Schwere Vorwürfe gegen Martin Staab
Waiblingen/Radolfzell. 13 Jahre war er Erster Bürgermeister in Waiblingen, 2013 wurde Martin Staab zum Oberbürgermeister von Radolfzell gewählt. Vier Jahre später rumort es beträchtlich in der Stadt am Bodensee: In einem Brandbrief erheben 14 Stadträte massive Vorwürfe gegen ihren OB. Staab drangsaliere seine Mitarbeiter, im Rathaus herrsche ein Klima der Angst. Inzwischen hat sich auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Martin Staab weist die Vorwürfe zurück.
„Wir halten es für unsere Pflicht, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen“, heißt es in einem offenen Schreiben an Oberbürgermeister Martin Staab, unterzeichnet von 14 Stadträten und damit der Mehrheit des 26-köpfigen Gemeinderats. Acht CDU-Stadträte, vier der Grünen und zwei SPD-Räte werfen Martin Staab vor, unter den Mitarbeitern im Rathaus ein Klima der Angst zu verbreiten. Unliebsame Mitarbeitende würden dazu gedrängt, zu kündigen oder eine andere Arbeit zu übernehmen. „Personalführung wird zur Machtdemonstration, um Menschen klein zu halten.“ Viele hätten die Stadtverwaltung verlassen oder überlegten sich eine Kündigung.
„Es herrscht ein Klima der Angst in Teilen der Verwaltung“
Es ist ein Vorgang, der wahrlich nicht alle Tage vorkommt. Das wissen auch die Unterzeichner. Der Gemeinderat habe lange damit gerungen und versucht zu vermitteln, die Hoffnungen auf Besserung seien aber beständig enttäuscht worden. „Es gibt keine Anzeichen, dass der Zustand sich bessert. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, dass viele gute Mitarbeitende die Stadtverwaltung verlassen haben“, heißt es in dem Brief weiter. Diese Entwicklung gehe schon über ein Jahr. „Es herrscht ein Klima der Angst und des Misstrauens in Teilen der Verwaltung. Hier ist kein gutes Arbeiten und Entscheiden möglich.“
Dominanter Führungsstil zeigte sich schnell
Nach einem Gespräch im November mit OB Staab sei die Entscheidung gefallen. „Für die Mehrheit des Gemeinderats gab es keine andere Lösung“, sagt Siegfried Lehmann, Fraktionsvorsitzender der Freien Grünen Liste, auf Anfrage der WKZ. Schon in den Monaten nach der Wahl habe sich Staabs dominanter Führungsstil in der Verwaltung und im Gemeinderat gezeigt. Dann habe sich die Situation immer mehr zugespitzt. Zuletzt setzte Staab offenbar Bürgermeisterin Monika Laule aufs Trockene: Seit Sommer leitet Staab höchstselbst alle Ausschüsse des Gemeinderats, die sich mit Kultur, Bildung, Soziales und Sicherheit befassen. Diese Fachbereiche gehören zum Dezernat der Bürgermeisterin. Die Gemeindeordnung gibt ihm das Recht dazu – Harmonie im Rathaus sieht anders aus.
Mitarbeitergespräche illegal aufgezeichnet?
Inzwischen hat sich auch die Staatsanwaltschaft Konstanz eingeschaltet. Das bestätigt Pressesprecher Andreas Mathy auf Anfrage. In ihrem Brief werfen die Stadträte Staab auch illegale Aufzeichnungen von Mitarbeitergesprächen vor. Ob an den Vorwürfen was dran ist, wird jetzt von der Staatsanwaltschaft geprüft.
Staab: "Mir persönlich sind keine belegbaren Fälle bekannt"
Martin Staab weist schriftlich alle Vorwürfe zurück. Die Anschuldigungen im offenen Brief seien nicht nachvollziehbar, genauso wenig, dass damit vertrauliche Informationen und Personalangelegenheiten an die Öffentlichkeit gegeben worden seien. Mitarbeiter hätten vielfältige Gründe, den Arbeitgeber zu wechseln, lässt Staab auf der Homepage der Stadt Radolfzell verlautbaren. Und: „Mir persönlich sind keine belegbaren Fälle bekannt, in denen Gesprächsaufzeichnungen ohne Wissen des Mitarbeiters getätigt wurden.“
Regierungspräsidium soll auf klare Regeln drängen
Nach ihrem ungewöhnlichen Schritt hoffen die Stadträte nun auf das Eingreifen der Kommunalaufsicht. „Unser Schreiben war als Weckruf gemeint“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Bernhard Diehl. Lange hätten sie gezögert, an die Öffentlichkeit zu gehen, aber es gehe ihnen um die Stadt und um die Menschen. Jetzt müssten weitere Schritte folgen. „Auch die Macht des Oberbürgermeisters hat Grenzen“, meint Siegfried Lehmann. „Das Regierungspräsidium soll auf klare Regeln drängen.“ In der Vergangenheit hat es das bereits getan. Als der Gemeinderat monierte, dass Staab eine fristlose Kündigung ausgesprochen hatte, über die der Gemeinderat hätte entscheiden müssen, gab die Behörde dem Gemeinderat recht. Der OB hätte zuvor das Gremium für eine Entscheidung einberufen müssen, befand das RP in Freiburg.
Danach hatte der Rat eigentlich auf mehr Einsicht von Seiten Staabs gehofft, sagt Lehmann. Immerhin sei er jetzt vier Jahre im Amt, Halbzeit als Oberbürgermeister also. „Wenn man wiedergewählt werden will, sollte man den Konsens suchen. Eine klare Vorstellung gehört mit zum Amt. Aber auch ein OB muss wissen, wo seine Grenzen sind.“
Staab: Normale Fluktuation
Oberbürgermeister Martin Staab war telefonisch nicht zu erreichen. Per Mail teilt er der WKZ zu den Vorwürfen ergänzend zu seiner Stellungnahme auf der Homepage aber Folgendes mit:
Die Stadtverwaltung Radolfzell beschäftige über 600 Personen, darin enthalten sind auch Lehrkräfte, Erzieherinnen, geringfügig und befristet Beschäftigte, Auszubildende, Praktikanten, junge Menschen im Bundesfreiwilligendienst. Die Fluktuation sei ganz normal. „2017 hatten wir verwaltungsweit 50 Eintritte und 46 Austritte (davon rund 45 Prozent Erzieherinnen – eine junge Berufsgruppe mit einer bundesweit hohen Fluktuation) – lediglich eine Kündigung wurde von der Arbeitgeberseite ausgesprochen. 2016 zeichnet sich mit 47 Eintritten und 49 Austritten ein ähnliches Bild. Im Vergleich hatten wir 2017 sogar einen leichten Rückgang der Austritte.“
Fedrow abgewählt
Wirbel gab es auch um einen anderen ehemaligen Rathaus-Mitarbeiter. Im November wurde in Ettlingen der umstrittene Bürgermeister und frühere Leiter des Waiblinger Rechnungsprüfungsamts Thomas Fedrow abgewählt. Fedrow hatte in den vergangenen Jahren immer wieder negative Schlagzeilen gemacht, unter anderem wurde ihm Mobbing vorgeworfen. Bei der Wahl siegte der Bruchsaler Moritz Heidecker. Fedrow bekam keine einzige Stimme des Gemeinderats.