Brisante Personalie: Backnanger Steffen Degler arbeitet für AfD-MdL Udo Stein

Wenn AfD-Politiker Mitarbeiter einstellen, sorgt das regelmäßig für Aufregung. Wegen der Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen, beispielsweise. Auch diese Personalie ist brisant: Nach unseren Recherchen beschäftigt der AfD-Landtagsabgeordnete Udo Stein seit kurzem den Backnanger Stadtrat Steffen Degler in seinem Büro. Degler hatte 2021 für mächtigen Wirbel in der Partei gesorgt. Warum sein Job im Landtag weitere Turbulenzen nach sich ziehen könnte.
Udo Stein mit Hund: Ein erster Hinweis
„Mein neuer Mitarbeiter hat heute endlich seinen Arbeitsvertrag unterschrieben“, verkündete der AfD-Landtagsabgeordnete Udo Stein am 24. Januar auf Facebook. Dazu ein Foto, das Stein mutmaßlich in den Räumlichkeiten des Landtags zeigt, wie er einen Hund streichelt.
Ein witziger Beitrag, könnte man meinen. In Wirklichkeit ist es wohl mehr als das. Denn Stein hat nach unseren Informationen tatsächlich einen neuen Mitarbeiter, der gleichzeitig auch Besitzer des Hundes ist: Steffen Degler, Stadtrat in Backnang, ehemals Landtagskandidat für die AfD in Stuttgart – und eine in der Partei durchaus umstrittene Person.
Stein und Degler: Eine interessante Konstellation
Unserer Redaktion liegt der Auszug einer Telefonliste des Landtags vor, der auf den 18. Februar 2023 datiert ist. Auf diesem wird Steffen Degler als Mitarbeiter von Udo Stein ausgewiesen. Ruft man die Nummer an, die hinterlegt ist, meldet sich eine Bandansage: „Steffen Degler ist nicht verfügbar.“ Auf Nachfrage wollen weder Degler noch Udo Stein das Arbeitsverhältnis bestätigen. Wie lange Degler schon für Stein arbeitet, ließ sich nicht klären.
Die Personalkonstellation Stein/Degler ist durchaus interessant. Stein ist Sprecher des AfD-Kreisverbands Hohenlohe/Schwäbisch Hall und sitzt seit 2016 im Landtag. Er ist einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbands Baden-Württemberg, der seit 2022 vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird. Stein ist außerdem Unterzeichner der „Erfurter Resolution“, die als Gründungsdokument des rechtsextremen „Flügels“ um Björn Höcke gilt. 2020 hat sich der Flügel formal aufgelöst.
Steffen Degler und das QAnon-Profilbild
Steffen Degler ist Stadtrat in Backnang und Schriftführer der „Jungen Alternative“ (JA) Baden-Württemberg, der Jugendorganisation der AfD. Die JA wird seit Jahren als „rechtsextremistische Teilstruktur“ der Partei vom LfV beobachtet. Bundesweit bekannt wurde Degler, als er 2021 bei der Landtagswahl für die AfD im Wahlkreis Stuttgart I antrat. Im Wahlkampf sorgte vor allem ein Facebook-Profilfoto Deglers für Aufregung, auf dem Symbolik der verschwörungsideologischen QAnon-Bewegung zu sehen war. Degler sagte damals, ihm war nicht klar gewesen, wofür QAnon stehe.
„Ich habe damals diesen Profilbild-Filter gehabt, um meine Unterstützung für Donald Trump auszudrücken“, sagt Degler heute. Er distanziere sich weiterhin von QAnon, wie auch von Rechtsextremisten und Querdenkern. Das Foto mit dem „Q“ ist seit längerem schon von seinem Facebook-Profil verschwunden, wie auch einige andere Beiträge. In einer mittlerweile gelöschten Karikatur wurde beispielsweise ein Vergleich zwischen Corona-Maßnahmen und der NS-Zeit hergestellt.
Degler und Höcke: Warum wurde ein gemeinsames Foto gelöscht?
Zu den verschwundenen Beiträgen gehört auch ein Foto, das Degler an der Seite des rechtsradikalen Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke zeigte. Wir hatten Degler schon vor zwei Jahren auf dieses Foto angesprochen. Damals bestätigte er, 2019 am sogenannten „Kyffhäusertreffen“ des „Flügels“ teilgenommen zu haben, und nannte Höcke „Parteifreund“. Hat sich seine Beziehung zu Höcke geändert? Oder warum wurde das Bild gelöscht? „Weil ich das kein schönes Foto fand“, so Degler.
Deglers QAnon-Profilfoto hatte damals offenbar ein Nachspiel. Degler war laut BKZ die Mitgliedschaft in der AfD entzogen worden, weil er mit Mitgliedsbeiträgen im Verzug war. Degler nannte das „Gerüchte, die so nicht wahr sind“, meldete aber der Stadtverwaltung, dass er nicht mehr Parteimitglied sei. Der Kreisverband Rems-Murr sprach sich mehrheitlich gegen eine Wiederaufnahme Deglers aus – und die Kreistagsfraktion zerstritt sich. Ob das der einzige Grund für den Streit ist, darf bezweifelt werden. Fest steht: Mitglieder protestierten, forderten eine Neuwahl des Kreisvorstands, verließen den Verband oder gleich die Partei.
Lars Haise: "Steffen Degler ist nicht Mitglied in der AfD"
Und heute? Gehört Degler wieder zur AfD? Immerhin wird er im Backnanger Gemeinderat als Vorsitzender der AfD-Fraktion geführt. Degler will sich zu parteiinternen Angelegenheiten nicht äußern, sagt er. Lars Haise, Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Rems-Murr, sagt auf Nachfrage: „Steffen Degler ist nicht Mitglied in der Partei ‚Alternative für Deutschland‘“.
Dass Udo Stein und Steffen Degler sich in der jüngsten Vergangenheit begegnet sein müssen, dokumentiert nicht nur das eingangs erwähnte Hunde-Foto. Am 14. Februar lud die JA Baden-Württemberg eine Folge ihres Podcasts auf Youtube hoch. Darin spricht Degler, der Moderator, mit seinem Gast Stein knapp 50 Minuten lang über verschiedene Themen.
Im Podcast mit Udo Stein: "Hoffe, wir treffen uns bald wieder"
Ob hier schon Chef und Mitarbeiter miteinander redeten, ist unklar. Degler gibt auf Nachfrage keine Auskunft darüber, wann die Aufnahme stattfand. Es spiele aber auch keine Rolle, meint er. „Ich differenziere klar zwischen Beruf und Parteiarbeit.“ Vor dem Hintergrund unserer Recherche mag es trotzdem seltsam anmuten, wenn Degler den AfD-Landtagsabgeordneten als „politisches Schwergewicht“ vorstellt, ihm „Erfolge“ attestiert und zum Abschied sagt: „Ich hoffe, wir treffen uns bald wieder.“
Udo Stein: "Wir haben ja gar keine Verfassung"
Bemerkenswert ist auch ein Satz, den Stein wenige Minuten vor Ende der Aufnahme sagt. „Wir haben ja gar keine Verfassung, das muss man ja auch mal sagen.“ Er verweist dabei auf Artikel 146 des Grundgesetzes. Solche Äußerungen sind vor allem aus der Reichsbürger-Bewegung bekannt, widersprechen aber deutlich der allgemeinen Rechtsauffassung.
Artikel 146 GG lautet: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Dieser Artikel spricht nach Meinung von Experten dem Grundgesetz keinesfalls den Verfassungsrang ab und hat vor allem historische Gründe.
„Selbstverständlich, ich möchte dem deutschen Grundgesetz keinesfalls den Verfassungsstatus absprechen“, sagt Stein, als wir ihn damit konfrontieren. Er halte den in Artikel 146 GG beschriebenen Vorgang der Verfassungsgebung lediglich für am besten geeignet, „um den Weg für direkte Demokratie freizumachen“. Das Volk könne in freier Entscheidung selbst die „Grundpfeiler“ abstecken. Er sagt aber auch: „Das Grundgesetz hat sich seit Jahrzehnten bewährt und ist Garant für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.“
JA und AfD in Baden-Württemberg: Probleme mit dem Grundgesetz
Eine Grundordnung, mit der sowohl die „Junge Alternative“, als auch die AfD im Land so ihre Probleme zu haben scheinen. Das Landesamt für Verfassungsschutz zählt zu den „Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ die Verbindungen der JA BW zur rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“. Außerdem gebe es „Äußerungen und Positionen von Funktionären und Gliederungen der JA BW, die nicht mit den wesentlichen Verfassungsgrundsätzen vereinbar sind“.
Innenminister Thomas Strobl sagte 2022 zur Beobachtung des AfD-Landesverbands: „Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht begründen, dass die AfD eine rechtsextremistische Bestrebung ist, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.“