Schorndorf

Eine dramatische Brandnacht in Urbach

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Die Urbacher Asyl-Unterkunft in der Nacht des 16. März, nachdem die Feuerwehr den Brand gelöscht hat. © Ellwanger / ZVW

Urbach. Dies war kein Feuerchen, dies war ein Brand, der sich zur Katastrophe hätte auswachsen können, wenn die Löschkräfte nicht so umsichtig und entschlossen gehandelt hätten: An Tag zwei der Landgerichtsverhandlung gegen einen iranischen Asylbewerber, der im März in Urbach seinen Wohncontainer in Flammen gesetzt hat, berichteten Feuerwehrleute im Zeugenstand.



Sie machen keine großen Worte, erzählen ganz nüchtern, ohne Neigung zum Dramatisieren – aber aus den Schilderungen dieser beiden Feuerwehrmänner lässt sich rekonstruieren, wie aufwühlend es zuging in jener Urbacher Brandnacht.

Am Freitag, 16. März, um 21.57 Uhr werden sie alarmiert, „Zimmerbrand“ in der Urbacher Asylunterkunft – aber als Michael Hurlebaus, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Urbach, in der Straße „Wasenmühle“ eintrifft, erkennt er sofort: Das ist mehr, viel mehr. Aus zwei Fenstern im ersten Stock eines der Wohncontainer, die hier wie eine Reihenhaussiedlung aneinandergedrängt stehen, schlagen die Flammen zwei, drei, vier Meter hoch, sie flackern lichterloh himmelwärts, und der aus allen Ritzen dringende Rauch türmt sich über der Asylunterkunft zu einer mächtigen Wolke. Hurlebaus löst „Vollalarm“ aus.

Alle Urbacher Feuerwehrleute, die zu Hause und erreichbar sind, strömen binnen kurzem herbei, 45 finden sich zusammen – und aus Schorndorf ordert Hurlebaus die Drehleiter, aus Fellbach den Wagen mit den Atemschutzmasken, aus Plüderhausen 20 weitere Löschkräfte.

Sind noch Menschen im Gebäude? Das ist zunächst völlig unklar

Die Lage ist heillos unübersichtlich: Etwa Hundert Leute vermag die Anlage zu fassen; derzeit, so heißt es, sei sie mit 46 Menschen belegt; und vielleicht zwanzig, dreißig Flüchtlinge stehen draußen, blicken entsetzt auf das Geloder, irren hin und her, zerren an den Helfern, „kommt, kommt, kommt“, hierhin, dorthin. Sind noch Menschen drin? Manche sagen Nein, andere Ja.

Für Hurlebaus ist klar: Wenn sich tatsächlich noch jemand im Gebäude befindet, ist mit dem Schlimmsten zu rechnen – wir müssen rein, Leben retten.

Über eine stählerne Außentreppe dringt ein vierköpfiger „Angriffstrupp“ – drei Mann, eine Frau – vor zu einer Tür im ersten Stock und bahnt sich, bewaffnet mit einem Schlauch, kriechend den Weg hinein.

Drinnen finden sie offen stehende Brandschutztüren, Rauch quillt und wabert in jedem Winkel, Schmelz tropft von der Decke, die Flammen prasseln, Rauchmelder fiepen, die Luft kocht. Über einen Flur schlagen die vier sich zum Brandherd durch, zielen mit dem Schlauch ins Zimmer, beginnen, von oben nach unten abzulöschen. Einer versucht, den Raum zu betreten, um einen besseren Winkel zu finden, aber er spürt beim ersten Tritt, wie der Boden, der sich bereits bedrohlich durchbiegt, vollends nachzugeben und einzubrechen droht. Etwa zehn Minuten lang kämpfen sie gegen die Flammen, dann erhalten sie via Funk den Befehl: zurückziehen; „Flashover“-Gefahr.

Pulsierender Rauch, das heißt: Durchzündung droht

Denn draußen hat Hurlebaus ein Phänomen beobachtet, das verrät, wie brandgefährlich die Lage drinnen ist: Der Rauch, der aus dem Gebäude dringt, pulsiert – er wird wie der Dampfstoß einer Lokomotive rausgedrückt und wieder zurückgesaugt; ein Indiz, dass sich Rauchgase mit dem Sauerstoff in der freien Luft mischen.

Wenn bei einem Feuer Materialien, zum Beispiel Möbel aus Kunststoff, brennen, geben sie sogenannte Pyrolyse-Gase ab, die ihrerseits brennbar sind, und wenn sie wiederum Sauerstoffzufuhr erhalten, bildet sich ein zündfähiges Gemisch, das von den Flammen angesteckt werden kann – eine schlagartige Durchzündung droht, ein Feuerball, der sich mit 70 Stundenkilometern ausbreitet, weit über Tausend Grad heiß.

Fünf Minuten später sieht Hurlebaus, der permanent die Rauchzeichen liest: Das Pulsieren hat sich gelegt. Der Angriffstrupp rückt wieder vor und nimmt den Kampf erneut auf.

Um 0.48 Uhr notiert Hurlebaus: „Feuer aus, Nachlöscharbeiten beendet.“ Sie haben es geschafft. Es offenbart sich: Alle Flüchtlinge, die sich bei Ausbruch des Brandes in der Anlage aufhielten, haben sich rechtzeitig hinausgerettet, nur einer hat eine leichte Vergiftung erlitten.

Dies also geschah in jener Nacht, die Feuerwehrmänner im Zeugenstand haben es so unaufgeregt erzählt, als sei dies eben, nun ja, ihr Job. Der Laie aber staunt noch Stunden später: Die Retter, die sich in solch dramatischer Lage bewährt haben – sie machen so etwas freiwillig, im Ehrenamt, nach Feierabend, quasi nebenbei. (Die Verhandlung wird am 14. August fortgesetzt.)

Die Schlüsselfrage: Hat der aus dem Iran stammende 23-Jährige die Unterkunft versehentlich in Brand gesteckt oder absichtlich?

Am ersten Verhandlungstag erklärte der Angeklagte: Er sei wegen seiner perspektivlosen Lage in Deutschland am Ende gewesen, habe beschlossen, sich umzubringen, und den Kapuzenpullover, den er trug, am Leibe angezündet. Als aber die Flammen züngelten, habe er sie mit bloßer Hand wieder erstickt, das Kleidungsstück ausgezogen und aufs Bett geworfen. Er habe nicht gedacht, dass da noch etwas glimmen könnte. Danach habe er den Container verlassen – und draußen bemerkt, dass Flammen aus seinem Zimmer schlugen.

Am zweiten Verhandlungstag berichtete ein Polizist, der bereits in der Brandnacht den jungen Mann vernommen hatte. Sie hätten sich auf Deutsch unterhalten, „ich habe immer wieder nachgefragt, ob er es versteht – das war auch so“. Der 23-Jährige habe gesagt, er habe in seinem Zimmer seine Matratze angezündet, und zur Veranschaulichung mit dem Daumen eine Bewegung gemacht, als drehe er am Rädchen eines Feuerzeugs. Der Verdächtige soll laut Gesprächsprotokoll geklagt haben: Er dürfe keinen Deutschkurs besuchen, müsse mit anderen zusammenhausen, habe „Probleme mit meine Kollega, viel Stress – jeden Tag viermal habe ich meinem Sozial gesagt, bitte change mein Zimmer“; vergeblich. Deshalb habe er „Feuer gemacht an meine Jacke, wollte tot sein“. Aber das hätte „Schande“ über seine Eltern gebracht. Also: „Ich gebe unten Feuer an das Bett.“

Das Problem an diesem belastenden Protokoll: Die Vernehmung fand ohne Dolmetscher statt, und auch der Polizist räumt ein, dass der Vernommene „nicht alles“ verstanden habe. Der junge Mann äußerte sich im Gerichtssaal umgehend via Übersetzer auf Persisch zur Aussage des Beamten: Es habe aufgrund der Sprachschwierigkeiten „so viele Missverständnisse“ gegeben – es sei ihm nicht gelungen, dem Polizisten begreiflich zu machen, dass er nur seine Jacke angezündet, gelöscht und aufs Bett geworfen habe.