Ewige Chemikalien im Rems-Murr-Kreis: Keine Gefahr für das Trinkwasser

„Ich mache mir täglich mit Leitungswasser Sprudel zum Trinken. Ist das wegen der ewigen Chemikalien im Grund- oder Trinkwasser gefährlich? Soll ich's lieber lassen?“ Diese oder ähnliche besorgte Fragen erreichen unsere Zeitung gerade, nachdem öffentlich geworden war, dass auch im Rems-Murr-Kreis Spuren sogenannter per- und polyfluorierter Chemikalien (PFC/PFAS) in geringfügigen Nanogramm-Mengen im Grundwasser gemessen worden sind. Das Landratsamt gibt Entwarnung.
Grenzwerte der neuen Trinkwasserverordnung
„An keiner der Messstellen, die im Rems-Murr-Kreis für die öffentliche Trinkwasserversorgung genutzt werden, werden die zukünftigen Grenzwerte der neuen Trinkwasserverordnung überschritten, die demnächst in Kraft treten soll“, teilt Rojda Firat von der Pressestelle des Landratsamts mit.
Nach derzeitigem Stand werde es für vier PFC/PFAS in der Summe einen Grenzwert von 20 Nanogramm pro Liter und für 20 (inklusive der vier) einen Grenzwert in der Summe von 100 Nanogramm pro Liter geben, sagt Rojda Firat.
Hintergrund: Eigentlich war die neue EU-Trinkwasserverordnung bereits im Januar 2021 beschlossen worden und hätte bis 12. Januar 2023 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Der Bundesrat hat einem Gesetzesentwurf des Bundesumweltministeriums jedoch noch nicht vollumfänglich zugestimmt. „Die noch verbliebenen Vorgaben sollen gesondert umgesetzt werden – durch Änderungen des Infektionsschutzgesetzes und der Trinkwasserverordnung“, teilt die Bundesregierung mit. Die neue Trinkwasserverordnung, in der auch die genannten PFC/PFAS-Grenzwerte stehen werden, soll am 31. März im Bundesrat diskutiert und gebilligt werden, so der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVWG). Die Grenzwerte könnten laut Bundesumweltministerium womöglich erst ab 2026 gelten.
Vier PFC/PFAS gelten als besonders gefährlich
Nicht längst alle der Tausenden von PFC/PFAS sind ausreichend hinsichtlich ihrer möglichen Schädlichkeit für Umwelt, Mensch und Tier erforscht. Erst für 20 der PFC/PFAS liegen bislang offenbar genügend Studien und Untersuchungen vor, die Gesundheitsgefahren ab einer gewissen Menge im Wasser und im menschlichen Blutplasma nahelegen (Quelle: Landes-Stabsstelle PFC beim Regierungspräsidium Karlsruhe). Für vier dieser 20 PFC/PFAS sind krebserregende und immunschwächende Eigenschaften wissenschaftlich nachgewiesen: PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS.
Zwar seien diese vier und auch die 16 anderen im Rems-Murr-Kreis an vielen Messstellen in sehr geringen Konzentrationen nachweisbar, sagt Rojda Firat, dabei aber „oft nur knapp über der Nachweisgrenze, die häufig bei einem Nanogramm pro Liter liege“.
Grenzwerte der neuen Trinkwasserverordnung werden demnach weit unterschritten. Übersetzt heißt das wohl: Entwarnung!
Wer kontrolliert wie häufig das Trinkwasser und das Grundwasser?
Die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) und die beim Landratsamt angesiedelte Untere Naturschutzbehörde prüften nicht nur das Grundwasser regelmäßig (wir berichteten), sondern auch die Trinkwasser-Brunnen und -Quellen: „Dem Landratsamt liegen 315 Untersuchungen an 230 Messstellen vor“, sagt Rojda Firat. Davon seien in den vergangenen Jahren 60 Untersuchungen durch die LUBW vorgenommen worden, und davon wiederum zehn an Stellen für die öffentliche Trinkwasserversorgung. Insgesamt sei die öffentliche Trinkwasserversorgung im Rems-Murr-Kreis an verschiedenen Stellen 265-mal untersucht worden. An manchen Stellen bis zu viermal.
„Die Daten sind aus dem Grundwasserüberwachungsprogramm des Landes aus den Jahren 2016 bis 2018 und aus der Überwachung der Wasserschutzgebiete aus den Jahren 2019 bis 2021. Alle Nutzer sind über die Analysenergebnisse informiert“, sagt Rojda Firat.
„Außerhalb des Trinkwasserbereiches gibt es in der Nutzwasserversorgung Geringfügigkeitsschwellenwerte und diese werden an keiner Messstelle überschritten. Daher sind auch bei der Nutzwasserversorgung keine Maßnahmen erforderlich“, sagt Rojda Firat.
Wie berichtet, waren auch die im Grundwasser gemessenen PFC/PFAS-Gehalte, inklusive jener der vier beziehungsweise 20 als gefährlich eingestuften, nur geringfügig. Zudem wurden noch nicht einmal überall PFC/PFAS gefunden.
Zwischen 2015 und 2018 hatte die LUBW an 52 Messstellen der LUBW und 179 Messstellen des Kooperationsmessnetzes Wasserversorgung im Rems-Murr-Kreis das Grundwasser auf PFC/PFAS beprobt. Lediglich an zwölf dieser 231 Messstellen wurden im Grundwasser überhaupt Ewigkeitschemikalien festgestellt. Dabei kamen an Messstellen in Beutelsbach, Geradstetten, Grunbach, Murrhardt, Plüderhausen, Schorndorf, Urbach, Waiblingen, Weissach im Tal-Cottenweiler und Welzheim PFC-PFAS-Nachweise im Grundwasser von gerade einmal zwölf bis 31 Nanogramm/Liter zusammen.
„Die nächsten systematischen Untersuchungen ergeben sich dann aus den Programmen des Landes zur Vorsorgeuntersuchung, die sich alle paar Jahre wiederholen, so wie die Untersuchungen auf Pflanzenschutzmitteln in den Wasserschutzgebieten“, sagt Rojda Firat.