Neues Firmengebäude ist klimaneutral
Remshalden. Rolf Ehni ist noch zu jung, um Enkel zu haben. Der Geschäftsführer der Grunbacher Firma Kurz Industrie-Elektronik musste sich jetzt vor dem Bau des neuen Firmengebäudes auch nicht anhören, er soll ja enkelgerecht bauen. Das steckt schon in ihm selbst, dies Anliegen. Siehe da, der fünfgeschossige Bau verdient bereits vor dem Spatenstich das Prädikat 100 Prozent kohlendioxidneutral, übers Jahr gerechnet.
Alle reden von der Industrie 4.0. Also davon, dass Maschinen via Hard- und Software miteinander kommunizieren. Kurz Elektronik stellt Platinen für solch komplexe Anwendungen wie die Steuerung eines ICE oder der Flugsicherung her. Die GmbH ist damit einer der im Remstal versteckten Weltmeister. Und streckt jetzt das Köpfchen raus, direkt an der B 29 neben dem wachsenden Schnaithmann-Komplex.
Wenn es gilt, dies Reden von Industrie 4.0, dann muss doch auch das Gebäude, in dem die Zukunft aufscheint, etwas klug Ingeniöses haben. Das sagten sich der Bauherr und das beauftragte Architekturbüro. Es muss doch gelingen, dass es die Energie, die es braucht, selber herstellt. Und nicht den Überschuss an Abgasen und Abwärme in die Atmosphäre jagt. Bauen, ohne ein Klimakiller zu sein.
Keinen Euro mehr soll das Energiekonzept kosten
Mit dem Begriff „Bauen 4.0“ arbeitet Steffen Klingler, Geschäftsführer des Büros KOP in Weinstadt. Von Haus aus ist er Architekt. Aber seine schon lange währende Befassung mit dem vollständig erneuerbaren Bauen macht ihn zum Bauphysiker und Ingenieur nebenher. Es gilt sein Versprechen: Hier in den Breitwiesen stellt er das neue Kurz-Firmengebäude hin, klimaneutral, und zwar so, dass es keinen Euro mehr kostet, all die avancierte Technik dazu zu verbauen.
Bauherr Ehni ist zwar noch nicht vollständig davon überzeugt, dass das auf Anhieb gelingt – also ohne Mehrkosten von Grund auf. Das kleine Fragezeichen („des koschd scho was meh“) brachte Ehni jetzt beim Spatenstich an. Aber spätestens wenn das Haus dann in Betrieb ist, spielt sich der mögliche Mehraufwand durch ausbleibende Energierechnungen wieder ein – so geht die Rechnung. Wer das Geld für eine konventionelle Heizung und Klimaanlage spart, der kann es in ein ausgeklügeltes Speichersystem stecken. Mit dem Rohbau bereits. Stichwort Betonkernaktivierung.
Mit der Wärmeableitung verliert die PV-Anlage weniger Leistung
Auch hier ist es so: Die Sonne schickt keine Rechnung. Auf dem Dach wird sich die neueste Generation von Solarzellen finden lassen. Welche, die auf der Oberseite Strom produzieren, während auf der Rückseite thermische Solartechnik warmes Wasser erzeugt. Das hilft dann auch den Solarzellen selbst. Mit der Wärmeableitung verliert die PV-Anlage weniger Leistung bei Hitze.
Strom ist wichtig. Nicht nur für die Maschinen des eigentlichen Kurz-Geschäftes. Mit dem solaren Strom wird die Erdwärmepumpe betrieben, die aus der höchst massiven, aber mit kilometerlangen Schläuchen durchzogenen Bodenplatte das bereits angewärmte Wasser ansaugt. Im Winter. Und im Sommer für eine Kühlung sorgt, indem das vom Erdreich gekühlte Wasser über die Decken des Gebäudes bis oben hin für eine Temperaturabsenkung im Innern sorgt. Entscheidende drei bis vier Grad Unterschied zu draußen sind so möglich.
Das Haus, das selbstgenügsam vor sich hinarbeitet
Ein Firmengebäude hat es zugegebenermaßen einfacher. Die Abwärme der Maschinen, die Prozesswärme, wird aufgefangen und über Wärmetauscher nutzbar gemacht für die Büroräume. Selbstredend muss das Gebäude kompakt sein, die Hülle gut gedämmt und dreifach verglast. Fertig ist das Haus, das völlig selbstgenügsam vor sich hinarbeitet.
Dass es ein eigenes kleines Kraftwerk ist, hört Klingler nicht so gern. Bei der Bevölkerung hätten Kraftwerke nicht den besten Ruf. Er ist eben auch klimapolitisch unterwegs, jedenfalls im Gebäudesektor. Und würde gerne in Berlin eingreifen, damit die KfW Ökobaukredite vergibt, ohne dass sie Vorgaben macht. Falsche Dämmung zum Beispiel bedeutet, dass das Gebäude hernach nicht wieder in leicht verwertbare Bestandteile zerlegt werden kann.
Gebäude als klimapositive Energiezellen
Technologie-Offenheit, das wünscht sich der ingeniöse Architekt. Der übrigens mit seinem Büro hier im Remstal einen Referenz-Bau hingestellt hat. In Großheppach steht ein Eigenforschungsprojekt. Eine kleine Quartiersbebauung. Da geht es ums Wohnen. Klingler freilich hat bundesweit schon vor zehn Jahren als Pilotmann gewirkt bei der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen.
„Klima-positiv“ heißt die Marke. Etwas genauer: Gebäude als klimapositive Energiezellen. Dabei braucht es gar nicht so viel Technik. Die Beton-Bodenplatte, richtig gedacht, versteht sich als Speicher fürs ganze Jahr und arbeitet unentgeltlich in zwei Richtungen. Klingler sagt, er will „auf dem Gebäudesektor etwas auf den Weg bringen. Die Digitalisierung und die Energiewende“. Platinen für die Steuerung der Energieprozesse wird das Haus benötigen – das passt zur Profession der darin Arbeitenden.
Saubere Luft:
Mit der Tiefgarage und der sehr wichtigen Betonbodenplatte fünf Stockwerke hoch. 7000 Quadratmeter Nutzfläche für Produktion, Verwaltung und mit einer Kantine obendrauf. Das sind die Kennziffern des Baus in Grunbach. Rolf Ehni, der Geschäftsführer, hofft, mit einem einstelligen Millionenbetrag hinzukommen.
Er will sich einfach nicht geschlagen geben. „Es muss ja irgendwie weitergehen mit unserer Wirtschaft und der Umwelt“, sprach er jetzt beim Spatenstich. „Es können nicht alle nach China gehen.“ Hier sei die vergleichsweise saubere Luft. Er will dazu beitragen.