Polizeiposten Schwaikheim: Heike Reichenecken über ihren Job als neue Leiterin

Als Heike Reichenecker, zu „Brennpunkten“ aus Sicht der Polizei befragt, das „Eltern-Taxi“-Problem nennt, wird sie noch lebhafter als ohnehin in dem Gespräch. Ein Schwerpunkt im vergangenen Jahr war die Verkehrsüberwachung bei der Eichendorff-, der Ludwig-Uhland- und der Leutenbacher Gemeinschaftsschule gewesen, so die Leiterin des Polizeipostens. Speziell in den Minuten vor dem Unterrichtsbeginn haben ihre Kollegen und sie viele „eigentlich untragbare Situationen“ erleben müssen. Sie sind da sowohl „offen“, mit Streifenwagen und in Uniform, gewesen als auch „verdeckt“, in Zivil. Die dabei gemachte Erfahrung sei, dass es leider nur funktioniere, die Eltern sich an die Verkehrsregeln halten, wenn sie als Polizisten erkennbar auftreten.
Was sie erschüttert, ja unfassbar für sie ist: „Da rennen ständig kleine Kinder zwischen geparkten Autos durch über die Straße. Aber das will doch niemand erleben, dass dabei eines von einem Auto, das gerade durchkommt, erfasst wird.“ Die Polizeihauptkommissarin kann (und will) die Eltern, die aber genau das riskieren, nicht verstehen. Sie war deshalb bei den Elternabenden zum Schulstart der ersten Klassen, um zu warnen, vorzubeugen.
Ihr Eindruck ist, dass diese Präventionsarbeit (noch) nicht so richtig fruchtet. Sie hat auch drauf hingewiesen, dass es nahe der Ludwig-Uhland-Schule den großen Parkplatz an der Gemeindehalle gibt, wo Eltern aus ihrer Sicht ihre Kinder problemlos aussteigen lassen könnten (allerdings müssen sie von dort über die Straße). „Es geht doch um ihre eigenen Kinder!“
„Wenn man ein totes, verunglücktes Kind gesehen hat, das vergisst man nie mehr“
Man merkt: Das ist eine Herzensangelegenheit für die 52-Jährige. Was kein Wunder ist. Denn sie war früher auch Sachbearbeiterin im Jugendbereich der Polizei, auch im Opferschutz und im Unfalldienst tätig: „Wenn man einmal ein totes, verunglücktes Kind gesehen hat, das vergisst man in seinem Leben nicht mehr.“ Das gilt auch, selbst für sie, die seit mehr als 30 Jahren bei der Polizei ist, dort schon viel erlebt hat und damit auch gut zurechtkommt, betont sie.
Sie ist seit September 2021 Leiterin des Postens, der auch für Leutenbach zuständig ist. Sie war zwölf Jahre in Fellbach im Ermittlungsdienst, dann viereinhalb Jahre Leiterin des Postens in Kernen, der im Teilort Rommelshausen sitzt, daraufhin anderthalb Jahre Leiterin des Postens in Schmiden. Dass sie schon ziemlich „rumgekommen“ ist, erklärt sie auch mit der Dienstpostenreform der Polizei, durch die Führungskräfte sich immer wieder mal für andere Dienststellen bewerben sollen.
Sie war schon vorher Postenführerin, ist also die Leitung des hiesigen eine Beförderung für sie? Durchaus, denn der Posten sei ja für zwei Gemeinden zuständig, und das bedeute für sie, dass sie viel mehr als Leiterin zuständig sei, auch als Bindeglied zu den beiden Gemeinden und Gemeinderäten, zu den Schulen, zu den Vereinen, zu den Feuerwehren. Sie nimmt das ernst, was für sie auch heißt, Sitzungen, Haupt- und Abteilungsversammlungen zu besuchen, sich vorzustellen, selbst wenn an einem Tag oder Abend gleich mehrere davon sind.
Heike Reichenecker ist in Ulm aufgewachsen
In Schmiden sei ihre Arbeit viel enger an das Revier gebunden gewesen. Beispiel: Wenn neue Flüchtlinge kommen oder eine neue Unterkunft für sie gebaut wird, dann sei sie hier deutlich mehr von Anfang an involviert. Außerdem sei ihre Arbeit mit dieser Doppelung, zwei Gemeinden mit unterschiedlichen Strukturen (Leutenbach mit drei Teilorten), zwei Verwaltungen, vielfältiger.
Heike Reichenecker ist in Ulm aufgewachsen, den Dialekt von dort hat sie immer noch. 2002 zog sie „der Liebe wegen“ nach Backnang, heiratete und wohnt nach wie vor dort. Sie hat an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen studiert, trat 1991 in den Polizeidienst ein. „Ich liebe meinen Job nach wie vor wie am ersten Tag.“ Warum, mit der Polizei verbindet man erst mal doch viele unerfreuliche Erlebnisse? Sie widerspricht. Der Beruf bringe Kontakt mit Menschen mit sich, viel Abwechslung, kein Tag sei wie der andere.
Sie komme sehr gut auch mit schwierigen Leuten zurecht, habe aber ohnehin grundsätzlich ein positives Menschenbild, was für ihren Beruf, um in den überhaupt reinzuwachsen, eigentlich unabdingbar sei. Sie lächelt: „Und ich gehe davon aus, dass sich das bei mir bis zur Rente auch nicht mehr ändern wird.“ Überhaupt: Es gebe auch welche, die sich bei ihnen bedanken, wenn sie Hilfe von der Polizei bekommen. Sie habe ihre Berufswahl noch nie bereut.
Gelernt hatte sie zunächst Bürokauffrau, „aber schnell gemerkt, dass ich das ganz sicher nicht 40 Jahre lang machen will“. Und sie habe ja nicht umsonst später studiert, sehe ihre Veranlagung tatsächlich darin zu leiten, auch wenn das herausfordernd sei. Sie wolle aber auch nicht „an den Schreibtisch gebunden“ sein, brauche auch das Draußensein, das Selbstermitteln, nach wie vor. Dass es noch weiter „hoch“ geht für sie, Leitung eines Reviers als nächste Stufe, schließt sie daher aus.
Betrugsfälle haben massiv zugenommen
Was gibt es noch an Problemen in „ihren“ beiden Gemeinden? In beiden habe die Polizei massiv mit Betrugsdelikten, vor allem den Online-Fällen, zu kämpfen (Enkeltrick, falsche Polizeibeamte, Abzocke übers Telefon). Einer der Mitarbeiter des Postens ist Spezialist für die Aufklärung von „Cybercrime“, sie hätten von hier aus also durchaus ermittlungstaktische Möglichkeiten, die Chance, solche Delikte weitgehend selbst aufzuklären. Aber: Die Täter seien längst technisch hochversiert und ausgerüstet.
Im laufenden Jahr solle das Augenmerk deshalb verstärkt auf der Sicherheit von Senioren liegen, deren Belange gingen oft etwas unter. Mehr Prävention, Beratung in Sachen Betrügereien also. Die Mitglieder der Banden, die da unterwegs sind, seien hochintelligent, auch rhetorisch und psychologisch mittlerweile sehr gut geschult, da gebe es kein Radebrechen mehr, die sprächen astreines Hochdeutsch: „Die schaffen es, die Angerufenen in kürzester Zeit in Panik zu versetzen, so dass sie meistens tun, was von ihnen verlangt wird.“
Viele Sachbeschädigungen an öffentlichen Gebäuden
Gibt es „Brennpunkte“? In Schwaikheim leider sehr viele Sachbeschädigungen an öffentlichen Einrichtungen wie den Schulgebäuden und Spielplätzen, Vandalismus, Farbschmierereien, auch das Freizeitzentrum, genauer der Ententeich dort, sei ein Schwerpunkt. In beiden Gemeinden gebe es zunehmend Fälle von häuslicher Gewalt, auch Körperverletzungen, also die eine oder andere Schlägerei, aber nicht mehr als auch sonst im Lande. Der Schwaikheimer Bahnhof sei ein „Treffpunkt“, aber auch das gelte ja für alle Bahnhöfe.
Es gehe schwerpunktmäßig durchaus nicht um die Kneipe dort, betont Heike Reichenecker. Der Pausenhof der Ludwig-Uhland-Schule sei dagegen nicht mehr „auffällig“, dort habe sich die Lage entspannt. Die „Klientel“ sei auch nicht einfach woanders „hingezogen“: „Von den Betreffenden hat der eine oder andere die Kurve gekriegt. Wir haben nach den Anzeigen den Kontakt zu den Eltern gesucht. Die Entwicklung ist also positiv.“ Ein weiteres Problem seien die zu hohen Geschwindigkeiten von Autos, etwa auf der Weiler- und der Kelterstraße, es gebe anhaltend Beschwerden von dortigen Anwohnern über Raser.
Und Leutenbach? Da gab es im vergangenen Jahr viele Diebstähle aus am oder in der Nähe der Nellmersbacher S-Bahn-Station geparkten Autos (wohl von Pendlern) und Einbrüche in Firmengebäude im Gewerbegebiet, sowie durch die drei Teilorte auch im Verhältnis mehr Betrugsversuche als in Schwaikheim. Die Wohnungseinbrüche an den Ortsrändern hätten weitgehend aufgehört, so Heike Reichenecker. Aufgrund intensiver Fahndungen habe es viele Festnahmen gegeben.
Vermittlung von Werten ist Reichenecker ein Anliegen
Noch mal zu den Senioren: Dass geplant ist, mehr Sitzbänke im Ort aufzustellen, findet Heike Reichenecker ausdrücklich richtig, das gelte auch für die Bushaltestelle direkt vor dem Posten. Das sei auch eine Sache des Respekts vor den Älteren. Überhaupt Erziehung, Wertevermittlung, das ist auch ein Anliegen von ihr. Rücksichtnahme auf Menschen mit Handicap, im Bus oder der S-Bahn aufstehen, ihnen den Platz anbieten, das sei doch eigentlich selbstverständlich. Oder in Situationen, wo jemand in Not ist, könne jeder, der das mitbekomme, etwas tun, „ohne den Helden spielen zu müssen“, und wenn es nur den Notruf zu wählen mit dem Smartphone sei.
Sie wird auch selbst älter, verkrafte die Erlebnisse im Dienst eigentlich schon immer gut, aber es werde schwerer, auch weil sich das Verhalten gegenüber der Polizei geändert habe. Es gebe Beleidigungen, Beschimpfungen, Übergriffe, tätliche Angriffe nähmen zu. „Da muss man manchmal erzieherisch einwirken.“ Wenn Junge zum Posten kommen zur Vernehmung, bringt sie ihnen nach dem Motto „Alles noch mal von vorne“ schon mitunter bei, wie man überhaupt anständig hereinkommt, höflich grüßt, sich so verhält, wie es sich gehört. Diese Linie verfolge sie konsequent seit Jahren, mit Erfolg: „Man bekommt dann schon den Respekt von denen.“