Die B29 und das ewige Pinkel-Problem: Sind Dixi-Klos die Lösung?

Das Problem drückt – erstens irgendwann schmerzhaft und zweitens schon seit langem: An der B 29 gibt’s keine Toilettenhäuschen. Jetzt will der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann dem dringenden Bedürfnis mit Hilfe von Dixi-Klos Abhilfe schaffen. Das geht gar nicht, findet der FDP-Landtagsabgeordnete Jochen Hausmann. Die Lösung mit den Dixi-Klos sei eine „Riesenblamage“. Aber selbst die lässt noch länger auf sich warten.
Jochen Haußmann ist seit über fünf Jahren am Toilettenproblem dran
Jochen Haußmann, als Kernener physisch und als Mitglied im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags auch politisch dicht an der B 29 und ihrem Pipi-Problem dran, sei, so heißt es in seiner Pressemitteilung, „seit über fünf Jahren hinter einem Ende des Toilettenmangels an der B 29 her“. Doch das Problem ist viel, viel älter. Schon im Juni 2005 – vor also bald 18 Jahren – formulierte der damalige Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion Paul Hug in Bezug auf den Mangel, dass es „für eine öffentliche Toilettenanlage an einer so stark befahrenen Bundesstraße wie der B 29 ein dringendes Bedürfnis gibt“.
Die CDU-Kreistagsfraktion forderte Hug damals einstimmig dazu auf, sich an den Landrat zu wenden – damals hieß jener noch Johannes Fuchs. Der solle bei den zuständigen Stellen vorsprechen. Die Antwort von Johannes Fuchs fasste der ZVW-Redakteur in seinem Artikel so zusammen: „Oh, verheb’s“.
Landrat Johannes Fuchs verwarf schon 2005 den Gedanken an B-29-Toiletten
Johannes Fuchs verwies damals auf die Kosten: Die Einrichtung zweier Kabinen für Männlein und Weiblein – sowohl in der einen als auch in der anderen Fahrtrichtung – mit den entsprechenden Schüsseln und der Spülung, den dazugehörigen Anschlüssen an die Strom-, Wasser- und Abwasserversorgung wurden im Jahr 2005 auf insgesamt 600.000 und 800.000 Euro geschätzt. Dazu rechnete Fuchs noch jährliche Unterhaltskosten von 60.000 Euro. Landrat Johannes Fuchs konnte den Wunsch verstehen, kam jedoch zu dem Schluss, dass „finanzieller Aufwand und erleichternder Nutzen einer solchen Toilettenanlage in keinerlei vertretbarem Verhältnis zueinanderstehen“.
Die Rechenkompetenz des ehemaligen Landrats und der damals in der Landesregierung Verantwortlichen führte allerdings dazu, dass der Ackerrand, der an den B-29-Parkplatz bei Waiblingen-Beinstein grenzte, den Beinamen „Längste Toilette des Landkreises“ erhielt.
Was allerdings nicht dazu führte, dass dem Problem mittels Toilettenhäuschen abgeholfen wurde. Stattdessen montierte man einen Zaun. Der Landwirt, der regelmäßig mit den Verunreinigungen seiner angrenzenden, bewirtschafteten Flurstücke konfrontiert war, hatte sich beschwert. Der Zaun kostete 30.000 Euro. Den Wildpinklern, die manchmal womöglich auch noch mehr loswerden mussten, wurde dringendst geraten, den neuen Zaun nicht zu verunreinigen. Wildpinkeln sei kein Kavaliersdelikt, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Wo der quälende Druck abgelassen werden kann, blieb offen.
Die neuen Häuschen an der B 14 haben insgesamt 750.000 Euro gekostet
Wer auf der zweiten Bundesstraße im Rems-Murr-Kreis, der B 14, unterwegs ist, hat kein solches Problem. Bei Korb gibt’s Toilettenhäuschen. Je eines pro Fahrtrichtung. Johannes Fuchs bezeichnete selbige – damals waren’s noch die alten, stinkigen – bei der Toiletten-Diskussion vor 18 Jahren als „große Ausnahme“. Inzwischen ist diese „große Ausnahme“ sogar ganz neu gemacht worden. Im Juli 2021 eröffnete eine Delegation hochrangiger Politiker – vom neuen Landrat Richard Sigel über Ministerialdirektor Berthold Frieß vom Landesverkehrsministerium über den Bundestagsabgeordneten Jürgen Braun von der AfD bis hin zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesverkehrsministerium Steffen Bilger – die zwei Häuschen. Großer Bahnhof. So wichtig sind Bundesstraßen-Klos!
Die zwei neuen Häuschen haben damals insgesamt 750.000 Euro gekostet.
Für Häuschen, die jetzt an der B 29 gebaut werden müssten, rechnet die Pressestelle des Verkehrsministeriums mit einer deutlich höheren Summe. Denn die „technische Infrastruktur“, also Wasser und Abwasser, Strom und was sonst noch alles dazugehört, sei an diesen Standorten nicht verfügbar. Und das Bauen ist per se viel teurer geworden. Das schmerzt.
Vielleicht will es Verkehrsminister Hermann deshalb erstmal versuchsweise mit Dixi-Klos probieren. Kostet nicht so viel auf einen Schlag. Die Kosten des dreimonatigen Pilotversuchs werden pro Fahrtrichtung „je nach Häufigkeit der Reinigung“ bei etwa 2000 bis 2500 Euro im Monat liegen. Aufgestellt werden jeweils drei normale Dixi-Kabinen plus ein behindertengerechtes Dixi-Klo.
Dixi-Klos sind auch viel schneller aufgebaut. Rund zwei Jahre dauerte es, bis an der B 14 bei Korb die Bauzäune verschwanden und dem dringenden Bedürfnis wieder offiziell nachgegeben werden durfte. Ein Dixi-Klo wird angekarrt und gut ist. Miteingerechnet wird an dieser Stelle natürlich nicht, dass die Dixi-Klos an der B 29 mindestens seit der Neueröffnung der schicken B-14-Toiletten ernsthaft diskutiert werden und somit auch schon seit zwei Jahren auf sich warten lassen.
Dixis ab April oder Mai? Es wird noch länger dauern
Jetzt aber sollen sie kommen. Jochen Haußmanns Infos, die er in seinem Brief ans Verkehrsministerium am 28. Februar kundtat, lauteten noch: Im April oder Mai werden sie aufgestellt. Ihr Platz soll in Fahrtrichtung Schorndorf der Parkplatz Hebsack und in Fahrtrichtung Stuttgart der Parkplatz gegenüber Baumarkt Globus in Endersbach sein.
Inzwischen weiß das Landratsamt allerdings: „Der ursprüngliche Zeitraum wird sich wohl leicht in Richtung Sommer verschieben.“ Selbst bei Plastikkabinen braucht’s offenbar viel „Abstimmung“. Vielleicht – aber das ist nur Spekulation – liegt das daran, dass Jochen Haußmann moniert, dass drei Monate Dixi-Klo ab April oder Mai bedeuten, dass mit Beginn der „Hauptreisezeit“ wieder kein Klo an der B 29 zu finden ist. Das, schreibt Haußmann, entbehre „jeglicher Logik“.
Jochen Haußmann findet die Dixi-Lösung aber grundsätzlich nicht gut, ganz gleich, wann sie kommt. Er lehnt auch größere mobile Toilettenanlagen in Form von Toilettenwagen ab. Andernorts wurden wohl keine guten Erfahrungen damit gemacht. Es geht um Vandalismus und Verschmutzung. Die Dixis sollen nur dreimal pro Woche gereinigt werden. Die B-14-Toilettenhäuschen werden zweimal pro Tag geschrubbt.
Die längste Toilette des Landkreises bleibt wohl noch in Betrieb
Haußmann wünscht „eine vollständig funktionsfähige dauerhafte Lösung“. Das Landratsamt ist bei ihm. Man sehe, heißt es, „die vom Verkehrsministerium vorgeschlagene Dixi-Lösung als Notlösung an“. Und: „Wir bezweifeln, dass dies auch wirklich funktioniert.“ Ekel-Dixis werden nämlich selbst unter größtem Druck ignoriert. Die längste Toilette des Landkreises wird wohl noch in Betrieb bleiben.