Ostalbkreis

Germaniten im Ostalbkreis: Ist im Raum Aalen ein Reichsbürger-Vortrag geplant?

Stühle Stuhl Vortrag Podium Saal Raum Auditiorum Rede Publikum Symbolbild Symbolfoto Symbol
Der Ort des Vortrags wird im Vorfeld geheim gehalten. Warum? © Pixabay.com/skoddeheim

Ist im Raum Aalen (Ostalbkreis) ein Vortrag einer Reichsbürger-Gruppierung geplant? Das legt eine Ankündigung in einem Telegram-Kanal der Querdenker-Szene aus Schwäbisch Gmünd nahe. Der Ort soll offenbar geheim gehalten werden. Wir haben mit einem der Organisatoren gesprochen – und auf Instagram bizarre Einblicke in die Gedankenwelt des angekündigten Redners erhalten.

Hinweis der Redaktion: Wir haben mittlerweile einen aktuelleren Artikel zum Thema veröffentlicht, da nun ein konkreter Veranstaltsort kursiert.

Ankündigung auf Telegram: Unternehmer aus Kassel als Redner

„Interessiert Dich, wie unsere Kinder in Schulen und Kindergärten beeinflusst werden? […]?“, wird in einem Telegram-Kanal gefragt, der unter anderem von dem ehemaligen Alfdorfer Gastwirt Stefan Schmidt betrieben wird. „Und willst Du wissen, wie wir im Völkerrecht agieren können, um ins Menschenrecht zu kommen, damit wir dieses System friedlich überwinden können?“ Mit diesen Fragen wird auf einen Vortrag mit Robert C. hingewiesen, der am Freitagabend (19.05.) im Raum Aalen stattfinden soll. „Der genaue Veranstaltungsort wird einen Tag vor Beginn mitgeteilt“ – sofern man sich bis dahin angemeldet habe.

Robert C. ist ein Unternehmer aus Kassel. Seinen Wohnsitz hat er mit einer Plakette als „völker-/naturrechtliche Mission des Indigenen Volkes Germaniten“ gekennzeichnet. Eine weitere Plakette warnt, dass das „Betreten des Missionsgeländes“ nur nach Anmeldung „über diplomatische Beziehungen oder Unterhändler“ gestattet sei. Fotos dieser Plaketten hat der Kasseler Blogger Dr. Michael Lacher kürzlich auf seinem Blog „Kassel kommentiert“ veröffentlicht. Am Telefon bestätigte uns Lacher noch einmal, dass diese am Wohnsitz von C. zu finden sind.

"Indigenes Volk Germaniten": Ursprünge liegen in Schorndorf

Das „Indigene Volk Germaniten“ (IVG) hat seinen Ursprünge im Rems-Murr-Kreis: 2007 rief eine Gruppe von Privatleuten um die Schorndorferin Ulrike Maria Kuklinski einen imaginären Staat „Germanitien“ aus. Das Staatsgebiet wurde dabei übereinstimmenden Medienberichten zufolge als Deutschland in den Grenzen von 1937 beschrieben.  Kuklinski trat später unter anderem als Präsidentin des fiktiven Staats in Erscheinung. Szene-Beobachter, darunter die Initiative „Endstation Rechts“, bemerkten in den letzten anderthalb Jahren den Versuch einer „Reorganisation“ der Gruppierung.

Die wirre Weltsicht des Robert C.: Ist Bayern ein besetztes Land?

Wer ist der Mann, der offenbar im Raum Aalen auftreten will? Das Instagram-Profil von Robert C. gibt Einblick in dessen Weltbild. Er hat dort Bilder von vergangenen Vorträgen veröffentlicht, teilweise ist darauf auch das IVG-Logo zu erkennen. Dazu kommen Beiträge über „Chemtrails“, strukturell antisemitische Verschwörungserzählungen über den „Great Reset“ und die „New World Order“. Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforum, wird mit Teufelshörnern gezeigt, Arzt und Autor Eckart von Hirschhausen als „widerliche Systemhure“ beleidigt. Neben einem Bild von Rudolf Steiner und einem Ausschnitt unserer Zeitung findet sich auch ein Beitrag auf dem Profil, laut dem die USA seit dem Oktober 2021 Bayern besetzt hätten – die restlichen Bundesländer würden folgen.

Wir hätten gerne von Robert C. gewusst, ob er diese kruden Beiträge kommentieren möchte. Worum es in seinem Vortrag gehen soll, warum der Ort geheim bleiben muss und vieles mehr. Auf unsere Anfrage reagierte er bislang nicht.

Organisator des Vortrags: "Wir sind friedlich"

Wir versuchten auf anderem Weg, etwas in Erfahrung zu bringen. Im Telegram-Kanal, in dem der Vortrag mit Robert C. beworben wird, findet sich die Mailadresse eines Mannes. Als wir dort ein paar Fragen hinschicken, meldet er sich telefonisch bei uns. Bei dem Mann handelt es sich um einen Unternehmer aus dem Ostalbkreis, der nach eigenen Angaben zu den Organisatoren des Vortrags gehört. „Ich will mir das mal anhören, weil ich denke, dass gerade in unserem Land nicht alles rund läuft“, sagt er.

Er selbst sei kein Mitglied beim IVG und hält die Mitglieder der Gruppierung auch nicht für Reichsbürger. Man müsse sich beim Beitritt sogar von-Reichsbürger-Gruppierungen lossagen oder versichern, dass man nie dabei war, sagt der Unternehmer aus dem Ostalbkreis. Während des Telefonats erwähnt er, dass er in der „C-Phase“ – gemeint ist offenbar die Corona-Pandemie – an Demonstrationen der Querdenker-Szene teilgenommen hat. Dass der Veranstaltungsort geheim bleibe, sei ein Wunsch von Herrn C. gewesen, „damit kein Pöbel angelockt wird“. Zitat: „Wir sind friedlich, und wollen auch dass es friedlich bleibt“. Auf die Frage, ob er den Ort unserer Redaktion dann im Nachhinein nennen könnte, blockt er ab.

Verfassungsschutz: Reichsbürger werden ungern Reichsbürger genannt

Hat der Mann recht? Sind die „Germaniten“ gar keine Reichsbürger? Wir haken beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) nach. Ein Sprecher der Behörde teilt mit, dass man die Gruppierung weiterhin dem Milieu der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ zurechnet, wobei sie eher den Selbstverwaltern zugerechnet wird – „wenngleich sich auch rechtsextremistische Narrative erkennen lassen“. Dass sich Reichsbürger und Selbstverwalter selbst nicht als solche bezeichnen, und sich gegen diese Zuschreibungen wehren, sei üblich. Dem LfV sei eine „mittlere zweistellige Anzahl“ von Menschen bekannt, die dem IVG zugerechnet werden können.

„Die Gruppierung ‚Indigenes Volk Germaniten‘ versteht sich als eigenständige Weltanschauungsgemeinschaft und vertritt ein auf sie zugeschnittenes Rechtsverständnis“, so der Sprecher weiter. Die bestehende Rechtsordnung werde zwar nicht „in Gänze“ geleugnet, aber „ausschließlich im eigenen Interesse“ interpretiert. „Die rechtmäßige Anwendung von Gesetzen und Maßnahmen sieht sie als ‚unzulässigen Eingriff‘ in ihre Angelegenheiten an.“ Die Folge: IVG-Anhänger fluten Behörden mit pseudojuristischen Schreiben, die durch ein „komplexes, wirres Sprachmuster“ gekennzeichnet seien.

Mail vom IVG: "Denunzierung" wir uns untersagt

Davon konnten wir uns auch selbst ein Bild machen. Kurz nach dem Telefonat mit dem Unternehmer aus dem Ostalbkreis ging eine Mail bei uns ein. Sie kam von einer Mailadresse, die auch die Buchstabenkombination „IVG“ enthielt. Wie wir auf die Idee kämen, dass die Angehörigen des IVG Reichsbürger seien, wurden wir gefragt. Man hege kein „Faible“ für das Deutsche Reich, im Gegenteil. Es folgten pseudojuristische Ausführungen, die sich in einem angehängten PDF-Dokument seitenweise fortsetzen.

Die Mail endet mit den Worten: „Und vergessen Sie nicht, bei Ihrer Denunzierung, die Ihnen untersagt ist, scheinen Sie Menschenrechte nicht gerade hochzuhalten. Sie maßen sich an, irgendwelche Vermutungen, die in keiner Weise gerechtfertigt sind, als Grundlage für Ihre Hetze zu nutzen. Unterlassen Sie es, viele Menschen derart menschenverachtend zu inkriminieren/stigmatisieren. Halten Sie sich an CERD - auch gegenüber ethnic origins -.“ Was auch immer das bedeuten mag.

VG WORT Zahlpixel