Die Leiche, die keine war
Weinstadt. Montagabend, kurz nach 20 Uhr. Zwei junge Leute sind von Großheppach in Richtung Endersbach an der Rems entlang unterwegs. Wie muss ihnen der Schreck in die Glieder gefahren sein. Eine leblose Person, circa zehn Meter entfernt, zu Fuß nicht erreichbar, platziert auf einem Mäuerchen.
Notruf. Vermutlich tote Person in der Rems.
Die ersten Polizisten treffen ein. Sie bestätigen den Verdacht der jungen Leute: Das könnte eine Leiche sein.
Die Polizei sperrt großräumig ab. Ruft die Kripo hinzu. Vielleicht liegt ein Schwerverbrechen vor. Niemand kann das ausschließen im Moment. Genau danach sieht es nämlich aus. Nach einem Schwerverbrechen.
Ein täuschend echtes Szenario
Deshalb geht die Polizei vorsichtig vor. „Sehr spurenschonend“, wie Polizeipressesprecher Ronald Krötz am Tag danach erklärt. „Verblüffend echt“ habe das Szenario gewirkt.
Die Feuerwehr lässt ein Boot in die Rems. Öffnet das Gitter eines Schachtes. Man kommt nicht so einfach heran an den Körper. Die Rems beschreibt einen Knick an der Stelle, verliert sich in einem Seitenarm. Etwa zehn Meter oder mehr trennen Beobachter von der Person, die keine ist.
Wie ist die Puppe dort hingekommen?
„Die Frage stellen wir uns auch“, antwortet Ronald Krötz.
Ein Voodoo-Ritual? Danach sah es nicht aus
Ein übler Scherz?
Vielleicht. Vielleicht auch nicht, denn wer absichtlich einen Einsatz der Polizei hätte provozieren wollen, der hätte die Puppe wohl nicht an einer Stelle platziert, die so schlecht einsehbar ist. Es kann sein, sagt der Polizeisprecher, dass die Puppe schon seit Wochen oder gar Monaten dort lag.
Ein Voodoo-Ritual? Eine Stellvertreter-Hinrichtung? Puppe statt Person geköpft? Nein. Ronald Krötz winkt ab. Danach sah es nun wirklich nicht aus.
Oder ein „brutal gutes Detektivspiel“? Diese Variante bringt der Sprecher ins Spiel. Die Idee schoss ihm in den Kopf, als er am Montagabend den Fall persönlich in Augenschein nahm.
Nicht lustig
Es gibt keine Antwort, weil keiner weiß, wer die Puppe in die Rems geschmissen hat. Sollte die Polizei den Henkersknecht erwischen, muss der womöglich das Portemonnaie zücken. 20 Feuerwehrleute mit vier Fahrzeugen im Einsatz. Mehrere Polizeistreifen vor Ort. Kripo-Beamte auch.
Was, wenn in diesen zwei Stunden woanders was Schlimmes passiert wäre? Und so viele Kräfte wären gebunden gewesen – für nichts? Das ist nicht lustig. Und teuer ist es auch.
Ob der Puppenmörder, sofern er jemals erwischt wird, tatsächlich zur Kasse gebeten werden könnte bleibt unklar. Vortäuschen einer Straftat: Das ist ein Straftatbestand. „Hier greift das aber noch nicht“, schränkt Ronald Krötz ein. Die Puppe war ja an einer versteckten Stelle abgelegt.
Eine Sexpuppe war’s nicht. Auch keine Schaufensterpuppe. Jemand hat einer Stoffpuppe eine Jeans und einen geringelten Pullover angezogen. Offenbar hat dem Jemand der Kopf der Puppe nicht gefallen. Deshalb hat er ihn abgetrennt. Oder ein wildes Tier hat sie geköpft.
Der leblose Körper liegt jetzt bei der Polizei. Natürlich würde man gern mehr wissen über die Todesumstände der Puppe. Aber mal ehrlich. Das Polizeipräsidium Aalen setzt Prioritäten: „Obduziert wird nicht.“
Hinweise:
Die Polizei nimmt Hinweise zum mysteriösen Puppenfund unter der Telefonnummer 0 71 51/9 50-0 entgegen.