VfB Stuttgart

Daten-Affäre beim VfB Stuttgart: Eine Chronologie der Ereignisse

Geschäftsstelle VfB Stuttgart, VfB, Symbolbild
Symbolbild. © Danny Galm

Die Aufklärung der Daten-Affäre beim VfB Stuttgart wurde inzwischen von Präsident Claus Vogt zur Chefsache erklärt. „Dieser mutmaßliche Datenschutzverstoß in den Jahren 2016 bis 2018 mit Mitgliederdaten, wenn er denn so stattgefunden hat, wäre für mich ein nicht zu akzeptierender Tabubruch und würde kein gutes Licht auf unseren VfB Stuttgart werfen“, teilte Vogt am Mittwoch mit.

Laut einem Kicker-Bericht soll der Verein im Frühjahr 2016 eine Kooperation mit der PR-Agentur von Andreas Schlittenhardt geschlossen und darüber hinaus großes Potenzial in dessen Facebook-Seite „Fokus VfB“ erkannt haben. Per Mail sollen Telefonnummern, Mailadressen und Infos zur Teilnahme an vergangenen Versammlungen von Mitgliedern weitergeschickt worden sein. Ziel soll unter anderem gewesen sein, die - bei der Mitgliederversammlung 2017 dann tatsächlich mit klarer Mehrheit beschlossene - Ausgliederung der Profiabteilung voranzutreiben.

Was ist wann genau passiert? Eine Chronologie der Ereignisse:

Ende März 2015: VfB-Fan Andreas Schlittenhardt ärgert sich über die sportliche Talfahrt seines Herzensvereins und sucht nach einem geeigneten Ventil für seinen Unmut. Er gründet daraufhin nach eigenen Angaben die Facebook-Seite „Fokus VfB“ und landet mit einem untertitelten Filmchen direkt einen viralen Hit. Daraufhin meldet sich der damalige VfB-Präsident Bernd Wahler bei Schlittenhardt und erklärt ihm seine Sicht der Dinge. „Was dann folgte war, durch den Zeitraffer gejagt, eine Zeit der Irrungen und Wirrungen, seliger und unseliger Bündnisse und Verpflichtungen, die zu nichts anderem geführt hat als einem Schlingerkurs, fast wie beim VfB selbst, nur auf unserem bescheidenen kleinen Level natürlich“, beschreibt Schlittenhardt die darauffolgende Zusammenarbeit mit dem Verein in einem Blogbeitrag vom Oktober 2019.

Frühjahr 2016: Der VfB schließt unter Federführung von Bernd Wahler eine Kooperationsvereinbarung mit Schlittenhardts PR-Agentur. Neben der offiziellen Zusammenarbeit gab es laut dem Kicker-Bericht aber auch noch eine Art der inoffiziellen Kooperation. Im Zuge der Ausgliederungs-Kampagne sollen über die „Fokus-VfB-Seite“ vom Verein platzierte Inhalte ausgespielt werden. Das legt zumindest eine VfB-interne Präsentation aus dem Frühjahr 2016 nahe, die dem Kicker vorliegt. Darin wird eine Kampagne für „Glaubwürdiges Guerilla-Marketing - Fokus VfB“ skizziert. 

7. März 2016: Laut dem Kicker werden zu diesem Zeitpunkt über 35.000 E-Mail-Adressen von VfB-Mitgliedern von VfB-Kommunikationschef Oliver Schraft per Mail an Andreas Schlittenhardt weitergeleitet. Man habe die Agentur als externen Dienstleister verpflichtet und dieser habe die Daten im Rahmen einer Auftragsverarbeitung erhalten, rechtfertigt der Verein das Vorgehen.

09. Oktober 2016: Auf der ordentlichen Mitgliederversammlung des VfB wird der ehemalige S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich mit 57,2 Prozent der Stimmen zum Präsidenten des Vereins gewählt. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.

09. Februar 2017: Laut dem Kicker werden an diesem Datum über 36.000 E-Mail-Adressen von VfB-Mitgliedern von VfB-Marketing-Leiter Uwe Fischer per Mail an Andreas Schlittenhardt geschickt. Gedacht sind die Datensätze für eine Facebook-Werbe-Aktion, die über fünf Tage laufen soll.

20. Februar 2017: Fischer schickt zur Steuerung der Ausgliederungs-Kampagne via Mail über 40.000 weitere Datensätze an Schlittenhardt. Dieses Mal sind neben den Mailadressen auch Handy- und Festnetznummern, sowie Informationen zur Teilnahme an bisherigen Mitgliederversammlungen enthalten.

01. Juni 2017: Die Kampagne des Vereins erreicht ihr Ziel: Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in der Mercedes-Benz-Arena stimmen 84,2 Prozent der 9.099 stimmberechtigten Mitgliedern für die Ausgliederung der Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft. 41,5 Millionen Euro zahlt Ankerinverstor Daimler für 11,75 Prozent der Anteile. Präsident Dietrich ruft den Mitgliedern zu: „Mit dieser Entscheidung habt ihr Geschichte geschrieben.“

25. Mai 2018: Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU tritt in Kraft. Die Verordnung enthält Vorschriften zum Schutz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. „Diese Verordnung schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten“, heißt es in Artikel 1 zum Gegenstand und Ziel der neuen Regelung. Bis zu diesem Datum galt in Deutschland das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

31. Oktober 2018: PR-Berater Schlittenhardt erhält laut Kicker per Mail von Marketing-Leiter Fischer noch einmal 100.000 Datensätze. Der Inhalt: Klarnamen, Adressen, Geburtsdaten und Kundennummern, die den Nutzern des clubeigenen Forums zugeordnet werden. Fischers Anmerkung: „Wie von OS gewünscht, zur Säuberung.“

14./15. Juli 2019: Auf der Mitgliederversammlung muss sich der amtierende Präsident Wolfgang Dietrich einem Abwahlantrag stellen – doch die Technik streikt. Die Versammlung versinkt im Chaos und muss schließlich wegen technischer Probleme abgebrochen werden. Der Verein gerät durch das „WLAN-Gate“ bundesweit in die Schlagzeilen. Am Morgen nach der Versammlung verkündete Wolfgang Dietrich via Facebook-Post seinen Rücktritt als Präsident des Vereins und als Aufsichtsratsvorsitzender der VfB-AG.

15. Dezember 2019: Der Unternehmer und Fan-Aktivist Claus Vogt wird auf einer außerordentlichen MV zum neuen Präsidenten gewählt. Er setzt sich knapp gegen Osiander-Chef Christian Riethmüller durch.

27. April 2020: Andreas Schlittenhardt ist zu Gast im Podcast „VfB STR“ und spricht in der rund viereinhalbstündigen Sendung erstmals öffentlich über sein Engagement beim VfB Stuttgart.

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27./28. September 2020: Das Fachmagazin Kicker veröffentlicht zunächst online seine Recherchen zur mutmaßlichen Weitergabe von Mitglieder-Daten an Dritte. Der ausführliche Artikel erscheint am Montag in der gedruckten Ausgabe.

28. September 2020: Der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Baden-Württemberg, Stefan Brink, will ein sogenanntes Auskunftsverfahren gegen den VfB einleiten. Mit zwei- bis vierwöchiger Frist würden die Verantwortlichen des Clubs darin aufgefordert, sich zu den Vorwürfen zu erklären. „Wir wollen uns erklären lassen, in welchem Kontext und mit welcher Motivation Daten in solch großer Menge weitergegeben wurden. Grundsätzlich gilt, dass Mitgliederdaten sehr sensibel sind“, sagte Brink den Stuttgarter Nachrichten.

Über seinen privaten Twitter-Account gibt auch der VfB-Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger ein erstes Statement zu den Vorwürfen ab: Man wolle das Thema „sehr ernst“ nehmen. „Inhaltlich werden wir Stellung beziehen, sobald uns entsprechende Informationen zur Verfügung stehen“, so der 38 Jahre alte Ex-Profi, „bis dahin bitte ich um Verständnis und einen fairen Umgang.“

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30. September 2020: Der amtierende Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende Claus Vogt erklärt die Aufklärung der Daten-Affäre zur Chefsache. Laut Vogt wurde am 28. September „unverzüglich eine externe, transparente, kritische, neutrale und unabhängige Aufarbeitung beschlossen.“ Die durch die Vorwürfe betroffenen Mitarbeiter – Kommunikationschef Oliver Schraft und Marketing-Leiter Uwe Fischer - werden ihre Aufgaben in Abstimmung mit dem Vorstandsvorsitzenden Hitzlsperger für den Zeitraum der laufenden Untersuchungen zu ihrem eigenen Schutz ruhen lassen. Zudem sei ein Lenkungsausschuss eingesetzt worden, dessen Leitung und Verantwortung er selbst übernehme, erklärte Vogt.