Katzenbabys suchen Pflegefamilien
Waiblingen. Etwa 160 freilebende Katzen gibt es in Waiblingen. Weil auch immer wieder herrenlose Katzenbabys gefunden werden, sucht der Tierschutzverein Waiblingen dringend Pflegestellen. Wer kleine Kätzchen bei sich aufnehmen möchte, sollte Platz haben, Zeit – und eine gute Portion Geduld.
Zack, den Kratzbaum rauf. Wusch, über den Vorhang wieder runter. Dann über den Tisch, die Stühle, den Teppich. Menschenfüße im Weg? Egal. Sechs kleine Kätzchen tollen durch das Zimmer der Pflegestelle. „Wer kleine Kätzchen aufnehmen will, der braucht schon etwas Geduld“, sagt Christine Dalferth. Hin und wieder gehe natürlich etwas zu Bruch. Aber er bekomme auch sehr viel zurück. Seit drei Jahren nimmt die Waiblingerin regelmäßig Pflegekatzen auf. Meist sind es Findelkinder, die bei ihr einziehen. Mit Unterstützung des Tierschutzvereins päppelt sie die Kätzchen auf. Wenn sie alt genug sind, werden sie in neue Familien vermittelt.
Ausgesetzte Kätzchen
Zurzeit wohnen sechs zuckersüße Fellknäulchen bei Dalferth. Toni, der kleine weiße Kater, wurde mutterseelenallein auf einer Treppe gefunden. Offenbar hatte auch seine Mutter bereits auf der Straße gelebt, eines Tages tauchte die Katzenmama nicht mehr auf. „Zum Glück haben wir den Kleinen gefunden, er hätte auf der Straße wenig Überlebenschancen gehabt“, sagt Sybille Tögel, die Katzenkoordinatorin des Vereins. Die fünf anderen Pflegekätzchen sind Geschwister – sie wurden abgegeben, weil die Besitzer der Mutter offenbar nichts mit ihnen anzufangen wussten. Auch solche Fälle übernehmen die Ehrenamtlichen des Tierschutzvereins gern: „Das ist uns allemal lieber, als wenn die Kätzchen einfach irgendwo ausgesetzt werden“, betont Tögel.
Rotes Katerchen voller Lehm
Oder Schlimmeres. So wie im vergangenen Jahr, als Dalferth einen Anruf von der Polizei erhielt. Sie hatten ein Kätzchen aus einem Bach gefischt und wussten nicht, wohin damit. Das Bild, das sich der Katzenretterin vor Ort bot, war erschütternd: „Das kleine Ding war über und über voller Lehm, man konnte seine Farbe gar nicht mehr erkennen“, erinnert sie sich. „Und die Beamtin, die ihn gefunden hatte, war den Tränen nahe.“ Nach drei ausgiebigen Bädern kam unter dem ganzen Dreck ein flauschiges rotes Katerchen zum Vorschein.
An eine weitere herzerweichende Geschichte erinnert Dalferth sich: Eines Tages rief ein Tierarzt bei ihr an. Eine trächtige Katze war von einem Auto angefahren worden, die Jungen wurden per Kaiserschnitt ans Licht der Welt geholt. Wie durch ein Wunder überlebten alle drei, die Katzenfreundin päppelte sie liebevoll mit dem Fläschchen auf. Auch die Mutter konnte gerettet werden – es gab also für alle ein Happy End.
Einer Katze wurden die Ohren abgeschnitten
Doch die Katzenretterinnen haben auch Furchtbares zu berichten: Vor einigen Jahren wurde bei Tögel mal eine Katze mit Jungen abgegeben. Man hatte der Mutter die Ohren abgeschnitten, wohl um die Tätowierung zu entfernen, mittels derer sie ihren Besitzern hätte zugeordnet werden können. „Die Katze hat zum Glück überlebt und hat auch ihr Vertrauen zum Menschen nicht verloren, eigentlich unglaublich“, berichtet Tögel.
Ein anderer Fall ging nicht so glimpflich aus: „Wir haben mal eine Straßenkatze mit einem riesigen Loch im Oberschenkel gefunden“, berichtet Annemarie Werner, die Vorsitzende des Tierschutzvereins. Die Wunde war bereits so stark entzündet und von Maden befallen, dass die Katze nicht gerettet werden konnte. Umso wichtiger erscheint die tägliche Arbeit des Tierschutzvereins: An seinen Futterstellen versorgt er mehr als 160 freilebende Katzen. Sie werden aber nicht nur gefüttert.
Kastration von Straßenkatzen ist wichtig
Die Tierschützer fangen die Katzen ein, lassen sie kastrieren und bringen sie anschließend zurück. „Die Kastration ist wichtig, weil sie viel Elend verhindert“, erläutert die Vereinsvorsitzende. Mehr als zwei Millionen herrenlose Katzen gibt es derzeit in Deutschland. Allein eine unkastrierte Katze kann innerhalb von zehn Jahren zu mehr als 240 Millionen Nachkommen beitragen. Rechnerisch sieht das Ganze so aus: Sie kann zweimal im Jahr Junge bekommen, durchschnittlich drei Katzenbabys pro Wurf überleben. Wenn diese sich nun wieder jeweils zweimal im Jahr fortpflanzen, ergibt sich diese hohe Zahl.
Katzen kommen oft schon krank auf die Welt
Doch das Leben auf der Straße ist hart für Katzen – und für Katzenbabys noch viel härter. „Häufig sind bereits die Mütter unterernährt und haben Krankheiten“, so Werner. Viele Kätzchen kämen daher bereits krank auf die Welt oder verlören bereits in sehr jungem Alter ihre Mütter.
Weil auch in Waiblingen immer wieder herrenlose Katzenbabys gefunden werden, sucht der Tierschutzverein ständig Pflegestellen. Wer helfen möchte, braucht zunächst einmal Platz: Ein Zimmer, in dem die Kätzchen zumindest zu Anfang ungestört sein können, ist sinnvoll. Ein bisschen Katzenverstand sollte auch vorhanden sein, der Rest komme mit der Zeit, sagt Dalferth. „Man entwickelt so seine Tricks, wie man zum Beispiel Katzen zum Fressen bringt.“ Die Ausrüstung wie Katzentoilette und Kratzbaum stellt der Tierschutzverein, auch Futter und anfallende Tierarztkosten bezahlt er.
Helfen kostet Zeit und wird mit Kuscheln belohnt
Helfen kostet also nichts außer der Zeit, die es braucht, sich um die Fellknäulchen zu kümmern. Aber die danken’s einem mit viel Liebe und Kuscheleinheiten. „Und es ist einfach schön, wenn man eine Katze gut vermittelt hat und sieht, wie wohl sie sich in ihrer neuen Familie fühlt“, sagt Dalferth. Auch die neuen stolzen Katzenbesitzer danken es: Von fast allen bekomme sie bis heute noch Bilder der vierbeinigen Lieblinge.
Dalferths eigene fünf Katzen sind natürlich auch Findelkinder. Ihren allerersten Kater rettete sie aus einem Müllcontainer in ihrem Wohngebiet – da war er noch ein Baby. Die anderen „kamen dann so dazu“, sagt die Tierfreundin. Zum Beispiel die kleine rote Katze, die sie aufnahm, weil ihr die Farbe so gefiel oder die dreifarbige, ihr erstes Flaschenkind. Dalferths Kater Paul hatte sich in sie verliebt, also durfte sie bleiben. „Für mich braucht man keine Katze züchten, ich mag sie alle“, sagt sie.