Rems-Murr-Kreis

Eichenprozessionsspinner: Städte melden Befall

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Hier saugen Profis in Schutzkleidung bei Schorndorf die Raupen des Eichenprozessionsspinners von den Bäumen ab. © ZVW/Gabriel Habermann (Archiv)
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Die Nester der Raupen sitzen oft in Kuhlen zwischen Stamm und Ästen.

Waiblingen/Backnang. Die Räupchen mit den giftigen Haaren sind unterwegs. Überall entfernen Baumpfleger Nester des Eichenprozessionsspinners, damit in Freibädern, Kindergärten oder auf Schulhöfen keine Gefahr droht. Im Wald aber weisen höchstens Schilder auf die Raupen hin. Denn, sagt Kreisforstamtsleiter Martin Röhrs, die Raupe sei eine „waldtypische Plage wie Schnaken oder Zecken“. Wer empfindlich sei, müsse sich schützen.

In Backnang kriechen sie schon: Am Seehof, im Plattenwald, beim Max-Born-Gymnasium und in einem Waldstück bei Sachsenweiler wurden die behaarten, giftigen Raupen des Eichenprozessionsspinners gesehen. Mitarbeiter des Bauhofs haben nachkontrolliert und bestätigt: Dicke Nester voll der für Mensch und Tier potenziell gefährlichen Krabbler hängen in den Bäumen. Auch Waiblingen meldet Befall: In den Hartwald bei Hegnach kommen jetzt Warnschilder. Und auch sonst überall im Kreis, wo Eichen an Waldrändern schön sonnig stehen oder überhaupt als Solitärbaum von der Frühlingswärme profitieren und womöglich innerorts noch im Schein von Fußballplatz-Flutlichtern oder Straßenlaternen stehen, die nachtfliegende Schmetterlinge ja magisch anziehen, krabbeln die Raupen. Der Eichenprozessionsspinner, sagt Martin Röhrs, Leiter des Kreis-Forstamts, „ist einfach da; den gab’s auch schon immer“.

Die Härchen des Schmetterlings haben ein Nesselgift

Der Eichenprozessionsspinner ist ein Nachtfalter. Bevor das Tier zum Schmetterling wird, durchläuft es sechs Entwicklungsstadien und wird eben auch zur Raupe mit den gefährlichen Härchen. Das passiert im Mai und Juni. Die Haare haben ein Nesselgift und Widerhaken. Sie können mit dem Wind über mehrere Meter transportiert werden und lösen bei empfindlichen Menschen schwere allergische Reaktionen aus. Es kann sogar zu Asthmaanfällen kommen. Durch die Klimaveränderung, so die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, breiten sich die Raupen in Deutschland immer stärker aus. Die Population in 2019 sei größer als im Vorjahr, zu den besonders stark betroffenen Bundesländern gehört auch Baden-Württemberg.

Häutungsnester und Verpuppungsgespinste sind Gefahrenquelle

Das Problem: Sind schon die lebenden Raupen im Sommer gefährlich, hört das Dilemma im Herbst und Winter auch nicht auf. Denn Häutungsnester und die am Baum oder am Boden verbleibenden Verpuppungsgespinste sind, wenn sie nicht richtig entfernt werden, das ganze Jahr hindurch eine Gefahrenquelle. Wobei auch hier der Forst-Fachmann aus dem Kreis beruhigt: Im Laufe des Winters sind die alten Härchen dann Geschichte. Dann könne, wer wolle, dem neuen Befall vorbeugen.

Das ist nicht ganz einfach und klappt nicht zu hundert Prozent. Doch Röhrs wird an seine private Eiche im kommenden Frühjahr, so etwa gegen Ende März, einen Leimring kleben. In erreichbarer Höhe. Also keine Kletterexperimente. Es ist ein ganz banaler, altbekannter Leimring, wie er auch an Obstbäumen beispielsweise gegen die Raupe des Apfelwicklers hilft. Zwar kleben die Eichenprozessionsspinner-Schmetterlingsweibchen ihre Eier irgendwo am Stamm oder an Ästen der Eiche ab. Doch die Raupen wandern ja. Manchmal, sagt Röhrs, werden sie von starkem Regen auch vom Baum gespült. Und dann steigen sie wieder auf. Und dann bleiben sie eben an der Klebefalle haften.

Wer im privaten Garten einen starken Befall sieht, dem bleibt allerdings nichts anderes übrig, als sich von Schädlingsbekämpfern helfen zu lassen. Die saugen Raupen und Nester ein, um sie dann zu verbrennen. Oder brennen die Tiere gleich am Baum ab.

In Waiblingen wird regelmäßig kontrolliert

Bei städtischen, kreis- oder staatseigenen Bäumen sind beispielsweise die Forstleute oder die Grün- und Baumpfleger zugange.

In Waiblingen wird regelmäßig bei Schulen, in der Talaue mit ihren vielen Besuchern, an Spielplätzen und Kindergärten kontrolliert. In den letzten zwei Wochen mussten auch schon Nester entfernt werden.

Röhrs: Raupen eigentlich keine Gefahr für die Eichen

Im Wald, sagt Martin Röhrs, wird nichts gemacht. Die Raupen sind „eigentlich keine Gefahr für die Eichen“. Denn die abgefressenen Blätter werden von der Eiche mit dem Johannistrieb im Juni wieder ersetzt. Der Spinner sei eher ein „humanhygienisches Problem“. Doch im Wald an jeden einzelnen Baum ranzugehen, wäre Irrsinn. Und vom Hubschrauber aus zu sprühen genauso. Chemie wird sowieso nicht mehr gespritzt. Und das biologische Mittel, der Bacillus Thuringiensis, greift alle Schmetterlingsraupen an. In Zeiten des Insektensterbens „wollen wir das nicht“.

Der Eichenprozessionsspinner besitzt, so die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, „eine Vielzahl natürlicher Feinde“. Doch viele entfalten ihre Wirkung erst nach mehreren Jahren der Massenvermehrung. „Besonders wirksam sind Ei- und Raupenparasiten wie die Raupenfliegen und die Schlupfwespen, die ihn in der Endphase der Massenvermehrung stark dezimieren können.“ Es gibt auch räuberische Käferarten wie den Großen und Kleinen Puppenräuber. Doch diese Tiere dezimieren den Befall „nicht nennenswert“. Und selbst die Vögel haben Respekt vor den giftigen Raupen: Nur Kuckuck und Pirol trauen sich ran. Und davon gibt’s leider längst viel zu wenige.


Tipps für den Schutz vor allergischer Reaktion

Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald bezieht sich bei ihren Tipps auf Angaben der Europäischen Stiftung für Allergieforschung. Dort heißt es:

Generell dürfen Raupen und ihre Nester auf keinen Fall berührt werden. Schon bei Verdacht eines Gifthaarkontakts können folgende Maßnahmen helfen.

Kleidung umgehend im Freien wechseln, Schuhe nass reinigen

Kleidung bei mindestens 60 Grad waschen

Sichtbare Raupenhaare mit einem Klebstreifen entfernen

Gründliche Dusche mit Haarreinigung und Augenspülung mit Wasser

Betroffene Gegenstände wie das Auto waschen und saugen

Bei Hautreaktionen sollte der Hausarzt aufgesucht werden, bei Atemnot sofort den Rettungsdienst alarmieren.