Der Mann, der Stihl nach Afrika bringt
Waiblingen. Ostafrika ist ein vielversprechender Markt. Vor zwei Jahren hat Patrick Okello während seines neunmonatigen Praktikums bei der Firma Stihl in Waiblingen das Marktpotenzial von Ostafrika untersucht. Kenia, Uganda, Ruanda und Äthiopien geben für Motorsägen und -geräte mehr her als gedacht. Nun baut Patrick Okello eine neue Stihl-Tochtergesellschaft in Kenia auf.
Patrick Okello fängt ganz von vorne an. Die Stihl Marketing East Africa Ltd. ist zwar inzwischen gegründet. Doch muss das Büro der neuen Vertriebsgesellschaft in Nairobi erst noch renoviert und Personal gesucht werden. Im März will Patrick Okello richtig loslegen, erzählt der künftige Geschäftsführer bei einem Gespräch im neuen Entwicklungszentrum in Waiblingen. Bisher haben lokale Importeure Stihl-Produkte in Ostafrika verkauft.
Aus Sicht von Okello gibt der Markt mehr her, wenn der intensiv beackert werde. Viele Kleinbauern schließen sich in Kenia zu landwirtschaftlichen Kooperativen zusammen und erhalten auf diese Weise Zugang zu Kapitalquellen. Solche Kooperativen können sich Freischneider für die Getreideernte oder Sprüh- und Spritzgeräte für den Pflanzenschutz leisten. Mit einer eigenen Vertriebs- und Marketinggesellschaft, wie es sie bereits in 37 Ländern gibt, will Stihl das Geschäft intensiver betreiben. „Stihl denkt langfristig“, sagt Patrick Okello über die Fünf-Jahres-Strategie. Das Unternehmen erwarte von ihm keine kurzfristigen Erfolge. „Es ist ein schwieriger Markt, der seine Zeit braucht, um entwickelt zu werden.“
Spezialgeräte für die Tee-Ernte und Universal-Freischneider besonders gefragt
Besonders gefragt sind in Ostafrika Freischneider, die sich universal in der Land- und Forstwirtschaft einsetzen ließen. Aber auch Spezialgeräte wie einen Tee-Ernter hat Stihl für Ostafrika im Programm, das Okello ausweiten will.
„Afrika kommt!“ nennt sich eine Initiative der deutschen Wirtschaft, an der sich auch die Firma Stihl beteiligt. Afrikanische Nachwuchsführungskräfte sollen deutsche Unternehmen kennenlernen und Einblicke in deren Arbeitsprozesse und Managementmethoden bekommen. Der Zweck ist ein doppelter. Zum einen dient „Afrika kommt!“ der Karriere der Praktikanten wie Patrick Okello, zum anderen aber werden Kontakte nach Afrika geknüpft - was bei Stihl nun zu einer weiteren Tochtergesellschaft in Ostafrika führt, der zweiten nach der südafrikanischen.
Afrika für viele europäische Unternehmen noch Neuland
Während chinesische Unternehmen in Afrika allgegenwärtig sind, tun sich Europäer schwer, sich mit diesem Kontinent als Wirtschaftspartner anzufreunden. Das Bild von Afrika werde von Armut, der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Lage sowie Korruption geprägt, sagt Okello über die Vorurteile, die über seine Heimat kursieren. Aber Politik und Wirtschaft seien im Wandel. Der Mittelstand wächst und damit auch die Kaufkraft für hochwertigere Produkte, wie zum Beispiel die Motorgeräte und -sägen von Stihl. Für europäische Firmen eröffnen sich in Ostafrika große Chancen, ist Okello überzeugt. Sie erwartet ein wachsender Markt und eine gut ausgebildete Bevölkerung. So planen die ostafrikanischen Staaten eine Währungsunion, zu der auch der Ausbau des grenzüberschreitenden Eisenbahnnetzes gehört.
Chance, die Stereotypen zu verändern
Okello verschließt nicht die Augen vor den Problemen in seinem Heimatland Kenia, das nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen erneut in Turbulenzen geraten ist. Das Land befindet sich auf einem schmalen Grat zwischen Demokratie und Autokratie. Doch sei Kenia stabil genug, um seine Probleme zu bewältigen. Umso wichtiger sei es, dass Europa und Deutschland nicht nur Geld geben, sondern auch klar Stellung für die Demokratie beziehen. Die diktatorischen Regime in Afrika rauben ihre Länder aus. Der größte Teil der Bevölkerung bleibt arm. Viel zu oft halte Europa sich zurück, statt konsequent für Demokratie und „Good Governance“ einzutreten.
Organisation und Teamarbeit
„Wenn wir uns besser kennenlernen, haben wir die Chance, die Stereotypen zu verändern“, hofft Okello. Während seines neunmonatigen Praktikums hat er auch die deutschen Arbeitsweisen kennen- und schätzen gelernt. „Die Deutschen sind sehr organisiert und fokussiert.“ Gleichzeitig trennten die Deutschen geschäftliche und private Dinge streng voneinander, was in Afrika eher unüblich sei. „Die Teamarbeit steht im Mittelpunkt.“ Das schließt auch die Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten ein: „Dein Boss ist ein Kollege. Man lernt gegenseitig voneinander.“
Okello hatte sein Praktikum im Jahr 2015 absolviert und kehrte Anfang 2016 nach Nairobi ins Landwirtschaftministerium zurück. Der Kontakt mit Stihl riss jedoch nicht ab. Er blieb als Berater für Stihl tätig, was nun in seine neue Aufgabe mündete, eine Vertriebstochter für das Waiblinger Unternehmen aufzubauen.
Afrika kommt
Patrick Okello hat in Nairobi Landwirtschaft studiert und in Florenz seinen Master in Agrarwissenschaft und Rohstoffmanagement gemacht. Eher zufällig war er 2015 auf die Anzeige „Afrika kommt“ gestoßen. Ein Praktikum in Deutschland habe ihn sofort gereizt. Sein Fazit über das neunmonatige Praktikum in einem Interview mit der Stihl-Firmenzeitschrift „Blick ins Werk“ lautete: „Wenn ich zurück in Afrika bin, möchte ich mein neu gewonnenes Wissen dazu nutzen, die junge kenianische Gesellschaft mitzugestalten. Die Landwirtschaft in Afrika birgt ein hohes Potenzial.“
„Afrika kommt“ ist eine Initiative der deutschen Wirtschaft für den Führungskräftenachwuchs aus Afrika, die 2008 von 19 Unternehmen gegründet wurde. Jährlich stehen 25 bis 30 Plätze zur Verfügung. Ziel des Programmes ist es, junge, qualifizierte Führungskräfte in Deutschland fortzubilden und so den Grundstein für eine nachhaltige Wirtschaftskooperation zu legen.