Meinung

Die grausamen Pläne der rechtsextremen AfD: Es geht längst um alles (Kommentar)

Kopie von AfD Demo
Die AfD neigt noch immer zur Selbstverharmlosung. Die brutale Realität ihrer Pläne könnte man aber längst kennen. © ZVW/Gabriel Habermann

Eine Recherche von „Correctiv“ hat die Debatte um ein Verbot der rechtsextremen AfD neu entfacht. Illusionen über deren rassistische, menschenfeindliche Pläne sollte sich ohnehin niemand mehr machen, kommentiert unser Redakteur Alexander Roth. Es geht längst um alles.

Sie waren erfolgreiche Geschäftsmänner, hatten sich in Deutschland eine Existenz aufgebaut, besaßen eigene Geschäfte, schufen Arbeitsplätze, machten ihr Abitur nach, leisteten ihren Beitrag. Sie waren Familienväter, Söhne, Ehemänner, Brüder. Menschen. Die Kugeln, die sie brutal aus dem Leben rissen, und damit unendliches Leid verursachten, sollten eine Botschaft senden: Ihr werdet nie dazugehören.

NSU-Morde: Warum wir uns jetzt daran erinnern müssen

Zwischen 2000 und 2006 ermordete die rechtsextreme Terrorgruppe NSU neun Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund aus rassistischen Motiven. Ihre Namen lauten: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat. Mit den Mordanschlägen hätten die NSU-Terroristen die eigenen rassistischen Vorstellungen von einem „Erhalt der deutschen Nation“ zu verwirklichen versucht, hieß es später in der Anklageschrift.

Warum dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte gerade jetzt wieder erzählt werden muss? Weil eine rechtsextreme Partei in Deutschland nach der Macht greift, die dasselbe rassistisch-völkische Weltbild vor sich herträgt. Eine aktuelle Recherche von „Correctiv“ über ein geheimes Treffen von AfD-Politikern, Neonazis, Mitgliedern der CDU-nahen Rechtsaußen-Splittergruppe „Werteunion“ und Unternehmern zeigt das sehr deutlich. Wer die letzten Jahre nicht die Augen vor der Realität verschlossen und AfD-Selbstverharmlosung für bare Münze genommen hat, wusste es ohnehin.

Björn Höcke: Ethnische Säuberung und Gewalt in harmlos klingenden Worten

Björn Höcke, der mächtigste Mann in der rechtsextremen Partei, macht schon lange kein Geheimnis aus seinen völkischen Vertreibungsfantasien. In seinem Buch schrieb er 2018 über einen angeblich „bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“, gegen den nur ein „groß angelegtes Remigrationsprojekt“ und eine „Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘“ helfen würden. Im Zuge von Höckes Plänen würde man „leider ein paar Volksteile verlieren […], die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“

Man merkt: In der AfD gibt man sich gerne intellektuell. Verwendet neben Nazi-Jargon und rechtsextremen Verschwörungserzählungen deshalb auch harmlos-bürokratisch klingenden Worte als Kampfbegriffe für die eigene Propaganda. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, was hier eigentlich gemeint ist – die ethnische Säuberung Deutschlands nach völkischen Gesichtspunkten, die massenhafte, gewaltsame Deportation aller, die aus Sicht der rechtsextremen Partei nicht erwünscht sind. Politischer Gegner inklusive. Die AfD will selbst entscheiden, wer dazugehört zum deutschen Volk – und wer nicht. 

Offizielle AfD-Position als Feigenblatt: Lächerlich, aber gefährlich

Höcke wiederholt diese Vorstellungen vor jedem Mikrofon, das man ihm hinhält. Seit Jahren. Nur die Wortwahl variiert. Seine Vorstellungen sind in der rechtsextremen Partei mittlerweile mehrheitsfähig. Das Geheimtreffen, von dem „Correctiv“ berichtet hat, ist ein weiterer Beleg dafür. Bei der konspirativen Zusammenkunft wurden dem Bericht zufolge Pläne besprochen, neben Asylbewerbern und Ausländern mit Bleiberecht auch „nicht assimilierte Staatsbürger“ und Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen, aus Deutschland zu vertreiben. Auf Basis dafür zugeschnittener Gesetze. Das beträfe Millionen von Menschen, die hier leben.

Diese Pläne wurden nicht von irgendwelchen unbedeutenden Hinterbänklern besprochen. Sondern unter anderem von Roland Hartwig, rechte Hand der AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel, der Bundestagsabgeordneten Gerrit Huy und Ulrich Siegmund, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Leute aus dem Zentrum der Macht. 

Die AfD behauptet von sich, bei Staatsbürgern keine Unterschiede zu machen zwischen denen mit Migrationsgeschichte, und denen, deren Familie seit Generationen in Deutschland lebt. Wer der rechtsextremen Partei das abnimmt, glaubt vermutlich auch noch an den Weihnachtsmann. Es gibt keinen Weihnachtsmann. Und es wäre absurd komisch, angesichts der Regelmäßigkeit, mit der die rassistischen Entgleisungen ihrer Mitglieder die angebliche Linie der Partei Lügen strafen – wäre die AfD nicht so gefährlich. 

Rechtsextreme Vertreibungspläne: "Blut und Boden" heißt jetzt anders

Die rechtsextreme Partei hat die „Blut-und-Boden“-Ideologie der Nazis in neue Begrifflichkeiten gekleidet, fordert „Remigration jetzt!“ statt „Ausländer raus“. Sie hat damit hohe Zustimmungswerte in der Bevölkerung erreicht, könnte 2024 Landtagswahlen gewinnen. Die AfD wähnt sich dem Erreichen ihrer Ziele so nahe, dass sie sich immer weniger Mühe gibt, ihre menschenfeindlichen Positionen zu verstecken. Noch wird etwas Kreide gefressen, noch wird Warnungen von Experten, Journalisten und Politikern mit einer Mischung aus Selbstverharmlosung und Spott begegnet. Aus taktischen Gründen wird manchmal geleugnet, was längst offensichtlich ist. Bis man es irgendwann als nicht mehr notwendig erachtet.

Man kann ein Verbot der AfD befürworten, man kann dem skeptisch gegenüberstehen. Man kann darüber diskutieren, ob demokratische Parteien die richtigen Mittel gefunden haben, zentrale Probleme unserer Zeit zu lösen. Wie viel sie zum Aufstieg der AfD beigetragen haben. Man kann über den Umgang der Medien mit der AfD sprechen. Das ist alles legitim.

Demokratie in Gefahr: Was tun wir dagegen? 

Wir Demokraten sollten uns aber, abseits aller Debatte, auch auf das besinnen, was uns verbindet: Den Wunsch nach dem Erhalt eines demokratischen Staates, der die Würde des Menschen als höchstes Gut in sein Grundgesetz geschrieben hat. Tun wir genug dafür? Das sollten wir uns alle besser früher als später fragen – denn irgendwann könnte es zu spät sein. 

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