Tierschützer setzen sich für wildlebende Katzen ein
Backnang. Sie leben in Kleingartensiedlungen, auf Industriebrachen und in Hinterhöfen – geschätzt zwei Millionen Straßenkatzen gibt es in Deutschland. Auch im Raum Backnang sind sie zu Hause. Hier versuchen Tierschützer mit Futterstellen und gezielten Kastrationsaktionen zu helfen.
Wieselflink, scheu, nachtaktiv – wildlebende Katzen sind in Deutschland nahezu unsichtbar. Doch es gibt sie überall. Manche Menschen empfinden sie als Plage, andere füttern sie liebevoll, aber nur sehr selten werden Bestände gezählt und registriert – so auch im Raum Backnang, wo sich Hilfsorganisationen wie der örtliche Tierschutzverein und die Katzenhilfe Stuttgart der vagabundierenden Samtpfoten annehmen.
In den vergangenen Jahren wurden Futterstellen eingerichtet, die regelmäßig von Ehrenamtlichen betreut werden. Auch Fangaktionen sind immer wieder notwendig. So versuchen Mitarbeiter des Backnanger Tierschutzvereins beispielsweise seit Montag, sich einer kleineren Katzenpopulation im Stadtteil Maubach anzunähern. „Die unkontrollierte Vermehrung der Katzen ist ein großes Problem. Wenn es zu viele werden, finden sie nicht genug zu fressen. Sie werden krank und sterben“, so Sabine Dreier, die die Aktion leitet.
Schwer zu überblickende Situation
Ebenfalls unter Beobachtung sei das direkte Umfeld landwirtschaftlicher Betriebe sowie der Bereich Gartenstraße. Seit die Industriebrachen der Oberen Walke abgerissen wurden, ist die dort lebende Katzenpopulation in die umliegenden Wohngebiete abgewandert. „Für uns ist die Situation schwer zu überblicken“, so Dreier.
„Eine vernünftige Schätzung der Anzahl an Straßenkatzen abzugeben, ist fast unmöglich“, sagt auch Andreas Fechtner von der Katzenhilfe Stuttgart, der seit 2008 Fangaktionen im Raum Backnang betreut. Die Tierschutzorganisation Aktion Tier hat für Gebiete mit mittlerer Besiedlungsdichte – wie sie auch der Raum Backnang aufweist – Schätzwerte von 0,8 Straßenkatzen pro 100 Einwohner veröffentlicht. Rechnet man nach, müssten also knapp 300 wildlebende Tiere allein im Backnanger Stadtgebiet unterwegs sein. „Das kommt mir wenig vor“, sagt Fechtner. Seine Erfahrungen der vergangenen Jahre lassen auf 3000 bis 4000 Tiere im Altkreis Backnang schließen.
Versteckt und hungrig - nichts gemein mit Stubentigern
Doch es gibt kaum Beschwerden über die Streuner: „Wir bekommen nur sehr selten Hinweise von Bürgern, die uns herrenlose Katzen melden“, so der Pressesprecher der Stadt, Hannes Östreich. Ein Problem sehe er da nicht – ganz anders als Sabine Dreier und Andreas Fechtner: „Das Tückische ist, dass einem die Katzen auf der Straße nicht begegnen. Oft gilt: Solange man die Tiere nicht sieht, existieren sie auch nicht.“ Laut Fechtner ein fataler Trugschluss: „Sie kommen erst aus ihren Verstecken, wenn sie entsprechend verelendet und auf der Suche nach Nahrung sind.“
Auch Sabine Dreier weiß: „Es erfordert viel Geduld, überhaupt an Straßenkatzen heranzukommen.“ Mit einem verschmusten Stubentiger haben die nämlich nicht viel gemein. Mit speziellen Fallen aus Draht oder Holz kann das Einfangen trotzdem gelingen. Die Tiere werden mit Futter angelockt. Sobald sie die Falle betreten, setzt sich ein spezieller Schließmechanismus in Gang. Die Katze sitzt fest. Dreier betont: „Das bedeutet im ersten Moment natürlich riesigen Stress für die Tiere, muss aber leider sein, um ihnen zu helfen.“
Nicht aus jeder Straßenkatze kann ein Stubentiger werden
Natürlich komme es auch immer wieder vor, dass sich Hauskatzen in eine der Fallen verirren. Wer eine Nummer im Ohr hat, wird sofort wieder aus seiner misslichen Lage entlassen. Wer sich nicht sofort seinem Besitzer zuordnen lässt, muss mit zum Tierarzt. „Der kann sich die Katzen dann noch mal gründlicher anschauen und hat auch ein Chip-Lesegerät, mit dem sich unter Umständen der Besitzer ermitteln lässt.“ Außerdem überprüft der Mediziner seinen vierbeinigen Patienten auf Narben, die zeigen, ob er bereits kastriert wurde.
Allgemeine Kastrationspflicht könnte gegen Überpopulation helfen
Ist eine Operation notwendig, können die Vereine bei der Stadt Backnang einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Rund 80 Euro fallen für einen Kater an, 150 Euro für eine Katze. „Bisher hält sich der finanzielle Aufwand dafür in Grenzen“, so Hannes Östreich. Wo Rechnungen offen bleiben, springt der Tierschutzverein mit eigenen Mitteln ein. „Meist ist das für uns der bessere Weg“, so Fechtner. „Die bürokratische Variante dauert einfach zu lange.“ Eine Lösung wäre in seinen Augen eine allgemeine Kastrationspflicht. Nur so könne man die Überpopulation und das Leid von Straßenkatzen langfristig in den Griff bekommen.
Denn: Ist die Operation überstanden, wird der Patient meist genau dort wieder ausgesetzt, wo er aufgegriffen wurde. Das Tierheim oder auch das häusliche Leben in einer Familie sind für viele Straßenkatzen keine Optionen. „Das wäre Tierquälerei“, erklärt Sabine Dreier. „Wenn Katzen nicht schon in den ersten Wochen oder Monaten an Menschen gewöhnt sind, kann man sie oft nicht mehr zähmen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Bürger die Augen offen halten und uns bei der Versorgung unterstützen, indem sie uns Katzenpopulationen melden oder auch selbst zufüttern.“ Andreas Fechter ergänzt: „Auch die Politik muss handeln und darf nicht weiter wegschauen.“
Kastrationspflicht
Tierschützer unterstützen eine Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht, um das Leid heimatloser Katzen einzudämmen. Mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes im Juli 2013 haben einige Bundesländer derartige Verordnungen erlassen. Die Kommunen dürfen seither selbst Regeln zum Schutz freilebender Katzen einführen.
Mehr als 350 Städte und Gemeinden haben sich für eine Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht entschieden. Im Rems-Murr-Kreis war das bisher jedoch kein Thema.
Ansprechpartner vor Ort sind beim Tierschutzverein Backnang und der Katzenhilfe Stuttgart zu finden.