Busfahren in Winnenden: Das Stadtticket schwächelt wegen Corona

Als noch niemand vom Coronavirus wusste, hat der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) entschieden, in Winnenden ein Stadtticket einzuführen. Für drei Euro ist es nun seit dem 1. April möglich, den ganzen Tag mit dem Bus im Stadtgebiet zu fahren. Das große Pech war: Winnenden befand sich zu diesem Zeitpunkt wie fast die ganze Welt in einer Krise. Weshalb hat der VVS den Verkaufsstart des Tickets nicht verschoben? „Wir hatten unsere Ticketsysteme in den Städten, in denen wir das Stadtticket eingeführt haben, bereits umgestellt. Das Ticket wegen Corona zu einem späteren Zeitpunkt einzuführen, wäre für uns mit einem extremen Mehraufwand verbunden gewesen“, sagt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Durch das Virus sei das Stadtticket dann nur sehr, sehr schleppend angelaufen. „Wir hatten plötzlich nur noch 20 Prozent der Fahrgäste, die wir üblicherweise haben“, berichtet Stammler. Statt einiger Tausend verkaufter Stadttickets waren es in Winnenden plötzlich nur Hunderte. „Wir haben mit 3000 Tickets pro Monat kalkuliert“, sagt Stammler. Hinderlich sei außerdem die Tatsache, dass es das Stadtticket bisher nur per Smartphone gebe. „Schließlich waren die Bereiche vorne beim Fahrer bis vor kurzem für Fahrgäste auch gesperrt“, so Stammler.
Stammler hofft auf eine Normalisierung bis Jahresende
In Ludwigsburg sei das Stadtticket im vergangenen Jahr so gut angelaufen, dass man das Konzept auf andere Städte ausweiten wollte. „Dort verkaufen wir bis zu 40 000 Tickets im Monat“, sagt Stammler. Zwar sei Ludwigsburg auch größer als Winnenden, doch er ist überzeugt, dass Winnenden für ein Stadtticket eine gute Größe habe.
„Aktuell haben wir wieder etwas mehr als 50 Prozent unserer üblichen Fahrgastzahlen erreicht“, so Stammler. Über die Sommermonate sei es zudem üblich, dass die Zahlen etwas rückläufig seien. Ab Herbst hoffe man beim VVS, dass die Zahlen wieder anziehen, so dass man gegen Ende des Jahres vielleicht wieder an die üblichen Fahrgastzahlen anknüpfen könne und damit auch in Winnenden mehr Stadttickets verkaufe.
In zwei Jahren kommt das Ticket noch einmal auf die Tagesordnung
Oberbürgermeister Holzwarth erklärte, dass man aus städtischer Sicht zwei Gründe zur Einführung des Tickets gehabt habe: „Die Förderung des Einzelhandels und die Umwelt. Was Letzteres betrifft, waren wir im vergangenen Jahr auch nicht ganz unbeeindruckt von Greta“, berichtet der Oberbürgermeister. Das Ticketsystem des VVS sei in der Vergangenheit für die Bevölkerung auf Kurzstrecken in Winnenden nicht immer attraktiv gewesen. „Da war das Stadtticket für uns eine interessante Alternative.“ Der Gemeinderat habe viel für das Ticket getan. „Nennen möchte ich hier Hans Ilg von der Freien Wählervereinigung“, sagt Holzwarth. „Er nutzt den ÖPNV sehr häufig und hat einen Antrag für das Stadtticket gestellt.“ In zwei Jahren soll das Ticket noch einmal auf die Tagesordnung im Gemeinderat. „Dort wird dann beraten, wie mit dem Thema weiter umgegangen wird“, sagt Holzwarth.
Stadt bezuschusst das Ticket mit 70 000 Euro
Mindestens so lange bezuschusst die Stadt das Stadtticket mit geschätzten 70 000 Euro pro Jahr. „Da in diesem Jahr weniger Menschen das Ticket wahrnehmen, fällt der Zuschuss auch niedriger aus. Das ist jetzt schon abzusehen“, sagt Horst Stammler. OB Holzwarth hofft, dass in der Bevölkerung auch ein Interesse daran bestehe, die Busunternehmen in der aktuell schwierigen Zeit zu unterstützen. „Sie hatten in den letzten Wochen und Monaten ihre vollen Kosten, aber kaum Erträge. Ohne den Rettungsschirm hätten wir an Weihnachten wahrscheinlich kaum mehr Busverkehr gehabt“, berichtet Stammler. Das Rettungspaket sei allerdings nur bis zum Jahresende gültig, weshalb die Fahrgastzahlen spätestens dann wieder steigen sollten.
Eine Scheibe soll die Fahrer vor Viren und aggressiven Gästen schützen
Der VVS rechnet damit, dass mehr Tickets verkauft werden, wenn diese wieder beim Fahrer direkt zu erwerben sind. Und das ist in Kürze der Fall. „Zwei Busse haben wir heute mit Schutzscheiben für die Fahrer ausgestattet“, berichtet Harald Römer, dessen Unternehmen in Winnenden mehrere Buslinien betreibt. Dort könne das Ticket direkt beim Fahrer gekauft werden. Die anderen Busse sollen folgen.
Wie lange das dauert, ist noch nicht abzusehen. „Busunternehmen deutschlandweit wollen gerade diese Scheiben“, sagt VVS-Geschäfsführer Stammler, der überzeugt ist, dass die Fahrer nicht nur in Zeiten von Corona hinter einem solchen Schutz sitzen werden. „Die Angriffe auf Busfahrer von aggressiven Menschen haben in den letzten Jahren zugenommen. Die Scheibe bietet einen zusätzlichen Schutz“, sagt Horst Stammler.