Die Mühlen rattern, die Bäche rauschen
Alfdorf. Wer das ruhige Naturerlebnis sucht, das friedliche Klappern eines Mühlrads genießen will oder einfach ein bisschen durch das idyllische Rottal wandern mag, blieb am Montag garantiert daheim. Denn es schoben sich Menschenmassen von Mühle zu Mühle. Den Daheimgebliebenen entgingen dafür Mühlenführungen und kulinarische Köstlichkeiten, die den Mühlentag zu dem machen, was er seit 25 Jahren ist: Ausflugsziel für die ganze Familie.
Der Mühlentag am Pfingstmontag bietet ausschließlich Superlative und Gründe zum Feiern: Der von der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung ins Leben gerufene Tag selbst feiert die 25. Auflage. Der Schwäbische Wald hat seit 40 Jahren den Mühlenwanderweg, der bei fantastischem Wetter dem Gewühle eines Straßen- oder Stadtfests ähnelt: an allen zwölf geöffneten Mühlen unzählige Menschen, die für Essen und Getränke anstehen, sich vorbeidrücken und auf den Wanderwegen im Slalom aneinander vorbeilaufen oder im Gänsemarsch dribbeln. „Nach dem schlechten Wetter gestern drückt es heute eben alle raus“, staunen Corinna und Wolfgang Wörner aus Ludwigsburg nicht schlecht, die „die schöne Gegend“ häufig aufsuchen, meist „an deutlich ruhigeren Tagen“, wie sie sagen.
Neue Schwäbische Waldfee wurde in ihr Amt eingesetzt
Nächstes Highlight ist die „Inthronisierung“ der sechsten schwäbischen Waldfee Mariel Knödler, die am späten Vormittag etliche Besucher vor der Heinlesmühle verfolgen. Die neue Botschafterin des Schwäbischen Waldes verkündet lächelnd und im extra vom Schorndorfer Modelabel maßgeschneiderten grünen Feenkleid ihre Freude darüber, dass sie in ihrem Heimatort Alfdorf von Vorgängerin Sara Zaiss die „Amtskette“ um den Hals gelegt bekommt - um den Hals fallen sich die beiden charmanten Feen dann auch gleich. Der erste Applaus ist der neuen Waldfee mit dieser sympathischen Geste sogleich beschieden.
Frisch restauriertes Mühlenrad der "Hummelgautsche" eingeweiht
Ihren zweiten Einsatz, für den sie die grünen hochhackigen Schuhe gegen waldwegtaugliche Turnschuhe eintauscht, hat Mariel Knödler an der Vaihinger Sägmühle, im Volksmund nur „Hummelgautsche“ genannt. Auf ihren Ruf „Wasser marsch“, vom Mühlkanal aus in die Menge gerufen, ziehen Landrat Dr. Richard Sigel, Alfdorfs Bürgermeister Michael Segan und Helmut Weller vom Bauhof Alfdorf den Schieber nach oben und lassen den ersten Wasserschwall auf das frisch restaurierte Mühlrad los. „Es dreht sich“, jubiliert die Waldfee. Etliche Handyfotografen fangen den Moment ein, als das Rad sich bewegt. Bis heute treibt es das Sägegatter und die Holzsäge im Inneren der Mühle an, die den ganzen Nachmittag über vorgeführt und erläutert werden. „Was für ein Geräusch“, staunt ein Besucher über die ratternde, intakte mechanische Mühlentechnik.
„Zeitzeichen der Technikentwicklung und Kultur“
„Es ist faszinierend, wie sie mit ihren Problemen fertig wurden und immer eine Lösung, passend zur Konstruktion, gefunden haben“, berichtet Willibald Teply, der sich intensiv mit dem historischen Technik-Innenleben auseinandergesetzt hat. Der ehrenamtliche Mühlradbauer hat nach den Rädern an der Hundsberger Sägemühle und der Menzlesmühle mit einer Gruppe von Rentnern das marode Rad der Hummelgautsche erneuert, das pünktlich zum 25. Mühlentag in neuem Glanz erstrahlt.
Schon im 12. Jahrhundert klapperten im malerischen Tal der Schwarzen Rot die Mühlräder, wandelten Wasser in technische Kraft und hernach in Energie um, mit der die Maschinen angetrieben wurden, die das Überleben sicherten - Sägen für die Holzarbeit und Mühlen zum Mahlen von Mehl und zur Herstellung von Öl. Regierungspräsident Wolfgang Reimer würdigt in seiner Begrüßung die „Zeitzeichen der Technikentwicklung und Kultur“, deren Funktionsweise an den zwölf Mühlen zu erleben ist und der mit etwas Ehrfurcht nachgespürt werden kann.
Die Mühlen erinnern daran, wie hart die Leute früher arbeiten mussten
Weiter weg von „Industrie 4.0“ kann man fast nicht sein. Mag sein, dass die 800 Jahre alte Heinlesmühle, wie von Landrat Sigel erwähnt, „etwas lächeln“ müsste darüber, dass unsereins den Kulturdenkmälern mit einem eigenen Tag huldigt und Jubiläen feiert. Frühere Generationen verbanden mit den schön hergerichteten und unserem Sinn für sanierten Altbau schmeichelnden Fachwerkhäusern in erster Linie körperliche Schwerarbeit. „Wir werden heute daran erinnert, wie hart die Leute früher arbeiten mussten, kein Vergleich zu heute“, sagt ein Ehepaar aus Oberweissach, wandernd unterwegs von der Heinles- zur Menzlesmühle.
Großansturm tut Mühlenbetreibern gut
Für uns schwer vorstellbar, dass heutige Produktionshallen für Smartphones, Autos und E-Bikes, die gestern überall unterwegs sind und sämtliche Parkplätze und Wiesen belegen, eines Tages einen ähnlichen Ausflugs-Massentourismus auslösen. Der gestrige Großansturm an allen Mühlen sensibilisiert für den Technikwandel und tut zudem den Mühlenbetreibern und auch den vielen beteiligten Vereinen gut. Ohne ihre Bewirtung mit Getränken und Eis, ohne ihre köstlichen hausgemachten Kuchen, selbst gebackenen Salzkuchen und Rosenküchle, allesamt hergestellt aus den Mühlenerzeugnissen der Region, wäre das Mühlen-Event wohl nur halb so genussreich.
Neues Mühlrad
Das Mühlrad an der „Hummelgautsche“ (Vaihinger Sägmühle) wurde seit 2016 in ehrenamtlicher Arbeit von den Rentnern Willibald Teply, Jochen Hahn, Ernst Maier und Heinz Stettner erneuert und wieder eingebaut. Es war nicht die erste Verjüngungskur für das Rad: Bereits in den 1930er Jahren wurde das ehemalige Flatterrad durch ein größeres Mühlrad ersetzt.
Sara Zaiss, bis gestern amtierende schwäbische Waldfee, wünschte der Nachfolgerin „gute Fahrt im Feen-Cabrio“. Sie selbst sei mit dem Pferd da, erzählt Sara Zaiss augenzwinkernd: Auf dem Rücken von „Wibi“, ihrer Schwarzwälder Stute, reitet die scheidende Fee zur Hummelgautsche, wo sie zum letzten Mal im grünen Kleid zu sehen ist.