Das Wichtigste zum Diesel-Fahrverbot
Waiblingen. Vom 1. Januar an ist die Fahrt mit einem alten Diesel nach Stuttgart tabu. Im Rems-Murr-Kreis sind rund 35 000 Diesel der Euronorm eins bis vier betroffen. Das sollten Sie über das Diesel-Fahrverbot wissen.
Für wen gelten die Fahrverbote?
Die Fahrverbote gelten für fast 35 000 alte Diesel der Schadstoffklasse 1 bis 4 mit WN- und BK-Kennzeichen. Das ist etwas mehr als ein Zehntel des Kfz-Bestandes im Rems-Murr-Kreis. In der ganzen Region sind es etwa 160 000 Fahrzeuge. Die Stuttgarter Dieselfahrer haben noch Schonfrist bis April. Ab dann dürfen sie auch nicht mehr mit ihren alten Dieseln in der Landeshauptstadt herumkutschieren.
Wie weiß ich, ob mein Diesel betroffen ist vom Fahrverbot?
Die Schadstoffklasse steht im Fahrzeugschein, Zeile 14.
Wie groß ist die Fahrverbotszone?
Im Gegensatz zu Hamburg, wo nur zwei Ausfallstraßen von Fahrverboten betroffen sind, ist es in Stuttgart das gesamte Stadtgebiet. Im Übrigen auch die Durchfahrtsstraßen B 10 und B 14, die bei der Umweltzone ausgeschlossen waren.
Wie kommen wir aus dem Rems-Murr-Kreis künftig zum Flughafen oder zur Autobahn?
Nur über Umwege. Zur A 8 also entweder über den Schurwald zur B 10 und von Plochingen über B 313 weiter zur Auffahrt Wendlingen.
Wer auf die A 81 Stuttgart-Heilbronn will, kann den Weg über Waiblingen-Hegnach und Remseck zur A-81-Anschlussstelle Ludwigsburg-Süd einschlagen.
Kann ich im Januar noch vor dem Weltweihnachtszirkus auf dem Cannstatter Wasen parken?
Mit einem alten Diesel: Nein. Stuttgart ist für alte Diesel tabu.
Wie sollen die Verbote durchgesetzt werden, wird es Kontrollen geben?
Im Prinzip ja, aber ... Die Polizei hat die Kontrolle des fließenden Verkehrs bereits abgelehnt. Die Polizeibeamten seien sowieso überlastet. Im Januar muss zunächst noch kein Bußgeld gezahlt werden. Es bleibt bei einer mündlichen Verwarnung. Ab Februar kostet jedoch ein Verstoß gegen das Fahrverbot 80 Euro, wenn ein Dieselfahrer der Polizei oder der Stuttgarter Verkehrsüberwachung als Beifang ins Netz geht. Wer also in eine Handy- oder Alkoholkontrolle gerät oder beim Falschparken erwischt wird, für den wird es teuer.
Das Bundesverkehrsministerium will übrigens die Rechtsgrundlage schaffen, dass Städte ein Fahrverbot flächendeckend elektronisch überwachen können. Jedes Auto soll also erfasst und sechs Monate gespeichert werden. Der Aufschrei ist berechtigt. Die Umwelt wird als Vorwand für eine Totalüberwachung der Bürger benutzt. Den Innenministern passt womöglich solcher Orwell’sche Kontrollwahn in den Kram.
Was machen die Stuttgarter ab 1. April, die vom Fahrverbot betroffen sind? Müssen die sich einen Parkplatz in Waiblingen suchen?
Das wird noch spannend werden. Für Stuttgarter Dieselfahrer, die am Stadtrand wohnen, ist es sicherlich verlockend, ihren alten Diesel jenseits der Stadtgrenze zu parken. Vor allem den Fellbachern könnten allerhand Parkplätze abhandenkommen.
Nun sagt die Landesregierung, Pendler sollen auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Wie realistisch ist das?
Die attraktiven Park+Ride-Parkplätze im Rems-Murr-Kreis sind schon heute morgens voll belegt. Und auch die S-Bahnen nach Stuttgart sind im Berufsverkehr gut gefüllt. Da heißt es wohl: Enger zusammenrücken. Oder sich ein neues Auto kaufen.
Sind für dieses Dilemma kurzfristige Lösungen in Sicht?
Nein. Die Fahrverbote kommen jedoch nicht so überraschend, wie uns viele Politiker jetzt weismachen wollen. Die schärferen EU-Grenzwerte für Feinstaub und insbesondere Stickoxide wurden zehn Jahre lang schlicht verpennt. Bis zum VW-Dieselskandal hat sich Deutschland der Illusion hingegeben, dass die Abgasbelastung in den Städten von ganz alleine sinkt, weil immer mehr neue, vermeintlich saubere Autos auf die Straßen kommen. Doch die Autoindustrie hat getrickst und betrogen, satt saubere Motoren zu bauen. Ausbaden müssen dies nun die Dieselfahrer, die sich auf die Versprechungen verlassen haben, einen sauberen und zudem verbrauchsarmen und damit klimafreundlichen Diesel gekauft zu haben.
Die Fahrverbote betreffen nicht nur Pendler, sondern auch mittelständische Betriebe und Handwerker, die nicht mal so eben ihren kompletten Fuhrpark umrüsten können. Welche Sonderregelungen sind da geplant?
Die Liste der Ausnahmegenehmigungen ist lang. Beantragt werden können diese bei der Stadt Stuttgart: im Übrigen kostenlos. Sie gelten immer für ein Jahr.
Sonderregelungen gibt es für den gewerblichen Warentransport, Handwerkerfahrten und Notdienste wie Feuerwehr, Notarzt oder Polizei. Ferner für Taxen, landwirtschaftliche Zugmaschinen oder Bundeswehrfahrzeuge. Auch Menschen mit Behinderungen dürfen ihre alten Diesel weiter benutzen. Schichtarbeiter, die nicht auf Busse und Bahnen ausweichen können, können ebenfalls eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Wer mit seinem Wohnmobil oder Caravan in den Urlaub fahren will, kann ebenfalls von einer Sonderregelung Gebrauch machen.
Wo können die Ausnahmegenehmigungen beantragt werden?
Bei der Stadt Stuttgart. Online oder beim Amt für öffentliche Ordnung in Stuttgart, Jägerstraße 14. Dienstzeiten sind montags bis freitags von 8.30 bis 13 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 15.30 Uhr, ) 07 11/2 16-3 21 20 oder über das Servicetelefon 115.
Gelten die Fahrverbote auch für Touristen und/oder Pendler, die nur durch Stuttgart durchfahren wollen?
Klare Antwort: Ja.
Einige Autobauer haben angekündigt, die Kosten für die Nachrüstung zu übernehmen, und bieten Umtauschprämien an. Auf dem Markt sind aber weder Nachrüstsätze, noch können die Händler Diesel mit der neuesten Norm 6d liefern. Kommen die Fahrverbote zu früh?
Die Fahrverbote kommen, weil sie die Umwelthilfe nicht nur in Stuttgart, sondern in vielen abgasgeplagten Städten eingeklagt hat. Sie musste sie einklagen, weil die Politik wirkungsvolle Maßnahmen gegen bessere Luft auf die lange Bank geschoben hatte. Es ist bezeichnend, dass es in der öffentlichen Diskussion bis heute immer nur darum geht, wie man Fahrverbote vermeiden kann, und nicht um Luftreinhaltung und die Gesundheit der Bürger.
Sind die Fahrverbote noch zu kippen und hat für den Diesel das letzte Stündlein geschlagen?
So wie es derzeit ausschaut, kommen die Fahrverbote. Der Europäische Gerichtshof hat dieser Tage sogar entschieden, dass auch moderne Euro-6-Diesel aus den Städten verbannt werden könnten, weil auch sie die geltenden Abgasnormen nicht einhalten.
Deshalb kommt es zu den Fahrverboten
Die rechtliche Grundlage für Klagen auf saubere Luft der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind europäische Richtlinien zur Luftqualität aus den Jahren 1996 und 2008. Diese Richtlinien legten Grenzwerte für die Schadstoffkonzentration in der Außenluft fest. Mit der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) wurden die Grenzwerte im deutschen Recht verankert.
Feinstaub darf maximal an 35 Tagen im Jahr über 50 Mikrogramm/Kubikmeter liegen; der 1-Stunden-Grenzwert für Stickoxide (200 µg/m3) darf nicht öfter als 18-mal im Jahr überschritten werden. Werden diese Luftqualitätsgrenzwerte gerissen, sind Städte und Kommunen verpflichtet, Aktions- beziehungsweise Luftreinhaltepläne zu erstellen. Diese müssen sicherstellen, dass der Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich ist.
Die DUH nutzt eigenen Angaben zufolge seit Jahren juristische Mittel, um das EU-weit verbriefte Recht auf saubere Luft durchzusetzen. Im Februar hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig grundsätzlich entschieden, dass Fahrverbote in den Städten zulässig sind. Geklagt hatten Düsseldorf und Stuttgart. In diesem Jahr hat Stuttgart die Chance, die Feinstaubgrenzwerte einzuhalten. Bei Stickoxiden sieht es weiter düsterer aus.