Ein TV-Gott(schalk) dankt ab
Thomas Gottschalk ist eine Ikone des deutschen Fernsehens. Einer jener erhabenen Entertainer, die unantastbar scheinen, weil sie jedem Freude bereitet haben. Sein Name steht synonym für große Fernsehunterhaltung, die keiner verpassen durfte; Samstagabende mit der Familie vorm TV, schrille Outfits, flotte Sprüche. Bei jüngsten Auftritten rüttelt er indes nur noch am eigenen Denkmal. Sein neues Buch wird dies noch verschärfen.
Ein Thomas Gottschalk entwaffnet gerne verbal: Bevor jemand Kritik an ihm üben kann, zieht er die ins Lächerliche und impliziert, wie unangebracht das wäre; Widerspruch: unzulässig. Die heutige Zeit verstehe eh keiner mehr; zu seiner „goldenen“ Zeit“ war alles in Ordnung, so sein Credo. Ein prägendes TV-Urgestein der 80er und 90er Jahre gerät zum verbitterten, uneinsichtigen Nörgler. Sein Frust ist greifbar: Jahrzehnte lang glaubte er, seine Attitüde, sein Verhalten werde akzeptiert, gemocht, gehuldigt. Heutzutage wirft man der gefeierten Lichtgestalt „Gegrapsche“ vor – und er wird von einer jungen Influencerin der eigenen Oberflächlichkeit entlarvt. Hat er bei seiner abwertenden Haltung gegenüber deren digitaler neuer Welt dieselbe überhaupt verstanden? „Nö, muss ich auch nicht.“ Noch wichtiger: Er will es gar nicht.
Die Supernase wähnt sich außen vor, erhaben über allen Veränderungen schwebend: Sollen doch andere diesen Feminismus-Kram, dieses Internet und ihre seltsame Musik machen. Er, der unbestreitbare TV-Gott(schalk), er sieht keine Notwendigkeit, sich an neue Erkenntnisse und daraus resultierende neue Gegebenheiten einer neuen Zeit anzupassen – oder sie wenigstens anzuerkennen. Lieber frotzelt er zynisch-beleidigt von der Seitenlinie.
So ist – anhand der Ankündigung und vorauseilender Entwaffnung à la Gottschalk – auch sein neues Buch „Ungefiltert“ zu lesen. Der Titel gemahnt unangenehm ans „Man wird jawohl noch sagen dürfen“-Milieu. So verteidigt er eine (Geistes)haltung, beharrt stur auf einem Benehmen und Weltbild, welches viele seiner Fans längst überdacht und sich weiterentwickelt haben. Ihm zuzuhören erzeugt heutzutage ein Fremdschämen: diesem bei voller Selbstzufriedenheit vorgetragenen, aber schwer erträglichen, blind relativierenden Gefasel eines einstigen Sympathieträgers. Hätte er doch nur seinen Absprung schon 15 Jahre früher forciert: Gottschalks „Demontage“ seines eigenen Denkmals wäre allen erspart geblieben.
Darauf ein Gummibärchen! Ihr Mathias Schwappach