Rems-Murr-Kreis

Existenzkampf gegen Groß-Buchhandel: Buocher Manfred Hennecke trotzt Amazon & Co

Manfred Hennecke
Der Buocher Kleinverleger Manfred Hennecke mit einem seiner in Fachkreisen sehr nachgefragten Orchideen-Bücher. Links im Regal Gerhard Fritz’ Katzen-Büchlein. © Alexandra Palmizi

Kurz vor Weihnachten lief bei Dr. Manfred Hennecke in Remshalden-Buoch das Telefon heiß. „Alle halbe Stunde“ klingelte es sogar an seiner Haustür. Das kann passieren, wenn man als Kleinverleger süffisante „Katzengeschichten für Erwachsene“ des Murrhardter Historikers Prof. Gerhard Fritz vertreibt, aber vom immer mehr monopolisierten Groß-Buchhandel mit Missachtung gestraft wird. Die Leute hatten bei uns in der Zeitung von dem Büchlein gelesen und wollten es bestellen, der Buchhandel hatte es aber nirgends gelistet.

„Ich habe meinen Verlag 1984 gegründet, mit vielen regionalen Büchern, habe über 100 Titel verlegt, circa 250 000 Bücher verkauft und alle Buchhandlungen im Rems-Murr-Kreis kennen mich. Was funktionierte da nicht?“, fragt Hennecke. Er hat aber aufgrund leidvoller Erfahrungen aus der Vergangenheit schon so seine Vermutungen.

Strukturen des Buchhandels sind zusammengebrochen

Seit Amazon die Bücher kostenlos verschickt, sei die Struktur des Buchhandels zusammengebrochen, sagt Hennecke. Schon 2014 beendete er die Zusammenarbeit mit dem Online-Handelsriesen und vertreibt längst nicht mehr über Amazon Bücher. „Als kleiner Verlag werden sie von solchen Konzernen nicht ernst genommen.“ Die zahlten Erlöse nicht ordentlich aus, pflegten die bibliografischen Daten der eingereichten Freiexemplare für den Verkauf nicht anständig ins System ein und wollten 50 Prozent und mehr vom Umsatz.

Verbraucher nutzen Rückgabe-Rechte schamlos aus

„Hinzu kommt, dass die freimütigen Rückgabe-Möglichkeiten im Online-Handel innerhalb von 14 Tagen leider schamlos ausgenutzt wurden“, sagt Hennecke. „Die Leute hatten sich Bücher bestellt, sich aber ganz offensichtlich dann Seiten rauskopiert oder die Bücher durchgelesen, das war an den arg geknickten Buchrücken erkennbar, und dann einfach zurückgeschickt und wollten das Geld zurück.“

Dann gab’s früher noch den eigentlich sehr gut funktionierenden Großbuchhändler KNV, bei dem bei Hennecke erschienene Werke gelistet waren. „Der nahm immer zehn Exemplare auf Kommission ab und belieferte den süddeutschen Buchhandel über Nacht (Arzneimittel an Apotheken auch, um die Ertragslage zu verbessern). Nach sechs Monaten liefen pünktlich die Zahlungen ein. Das Gegenstück im Norden Deutschlands ist Libri.“ Aber, KNV ist umgezogen nach Erfurt, „und damit gibt es keinen solch verlässlichen Großbuchhändler in Süddeutschland mehr“, sagt Hennecke.

Osiander habe zwar viele Buchhandlungen (in Waiblingen, Schorndorf, Winnenden und Backnang) übernommen, aber nicht die Rolle eines Großbuchhändlers, bekrittelt der Buocher Kleinverleger.

„Nimmt Osiander eine Bestellung, die zum Beispiel aus Waiblingen kommt, an, schicke ich das Buch an die Osiander-Zentrale nach Tübingen, von dort wird es nach Waiblingen verschickt. Da bleiben Geld und Zeit auf der Strecke.“ Das Katzen-Büchlein kostet 8,50 Euro bei 35 Prozent frei Haus und lohne sich bei dieser Firmenstruktur für Osiander vermutlich nicht. „Bei mir verhärtet sich sogar der Verdacht, dass Osiander Anweisungen gegeben hat, solche niedrig-preisigen Büchlein nicht zu verkaufen“, behauptet Hennecke. „Andererseits kann ich das Büchlein nicht teurer machen. Porto und Verpackung sind heute dank Amazon sowieso eingerechnet. Sämtliche Buchprodukte sind damit um circa drei Euro teurer geworden. Aber das scheinen die Leute nicht gemerkt zu haben und denken, sie machen jetzt regelmäßig Schnäppchen, weil sie ‘keine’ Versandkosten zahlen müssten, die von allen längst eingepreist wurden.“

Ähnlich wie Osiander verfahre Thalia. „Ein zentrales Rechnungswesen steht heute über allem, das die Controller durchgesetzt haben“, sagt Hennecke. Er habe Osiander sogar Freiexemplare geschickt, damit sie auf die Osiander-Homepage kommen. „Komplette Fehlanzeige.“

Ein Hoch auf Hess, Bacher, Halder, Seeelow, Donner, Kreh und Blessings 4 you

Früher, da habe man sich als Kleinverleger noch regelmäßig mit den lokalen Buchhändlern getroffen und einen gedeihlichen Umgang gehabt. „Als es in Waiblingen noch die Hess’sche Buchhandlung gab, hat mich der Hess von selbst immer angerufen und gesagt, schick mir doch mal fünf Exemplare von der gerade neu erschienenen lokalhistorischen Abhandlung. Beim Bacher in Schorndorf oder beim Halder in Winnenden war es ähnlich unkompliziert. Da lagen unsere Bücher auch aus. So konnten die Leute auch davon erfahren. Jetzt beim Osiander muss alles über die Zentrale laufen und bis die mal ein Buch mit kleiner Auflage freigeben, das dauert ewig, wenn es überhaupt klappt.“

Alle der in Buoch verlegten Bücher haben Internationale Standardbuchnummern (ISBN). „Aber die müssen von Osiander und Thalia auch in die Metadaten in ihren Systemen eingepflegt werden. Sonst findet die dort niemand.“

Wo die Zusammenarbeit noch besser sei, und darüber sei er auch sehr dankbar und froh: „Bei Seelow in Schorndorf, Blessings 4 you in Weinstadt, Donner in Plüderhausen und Rudersberg oder beim Kreh in Winnenden“, sagt Hennecke. „Die kennen mich alle. Die rufen an, wenn Leute die Bücher meines Verlags nachfragen, und wir liefern dann zügig.“

Von Pilzen, Orchideen und anderen Nischen-Themen

Er sei sich bewusst, dass viele der von ihm verlegten Bücher keine Bestseller-Listen stürmen werden. „Von so einer lokalhistorischen Ortsgeschichte verkaufen Sie über die Jahre vielleicht 400 Stück. Von meinem Pilzbüchlein so 100 Stück. Aber das sollte doch gerade für Ortsbuchhandlungen auch einen Stellenwert haben und dass nicht überall nur dasselbe bundesweit einheitliche Buchprogramm gefahren wird“, sagt Hennecke.

Spezialveröffentlichungen wie die Orchideenbücher „Beiträge zur Gattung Ophrys“, „Ophrys-Feldführer“ oder „Beiträge zu den Algen Baden-Württembergs“ liefen über Kennerforen und Spezialmagazine auch gut. „Da erfahren die Leute drüber.“ Aber wie erfährt eine breitere lokal interessierte Käuferschaft über Bücher, wenn sie von den Buchhandlungsketten nicht oder nur ungenügend gelistet werden? Wie zum Beispiel:

  • Naturführer über das Remstal, das Obere Zipfelbachtal, den Naturraum Berglen;
  • Ortsgeschichtliche Bücher über Berglen, Remshalden oder Murrhardt, die Burgen im Rems-Murr-Kreis oder die Siedlungs- und Weinbaugeschichte im Raum Waiblingen bis Winterbach oder die Mühlen im Rems-Murr-Kreis;
  • das Wörterbuch „Remstäler Schwäbisch“;
  • und, und, und.

Oder eben Gerhard Fritz’ „Katzengeschichten für Erwachsene“, in denen Kater Tutu aus seinem Leben erzählt. „Wir hatten da vor Weihnachten innerhalb von sieben Tagen 382 Stück verkauft. Nachdem die Leute davon in der Zeitung gelesen hatten, fanden sie ganz offenbar, das ist ein tolles Weihnachtsgeschenk“, sagt Hennecke.

Osiander und Thalia reagieren selbst auf Nachfragespitzen langsam

Gab’s hier wenigstens ein Happy End? „Na, ja, wir konnten an Osiander in Waiblingen und Backnang jeweils ein Exemplar des Katzenbüchleins liefern und an Osiander in Backnang 12. An Osiander Schorndorf keines, obwohl mir Kunden erzählt haben, dass sie es dort nachgefragt hätten. Im Gegensatz dazu haben die noch unabhängigen Buchhandlungen unkompliziert reagiert. Kreutzmann in Backnang hat 60 Stück verkauft, Donner in Plüderhausen 25 Stück und Blessings 4 you auch 25“, bilanzierte Hennecke am 23. Dezember, nachmittags.

Auf www.osiander.de oder www.thalia.de war das Katzenbüchlein am 23. Dezember immer noch nicht zu finden, auch nicht unter seiner ISBN 978-3-948138-08-0.

Kurz vor Weihnachten lief bei Dr. Manfred Hennecke in Remshalden-Buoch das Telefon heiß. „Alle halbe Stunde“ klingelte es sogar an seiner Haustür. Das kann passieren, wenn man als Kleinverleger süffisante „Katzengeschichten für Erwachsene“ des Murrhardter Historikers Prof. Gerhard Fritz vertreibt, aber vom immer mehr monopolisierten Groß-Buchhandel mit Missachtung gestraft wird. Die Leute hatten bei uns in der Zeitung von dem Büchlein gelesen und wollten es bestellen, der Buchhandel hatte es

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