformation, insgesamt sechs neue Spieler und eine offensive Ausrichtung hatte Matarazzo am Mittwochabend gewählt, als es auch darum ging, einen nächsten Rückschlag zu vermeiden. Das zeigte, wie unzufrieden er auch mit Spielern wie Ersatzkapitän Pascal Stenzel oder dem früheren Bayern-Profi Holger Badstuber war.
„Mein Kollege ist schon ein Wagnis eingegangen. So habe ich den VfB zumindest noch nicht gesehen“, sagte SVS-Trainer Uwe Koschinat. Es hätte auch schief gehen können, doch es war die vermisste Spielfreude zu sehen. Nur drei Tage nach dem 1:2 im Derby beim Karlsruher SC, als die Bürde des Traditionsclubs die Profis zu erdrücken schien. Die Entscheidungen zum radikalen Umbau seien ihm nicht schwer gefallen, sagte der VfB-Coach. Zumal er bereits in seinen ersten Spielen als Stuttgarter Cheftrainer in einer ähnlichen Grundordnung spielen ließ. „Der Trainer hat bereits als er kam mit Dreierkette spielen lassen“, sagte Kapitän Marc Oliver Kempf. Der Coach habe jetzt gegen Sandhausen „versucht, ein Stück weit mehr seine Philosophie umzusetzen, damit wir zu mehr Räumen in der Mitte kommen und besser den Ball laufen lassen können.“
War der VfB in Karlsruhe überspannt?
Matarazzo war erst in der Winterpause zum Cheftrainer aufgestiegen. Auch Zweifel kamen auf, ob der VfB mit der frühzeitigen Vertragsverlängerung bis 2022 nicht unnötig ins Risiko gehe. Nach einem erfolgreichen Start unter dem Nachfolger von Tim Walter stolperte der Favorit nach der Corona-Pause immer wieder. Andererseits lässt sich daraus auch schließen, dass auch die Führungsebene mit dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger und Sportdirektor Sven Mislintat den geforderten Mut vorlebt. Matarazzo hat die große Chance, an den nächsten beiden Spieltagen zum künftigen Bundesliga-Trainer aufzusteigen. Wie er seine Ansprache veränderte und was genau er wie dem Team gesagt hat, blieb auch nach der befreienden Rückkehr auf den direkten Aufstiegsrang zwei sein Geheimnis. „Mein Gefühl sagte, dass wir gegen Karlsruhe überspannt waren. Mein Gefühl sagte mir, dass uns dieser Druck nicht guttut“, sagte Matarazzo. „Wir haben versucht, die optimale Spannung zu finden für das Spiel und deswegen haben wir probiert, ein bisschen Spielfreude und Lockerheit auf den Platz zu bringen.“
Der Druck bleibt
Eine spannende Frage vor dem Auftritt beim 1. FC Nürnberg und dem regulären Saison-Finale gegen den SV Darmstadt 98 eine Woche später wird sein, ob der Trainer an seinen personellen Änderungen festhält. Werden sich etwa Stenzel und der wortstarke Badstuber weiter mit der Ersatzspieler-Rolle begnügen müssen? Eine erste Antwort wird es am Sonntag (ab 15.30 Uhr im ZVW-Liveticker) geben. Dann könnten die Wechselspielchen mit dem Hamburger SV in der Tabelle weitergehen, im Optimalfall stünde der VfB kurz vor dem Aufstieg. Druck bleibt auf jeden Fall.
Neue Podcast-Folge: Gelingt der Aufstieg doch?
- Zwei Spieltage vor Schluss der 2. Fußball-Bundesliga ist der direkte Aufstieg für den VfB Stuttgart wieder möglich. Aber das Team hat zwei Gesichter: Blutleer und willenlos bei der Niederlage in Karlsruhe, willensstark und engagiert beim Sieg gegen Sandhausen.
- Jetzt geht es zum Schlüsselspiel der Saison nach Nürnberg. Gleichzeitig spielt der Hamburger SV (Tabellenplatz 3) gegen Heidenheim (Tabellenplatz 4). Fällt am Sonntag die Vorentscheidung über den Aufstieg? Darüber spricht Frank Nipkau mit unserem VfB-Reporter Danny Galm.
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