Winnenden

Vor Frauen in Winnenden entblößt: Erneut Bewährung für Exhibitionist

Amsgericht Waiblingen
Ein Schild am Amtsgericht Waiblingen. © Benjamin Büttner

Bereits mehrmals war ein 33-Jähriger vor Gericht, weil er immer wieder seine Hose herunterlässt und in der Öffentlichkeit an seinem Penis herumspielt. Im vorliegenden Fall hat er das vor einer Gruppe von Frauen in der Winnender Innenstadt getan. Nun liegt das Gutachten einer Sachverständigen vor, so dass eine Verhandlung aus dem September fortgesetzt werden konnte. Muss der Mann ins Gefängnis?

Im Mai 2022 ist der 33-Jährige aus Kamerun binnen einer Woche gleich dreimal auf dieselbe Frauengruppe gestoßen. Diese war einmal zu dritt, einmal zu viert in der Winnender Innenstadt unterwegs. Beim ersten Vorfall an der Turmstraße waren die Frauen, wie sie im Zeugenstand berichteten, noch davon ausgegangen, dass der Mann betrunken ist, pinkeln musste und möglicherweise seine Hose nicht mehr anbekommen hat. Schließlich soll er „sorry, sorry“ gerufen haben. Als er sich wenig später am Viehmarktplatz erneut vor den Frauen, allesamt Mitte 20, entblößt hat, entfernten diese sich schnell. Auf eine Anzeige bei der Polizei verzichteten sie.

Eine Woche später trafen die Frauen an der Kronenplatz-Unterführung wieder auf ihn. Weil sie ihn bereits zuvor auf der Marktstraße gesehen hatten, waren sie vorbereitet: Das Handy war bereit für eine Videoaufnahme. Und tatsächlich hat der Mann vor den Frauen wieder an seinem Penis herumgespielt, weshalb er nun auf der Anklagebank saß.

Der Mann räumt die Vorwürfe vollumfänglich ein

Der 33-Jährige hat einen Job, gilt als gut integriert, wären da nicht die immer wiederkehrenden exhibitionistischen Vorfälle: Bereits dreimal wurde er wegen ähnlicher Delikte verurteilt. Zu seinen Beweggründen erklärte der Mann, dass dies für ihn eine Reaktion in extremen Stresssituationen sei. „Ich habe Angst, dass ich abgeschoben werde“, sagte er. Er fühle sich als „Loser“, habe in der Vergangenheit starke Depressionen gehabt. „Ich mache jetzt eine Therapie und fühle mich besser“, erklärte er gegenüber dem Richter. Wenn er seinen Penis auspackt und in der Öffentlichkeit daran herumspielt, gehe es ihm nicht um sexuelle Erregung. „Ich möchte damit zeigen, dass ich sauer auf Deutschland bin“, erklärte der Mann, dass seine ungewisse Zukunft ihn sehr belastet. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe räumte er vollumfänglich ein.

Als Zeuginnen waren die Frauen geladen, die in Winnenden auf den Mann gestoßen sind. Alle schilderten die Vorfälle nahezu identisch. Zudem erklärten sie, dass sie nach wie vor ein mulmiges Gefühl haben, wenn sie abends in der Stadt sind. Eine der Frauen schließt sich seit dem Vorfall bei Dunkelheit in ihrem Fahrzeug ein, wenn sie alleine unterwegs ist.

Eine Zeugin richtet persönliche Worte an den Angeklagten

Der Angeklagte entschuldigte sich bei allen vier Frauen persönlich. „Sorry, es tut mir wirklich sehr leid“, sagte er. Eine der Frauen richtete nach der Entschuldigung deutliche Worte an ihn. „Es ist wirklich sehr, sehr wichtig, dass so etwas oder noch schlimmere Vorfälle nicht mehr passieren. Wir haben das ganz gut verkraftet, aber es kann auch anders laufen“, erklärte sie. Der Anwalt des Mannes antwortete daraufhin: „Damit sprechen Sie uns allen, glaube ich, aus der Seele.“

In Kamerun war der Mann in einen Banküberfall verwickelt

Mit Spannung erwartet wurde die Einschätzung einer Sachverständigen, die den Mann ärztlich untersucht hatte. Zentral dabei die Frage: Ist der Mann therapierbar? Sie schilderte, dass der Mann in seinem Leben viel erlebt habe. So war er 2011 als Sicherheitsmitarbeiter einer Bank in Kamerun bei einem Überfall im Tresorraum eingeschlossen, wurde mit Waffen bedroht. Weil er im Anschluss selbst verdächtigt wurde, ist er aus dem Land geflohen. 2015 ist er in Deutschland angekommen. Der Vater, der inzwischen gestorben ist, litt an Depressionen. Diese Krankheit soll die Kindheit des 33-Jährigen überschattet haben.

Reduzierte Steuerungsfähigkeit nicht auszuschließen

Mittlerweile habe er starke Angst vor einer Abschiebung, leide aufgrund seiner Homosexualität unter Depressionen, da er diese in der Heimat nicht frei ausleben könne. Im Februar des vergangenen Jahres hat er eine Therapie begonnen. Dass die nun verhandelten Taten sich nach Beginn dieser Therapie zugetragen haben, müsse nicht unbedingt bedeuten, dass die Therapie nicht anschlägt. Bis tatsächlich aktiv am Verhalten gearbeitet werde, dauere es seine Zeit, erklärte die Sachverständige.

Sie erklärte, dass der Mann eingesehen habe, dass er unrecht tut. Eine erheblich reduzierte Steuerungsfähigkeit könne bei ihm nicht ausgeschlossen werden, schließlich haben auch die Zeuginnen geschildert, dass er einen verwirrten Eindruck auf sie gemacht hat. Bei den Fällen könne es sich um psychische Ausnahmesituationen handeln. Ihm fehle ein Impuls, gegen den Drang vorzugehen. Die Schuldfähigkeit sei deshalb eingeschränkt. „Die Therapie verläuft gut und seine Therapiefähigkeit ist in jedem Fall zu bejahen“, schilderte sie.

Die Bewährungshelferin zeichnete ein positives Bild des Mannes. „Es gibt keine Beanstandungen. Er hält sämtliche Termine ein, was in unserem Job eher ungewöhnlich ist“, erklärte sie. Als sein erster Asylantrag abgelehnt wurde, soll es zu den ersten Taten gekommen sein.

Staatsanwalt: Keine positive Sozial- und Kriminalitätsprognose

Sichtlich schwer hat sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft mit seinem Plädoyer getan. „Wir haben hier jemanden, der bereits dreimal unter Bewährung stand“, erklärte er. Zudem sei er hartnäckig gewesen, an einem Abend gleich zweimal auf die Frauen getroffen. „Dass er dann eine Woche später zufällig auf dieselbe Gruppe trifft, müsste schon ein starker Zufall sein.“ Zwar sei seine Einsicht gegeben, aber die Steuerung eingeschränkt.

„Offenbar dienen diese Taten dem Abbau seiner Depressionen. Steine hat er nach wie vor im Weg liegen, so dass Wiederholungstaten eigentlich vorprogrammiert sind. Ich sehe keine positive Sozial- und Kriminalitätsprognose und somit auch keine Chancen auf eine Bewährung“, so der Staatsanwalt. Seine Forderung: eine Haftstrafe von zehn Monaten.

Verteidiger: Besonderen Umstand der Therapie sollte man abwägen

Der Anwalt des Mannes stimmte den Schilderungen grundsätzlich zu, kam aber zu einem anderen Strafrahmen. „Der Rechtsstaat macht sich lächerlich, wenn es die nächste Bewährungsstrafe gibt“, begann er seine Ausführungen zwar.

Nun sei es allerdings so, dass der Mann erstmals eine Therapie gestartet habe, die allem Anschein nach auch gut verlaufe. Diese Besonderheit sollte man abwägen, zudem habe jeder gesehen, wie sehr die Taten ihm leidtun. „Ich will ihm eine erneute Bewährungschance geben“, so der Verteidiger.

Richter Lindner: „Eine Verhaltenstherapie braucht Zeit“

Nach zwanzigminütiger Verhandlungspause kehrte Richter Fabian Lindner zurück in den Verhandlungssaal. Sein Urteil: Eine neunmonatige Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. „Er hat ein vollumfängliches und glaubhaftes Geständnis abgelegt“, erklärte der Richter. Zudem sei er vermindert schuldfähig. Auch zukünftig könne es passieren, dass der Mann in Stresssituationen ähnlich reagiert. „Seine Therapiefähigkeit ist jedoch gegeben. Die längerfristige Therapie zeigt bisher Erfolg und eine Verhaltenstherapie braucht Zeit, wie die Sachverständige ausgeführt hat.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bereits mehrmals war ein 33-Jähriger vor Gericht, weil er immer wieder seine Hose herunterlässt und in der Öffentlichkeit an seinem Penis herumspielt. Im vorliegenden Fall hat er das vor einer Gruppe von Frauen in der Winnender Innenstadt getan. Nun liegt das Gutachten einer Sachverständigen vor, so dass eine Verhandlung aus dem September fortgesetzt werden konnte. Muss der Mann ins Gefängnis?

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Im Mai 2022 ist der 33-Jährige aus Kamerun binnen einer Woche gleich dreimal auf

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