Katze tot, Bahn „schuldig“
Was ist ein Leben eigentlich wert? – Das fragt man sich manchmal vor allem im Zusammenhang mit Geschichten aus dem Tierschutz. Tiere sind vor dem Gesetz nach wie vor gleichwertig wie „Dinge“ oder „Sachen“. Wer ein Tier misshandelt, quält oder tötet, wer es ausbeutet, nicht artgerecht behandelt oder Bedürfnisse ignoriert, hat bestenfalls ein Kopfschütteln zu befürchten. Dass wirklich mal Strafen ausgesprochen werden, ist selten.
Da ist der Fall, der vergangene Woche in Frankreich verhandelt wurde, eine gewisse Kuriosität – das Urteil hat mich überrascht. Es geht um das Schicksal der in einem Pariser Bahnhof von einem TGV überfahrenen Katze Neko: Sie war einer Mutter und ihrer Tochter vor der Abfahrt aus einem Transportkorb entwischt, beide vermuteten das Tier unter dem Zug. Das Personal jedoch weigerte sich, den TGV im Bahnhof Paris-Montparnasse aufzuhalten. Später entdeckten dann beide das tote Tier zwischen den Gleisen. Tierschutzorganisationen hatten danach einen Prozess angestrebt und auch erhalten.
Für die SCNF ging dieser nun mit einem Schuldspruch aus: Das Gericht in Paris sprach das Unternehmen der Nachlässigkeit für schuldig, wie der Sender Europe 1 vergangenen Dienstag berichtete. Den beiden Besitzerinnen von Katze Neko muss die Bahn jeweils 1000 Euro zahlen. Der Gerichtspräsident prangerte an, dass „nicht die notwendigen menschlichen Mittel eingesetzt wurden, um die Katze zu bergen“, ehe der Zug abfuhr. So wurde aus dem Vorwurf einer „mangelnden Empathie“, den die trauernden Frauchen vorgebracht hatten, nun sogar noch ein echter Schuldspruch, was bemerkenswert ist.
Tierschutzorganisationen waren im Vorfeld der Verhandlung sehr aktiv und erklärten: Für ein vergessenes Gepäckstück werde ein Zug schon auch mal aufgehalten, nicht aber für ein Tier. Seitens der Bahn handele es sich „um einen vorsätzlichen und grausamen Akt“. Die SNCF betonte, man sei nicht sicher gewesen, wo die Katze sich versteckt habe. Man schwieg zu dem Vorfall.
Ich finde es ermutigend, dass ein Gericht eine solche Entscheidung fällt. Zwar mutet eine Entschädigung nach wie vor an, als ob es um ein „Ding“ geht – aber immerhin wurde klargestellt, dass niemand ungestraft über das Recht auf Leben eines Tieres hinweg entscheiden darf, wenn es andere Optionen gibt. Das ist ein Fortschritt!
Freundliche Grüße, Ihr Mathias Schwappach