49-Euro-Ticket nicht für Geringverdiener? Verschuldete kriegen es wohl nicht

„Kein 49-Euro-Ticket für Verschuldete?“ oder „Schufa-Check: Werden Verschuldete vom 49-Euro-Ticket ausgeschlossen?“ titelten jüngst die Süddeutsche Zeitung und der Stern. Sie erweckten den Eindruck: Kreditunwürdige Geringverdiener, die das 49-Euro-Ticket besonders benötigten, bekämen es gar nicht. Dabei werden Bonitätsprüfungen nicht erst seit dem 49-Euro-Ticket gemacht. Aber: Wer wird denn nun tatsächlich ausgeschlossen, von wem und warum?
Der Vorverkauf für das Deutschlandticket (49-Euro-Ticket) könnte im April beginnen, seine Gültigkeit ab Mai, vorausgesetzt, der Bundesrat stimmt zu. Es wird sich um ein Jahres-Abo-Ticket handeln, das jedoch monatlich fristgerecht gekündigt werden kann. Jahresvorauszahlungen oder monatliche Lastschrift-Abbuchungen und Zahlungen sollen möglich sein. Die Deutsche Bahn hat Infos über das Deutschlandticket hier zusammengestellt.
Landesregierung argumentiert für Nicht-Abo-Lösung
„Das Land Baden-Württemberg hat in den Vorbesprechungen mehrfach auf das Problem hingewiesen, dass durch den ausschließlichen Vertrieb als Abonnement bestimmte Kundengruppen mit schlechten Bonitätswerten gegebenenfalls vom Erwerb des Tickets ausgeschlossen sind“, sagt Wenke Böhm, stellvertretende Sprecherin des Landes-Verkehrsministeriums. „Trotz dieser Argumente konnte sich eine Lösung ohne Abonnement nicht durchsetzen – als Kompromiss wurde die monatliche Kündbarkeit vereinbart, welche zumindest die Flexibilität des Tickets erhöht.“
Allerdings sei es grundsätzlich üblich, beim Abschluss von Abonnements mit monatlichen Zahlungsraten eine vorherige Bonitätsprüfung durchzuführen, sagt Wenke Böhm. „Dies erfolgt analog der Handhabung bei anderen Laufzeitverträgen. Es handelt sich hierbei um unternehmerische Entscheidungen, die außerhalb der Regelungsmöglichkeiten des Landes liegen.“
Bahn will Betrug und Zahlungsausfälle standardmäßig minimieren
Ein Sprecher der Deutschen Bahn bestätigt: Bonitätsprüfungen seien bei Abo-Verträgen absolut üblich und würden keinesfalls jetzt erst mit dem 49-Euro-Ticket eingeführt. „Damit wollen wir das Risiko von Betrugsversuchen und Zahlungsausfällen minimieren.“
Bei einer Abo-Buchung weise die Deutsche Bahn die Kundinnen und Kunden „transparent darauf hin, dass personenbezogene Daten zum Zwecke der Bonitätsprüfung sowie zur Verifizierung ihrer Adresse an einen Dienstleister übermittelt werden“. In den DB-Reisezentren hätten Kundinnen und Kunden zudem die Möglichkeit, „ein Deutschland-Ticket für ein Jahr zu erwerben, das sie vor Ort mit Bargeld, EC- oder Kreditkarte bezahlen können“.
Den Zahlungsverkehr abwickeln im Auftrag der Deutschen Bahn, das macht die Logpay Financial Services GmbH im südhessischen Eschborn. Logpay biete seinen Auftraggebern für deren Kundschaft unterschiedliche Zahlungsmethoden (zum Beispiel Paypal, Kreditkarte, SEPA-Lastschrift) an, aber auch solche, bei denen die Schufa-Abfrage entfällt (etwa bei Pre-Paid-Lösungen), erläutert Logpay-Sprecherin Emily Richter. „Die Entscheidung, welche Zahlungsmethoden letztlich im jeweiligen Shop umgesetzt werden (und ob damit eine Schufa-Abfrage notwendig ist), liegt ausschließlich bei unseren Auftraggebern.“
Wie laufen die Bonitätsprüfungen durch Infoscore beziehungsweise Experian ab?
Die Bonitätsprüfungen für das Ticket-Geschäft der Deutschen Bahn führt der Dienstleister Infoscore durch. Infoscore mit Sitz in Baden-Baden war bis 2005 eine unabhängige Wirtschaftsauskunftei. Dann kaufte Avarto (seit 2022: Riverty), ein Bertelsmann-Tochterunternehmen, Infoscore auf und integrierte es in den Bereich „Financial Solutions“. Geschäftsfelder: u.a. Betrugsprävention, Kreditvermittlungsdienste, Forderungsmanagement, Buchhaltungslösungen und Kauf-Jetzt-Bezahl-Später-Zahlungsmethoden.
Zum Jahreswechsel 2022/2023 übernahm nun die große internationale Wirtschaftsauskunftei Experian, ursprünglich irisch, mit einem Hauptsitz auf der Kanalinsel Jersey, große Teile der Avarto Infoscore GmbH in Baden-Baden. Diese wird dem Vernehmen nach nun durch die Experian Deutschland GmbH in Düsseldorf beziehungsweise die dazugehörige Infoscore Tracking Solutions GmbH in Düsseldorf mitgesteuert.
Auf der Internetseite von Experian ist über „frühzeitige Risikobewertungen“ zu lesen: „Bonität bezeichnet die Bewertung der Zahlungsfähigkeit von Kunden in verschiedensten Phasen des Kundenlebenszyklus. Als Teil eines integrierten Risikomanagements spielt sie neben den Bereichen Identität und Betrug eine zentrale Rolle bei der Beurteilung von Zahlungsausfallrisiken.“ Im Rahmen einer Bonitätsprüfung werde dabei ermittelt, ob zu den angefragten Kundendaten „Einträge in einer Datenbank mit Zahlungsstörungen aus der Vergangenheit, d.h. Negativmerkmale, vorhanden sind – was jedoch nur bei einem eingeschränkten Personenkreis der Fall ist“.
Experian verfüge über „eine exklusive Datenbank mit Negativmerkmalen zu circa 7,8 Millionen Personen in Deutschland. Dies schließt Merkmale aus Insolvenzverfahren sowie Merkmale aus gerichtlichen und außergerichtlichen Mahnverfahren ein. Auf diesen Datenbestand greifen unsere Bonitätsprüfungen zurück und ermöglichen Ihnen damit, potenzielle Zahlungsstörungen frühzeitig zu identifizieren.“
Um auch die „Bonität von Personen ohne Negativmerkmale differenziert einschätzen“ zu können, würden „leistungsfähige Bonitätsscores“ eingesetzt, so Experian. „Diese sind deutlich trennschärfer als reine Negativmerkmale und vermögen somit nicht nur eine noch bessere Prognose des Zahlungsausfallrisikos, sie ermöglichen auch eine weitaus feinere Steuerung im Spannungsfeld von Umsatzmaximierung und Zahlungsausfallminimierung.“
Offene Fragen, auf deren Beantwortung die Öffentlichkeit wartet
Antworten seitens Experian auf einen Fragenkatalog dieser Zeitung stehen noch aus. Insbesondere wären die Parameter, ab wann und warum jemandem ein 49-Euro-Ticket verwehrt werden würde, von öffentlichem Interesse. Brennend interessieren würde auch der Datenschutz.