600 Menschen demonstrieren gegen AfD-Veranstaltung
Backnang. 600 Demonstranten, so schätzte die Polizei, machten am Donnerstagabend ihrem Ärger über die AfD und ihre Politik Luft. Die hatte zum Wahlkampf ins Backnanger Bürgerhaus geladen, Parteiprominenz wie Frauke Petry und Beatrix von Storch inklusive. Das zog so viele Leute an, dass das Bürgerhaus geschlossen werden musste.
Am Ende standen sie alle, ganz wurscht wer und welcher politischen Couleur, vor der standhaften Reihe der vielen Polizisten, die freundlich aber bestimmt erklärten: Hier geht’s nicht weiter. Unten am Hang, unterhalb des erleuchteten Backnanger Bürgerhauses, das bunte und laute Demonstrantenvölkchen. Oben auf der Straße, mit Blick die Treppe hinab, die gen Bürgerhaus-Eingang führte, diejenigen, die zur AfD wollten. Unten wie oben: kein Durchkommen.
Unten erklärte ein Beamter: „Wir werden die alle hier natürlich nicht geschlossen hineinlassen“. Die Demonstranten juckte das nicht. Sie blieben halt stehen, hielten ihre bunten Schilder und Pappherzchen hoch, skandierten mal den einen, mal den anderen Spruch, beschworen die „internationale Solidarität“, äußerten sich „gegen rechte Hetze“ und wenn dann nichts mehr einfiel, dann nahmen sie’s selbstironisch und riefen: „Irgendwas, irgendwas“. Der Blick fiel ins Bürgerhaus-Treppenhaus, in dem die AfD-Besucher zum Klo gingen. Die guckten raus, die Demonstranten guckten rein.
Oben hieß es: „Der Saal ist für 740 Personen bestuhlt. Die sind alle belegt. Der Veranstalter hat den Saal geschlossen.“ Diejenigen, die noch zur AfD wollten, waren nicht amüsiert. Extra von Stuttgart seien sie angefahren, 35 Kilometer weit. Und wenn sich hinterher rausstellte, dass der Saal doch nicht voll gewesen sei . . . Die Polizisten hatten dennoch kein Erbarmen. Sie schickten alle weg.
Wie viele Polizisten waren es, die die einen von den anderen trennen sollten? 150? 200? So ungefähr. Die Schlange der Mannschaftswagen, die sich die Straßen entlang reihten, schien zuerst gewaltig für die tröpfelnd beginnende Kundgebung: ein paar Leute von der IG Metall, ein paar von der Piratenpartei, eine Frau von der Backnanger Friedensinitiative, ein Lesbenpärchen.
Doch dann ging’s los. Rhythmisch und laut. Die Antifa kam an. Viele junge Leute, manche mit den schwarzen Kapuzen, viele mit Haaren so pink, so grün, so blau. Die Backnanger Demo wurde bunt. Die Stimmung wurde beschwingt. Reden wurden gehalten, von den Linken, den Grünen, den Piraten, von Rems-Murr nazifrei. „Die AfD ist hier nicht willkommen“, hieß es. „Die AfD ist keine Alternative.“ Das Wahlprogramm der AfD sei „starker Tobak“ und „wenn die an die Macht kommen, was wird dann aus Deutschland?“ Die AfD fordere den Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze, sei homophob und antifeministisch, gegen Mindestlohn und Pressefreiheit, wolle die Inklusion behinderter Kinder an den Schulen zurücknehmen, habe doch tatsächlich darüber diskutiert, sozial Schwächeren das Wahlrecht zu entziehen.
„Das ist nicht zum Lachen, die AfD“
Eine kleine Gruppe hatte sich abseits gestellt, amüsierte sich. Über irgendwas. Lachte. Da kam ein älterer Mann, der war eigentlich gar nicht bei der Demo dabei. Aber wütend wurde er. Es sei nicht zum Lachen, sagte er. Was denn, fragte ein junges Mädchen. „Die AfD“, sagte der Mann. Das Mädchen verstand nicht. „Meine Oma“, sagte der Mann, die sei „mit den Nazis“. „Ich will das nicht noch mal erleben.“
Von oben, aus sicherer Entfernung schrie einer „Lumpenpack“ zu den Demonstranten runter. Die allerdings hatten zuvor einen anderen „Grasdackel“ tituliert. Mehr Tätlichkeiten gab’s nicht. Ah, doch, irgendwas Stinkendes flog durch die Luft. Buttersäure vielleicht? Die Polizei vermutet aber, dass dieser Anschlag auf den Geruchssinn nicht den Beamten gegolten hatte, auch wenn einer einige Spritzer abbekommen hatte. Doch passiert ist ihm nichts. Und so kann man sagen: Es blieb zwar laut, aber friedlich in Backnang.
Einen Bericht über die AfD-Wahlkampfveranstaltung lesen Sie am Samstag an dieser Stelle.
Plakat-Zitate
„Ihr seid nicht das Volk. Ihr seid nicht die Mehrheit!“
„Wer Krieg säht, erntet Flüchtlingsströme“
„Ich bin sauer, ich hab' sogar ein Schild gebastelt“