Brandgefährlich: Steine auf Schienen
Waiblingen. Denn sie wissen nicht, was sie tun: Kürzlich haben wieder Jugendliche Steine auf Schienen gelegt, diesmal in Fellbach. Es ist niemandem etwas passiert, außer dass Fahrgäste wegen eines lauten Schlags erschrocken sind. Solche Torheiten können übel ausgehen. Wer Gegenstände auf Gleise legt, ist wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr dran und bringt sich selbst in höchste Gefahr.
Auf Höhe der Schwabenlandhalle haben vier bis fünf Jugendliche am Mittwochabend vor einer Woche Steine auf Schienen gelegt. Die U 1 überfuhr das Hindernis, und die Jugendlichen bejubelten laut Zeugenberichten den lauten Schlag.
Hätte jemand Splitter des zerborstenen Steins abbekommen, er hätte ganz bestimmt nicht gejubelt. Das ist eine der vielen Gefahren, an die Täter entweder gar nicht denken oder die sie einfach billigend in Kauf nehmen: So ein Stein oder kleine Teile des Steins können sich, von einem Zug erfasst, zu brandgefährlichen Wurfgeschossen entwickeln. Immer wieder registriert die Bundespolizei Fälle, „da sagen wir, wir können froh sein, dass da nicht mehr passiert ist“, sagt Jonas Große, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Stuttgart. Leute legen Cent-Stücke auf Schienen – und freuen sich hinterher daran, wie plattgewalzt das Geldstück ist.
Bei 100 km/h kommt der Zug erst nach einem Kilometer zum Stehen
Fahrräder, Roller, Betonplatten, Betondeckel, kürzlich ein Mülleimer mit Betonsockel –, das und mehr hat die Bundespolizei bereits auf Gleisen entdeckt. Sachschäden an Zügen sind noch die harmloseren Folgen. Wer so etwas tut, gefährdet andere und bringt sich selbst in Lebensgefahr. Züge nähern sich sehr schnell – und sehr, sehr leise. Je nach Windrichtung kann es sein, dass jemand, der sich im Gleisbereich aufhält, einen Zug erst wenige Sekunden, bevor er da ist, überhaupt hört. Liegt Schnee, absorbiert dieser noch zusätzlich Geräusche. Ein Zug kann weder ausweichen noch schnell bremsen. Bei einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern kommt er erst nach einem Kilometer zum Stehen.
„Es ist verboten, die Gleisanlagen zu betreten“, betont ein Bahnsprecher. Wer sich nicht dran hält, „begibt sich in akute Gefahr“. Der Bahnsprecher appelliert an Eltern, Verkehrserziehung zu betreiben und Kinder ausdrücklich auf die Gefahren hinzuweisen. Auch auf jene an Bahnhöfen. An den Gleisen sind nicht umsonst Linien angebracht, hinter welchen Fahrgäste zurückbleiben müssen. Ein Zug erzeugt einen erheblichen Sog, auch noch bei geringerer Geschwindigkeit.
„Das gehört nicht in die Abteilung Streiche“
An allen Bahnhöfen im Rems-Murr-Kreis sind Kameras angebracht. Sie könnten es theoretisch aufzeichnen, wenn jemand dort etwas auf die Gleise legt. Doch die Übeltäter bevorzugen Streckenabschnitte außerhalb der Bahnhöfe. So wie in den Jahren 2012 und 2014, als Tunichtgute mehrmals auf der Wieslauftalbahn-Strecke Gegenstände ablegten, etwa Gartenstühle oder Steine.
Im Extremfall kein ein Zug wegen eines besonders schweren, großen Hindernisses entgleisen. Der Bahnsprecher kann sich zwar an solch einen Fall nicht erinnern – doch das heißt nicht, dass so etwas nicht denkbar wäre. Hindernisse auf Gleise legen, „das gehört nicht in die Abteilung Streiche. Das ist brandgefährlich. Das wird hart geahndet“, mahnt der Bahnsprecher.
Auch der Versuch ist strafbar
§ 315 des Strafgesetzbuches sieht für gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor. Strafbar ist auch der Versuch.
Die Bundespolizeiinspektion Stuttgart hat im Jahr 2015 laut Jonas Große rund 40 Prozent der gefährlichen Eingriffe in den Bahnverkehr aufklären können. 137 solche Fälle verzeichnete die Bundespolizeiinspektion im vergangenen Jahr in ihrem Zuständigkeitsbereich. „Tendenziell steigt die Aufklärungsquote 2016 bislang, bei sinkenden Fallzahlen“, so Jonas Große. Zu den Aufgaben der Bundespolizei gehört es, das Streckennetz im Bahnverkehr sowie die Bahnhöfe vor Angriffen auf die Sicherheit zu schützen. Die Stuttgarter Inspektion ist auch für den Rems-Murr-Kreis zuständig.
Mehr Verspätungen
Bundespolizisten lassen Streckenabschnitte sperren, sobald in Gleisnähe Personen gesichtet werden oder Hindernisse auf Gleisen entdeckt wurden. Auf diese Weise entstehen Verspätungen, die nicht in der Verantwortung der Bahn liegen. Beschädigte Loks müssen repariert werden – auch das kann zeitweise zu Ausfällen führen.
Eine Statistik führt die Bahn nicht, aber „immer wieder“ hat sie es mit mutwillig auf Gleisen platzierten Gegenständen zu tun, sagt der Sprecher. Seine Warnung: „Bahnanlagen sind keine Abenteuerspielplätze.“