Rems-Murr-Kreis

Marc Friedrich, Daniele Ganser, Ulrike Guérot: Anti-"Mainstream"-Gipfel in Gmünd

Dr. Daniele Ganser bei den Jazztagen Dresden
Der umstrittene Schweizer Historiker Daniele Ganser ist einer der Redner, die Marc Friedrich ins Remstal einlädt. © picture alliance / Andreas Weihs

Auf der Website des Waiblinger Buchautors Marc Friedrich prangt aktuell ein großer Schriftzug: „Das Remstal wird zum Mittelpunkt der freien Meinungsäußerung.“ Mit diesen Worten kündigt er eine Veranstaltung an, die am 5. und 6. Mai in der Manufaktur B 26 in Schwäbisch Gmünd stattfinden soll: „Marc lädt ein“. Und wen lädt er ein? Nun, das dürfte durchaus für Kontroversen sorgen.

„Mit dabei sind Top Speaker zu spannenden Themenbereichen wie Europa, Demokratie, Geldpolitik, erneuerbare Energien, Blackout, Gesundheitswesen und vieles mehr“, heißt es in der Ankündigung. Diese „Top-Speaker“ sind teilweise umstrittene Personen, deren fachliche Kompetenz von Experten infrage gestellt wird. Drei Namen stechen besonders heraus.

Daniele Ganser: Der selbst ernannte "Friedensforscher"

Dr. Daniele Ganser ist ein Schweizer Historiker, der sich selbst „Friedensforscher“ nennt. Publikationen im Bereich der Friedensforschung kann er aber nicht vorweisen. Große Bekanntheit erlangte Ganser mit seinen Äußerungen zum Terroranschlag vom 11. September 2001, den er als „False Flag Operation“ bezeichnet. Ähnlich, wenn auch weniger definitiv, äußerte er sich auch zum islamistischen Anschlag auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo in Paris 2015.

Kritiker werfen Ganser seit Jahren vor, unwissenschaftlich zu arbeiten und Verschwörungserzählungen zu verbreiten. Michael Butter, Professor für American Studies an der Universität Tübingen, bezeichnete Ganser gegenüber t-online als "Prototyp desjenigen Verschwörungstheoretikers, der vorgibt, nur Fragen zu stellen, implizit aber eine Verschwörungstheorie entwirft". Ganser wies solche Vorwürfe in der Vergangenheit stets von sich, es handle sich dabei um "Framing".

Deutschland ein "besetztes Land"? Die rechte Szene jubelt

Gansers Äußerungen finden bei Querdenkern, QAnon-Anhängern bis zur rechtsextremen Szene immer wieder Anklang und werden rege auf Telegram geteilt. Wiederholt sprach er von Deutschland als „besetztes Land“ – eine Formulierung, die man aus der Reichsbürger-Szene kennt. Er begründete das mit der Tatsache, dass in Deutschland Truppen des US-Militärs stationiert sind.

"Wahnsinn": Daniele Ganser und die NS-Vergleiche

Dazu kommen NS-Vergleiche. Ganser verglich sich in der Vergangenheit mehrfach indirekt mit den Geschwistern Scholl. Die Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“ wurden vom NS-Regime ermordet. In einer Pseudo-Dokumentation zur Corona-Pandemie nannte Ganser die systematische Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten in einem Atemzug mit der von ihm wahrgenommenen „Spaltung“ zwischen Geimpften und Ungeimpften.

Mehr noch: Er beschrieb die NS-Verbrechen als „lokal[en] … Wahnsinn“, die „Spaltung“ durch die Covid-Impfung als „weltweit[en] Wahnsinn“. Sozialpsychologin Pia Lamberty, Expertin für Verschwörungserzählungen bei CeMAS, sagte dazu gegenüber dem BR: "Die Aussagen von Ganser sind geschichtsrevisionistisch und holocaust-verharmlosend, und das ist eine Form des Antisemitismus.“

Einige Städte laden ihn aus – Marc Friedrich lädt Ganser ein

Zurzeit erregt Ganser vor allem durch seine Auftritte Aufmerksamkeit – gegen die sich Widerstand regt. Manche Auftritte wurden nach Protesten abgesagt, andere, wie der im Mai in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen, werden stattfinden. Eine Gegenkundgebung wurde bereits angekündigt. Dr. Michael Blume, Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus, nannte Ganser in unserem Bewegungsmelder-Podcast außerdem einen „Verschwörungsunternehmer“

Markus Krall: "Crash-Prophet" und "Verschwörungsunternehmer"

So bezeichnete Blume auch den nächsten Redner: Dr. Markus Krall ist Diplom-Volkswirt und länger schon Weggefährte von Marc Friedrich. Sie treten häufiger zusammen in Videos auf, teilweise auch bei gemeinsamen Talk-Formaten. Eine Gemeinsamkeit: Sowohl Friedrich als auch Krall werden von Kritikern als „Crash-Propheten“ bezeichnet.

"Demokratiefeind": Krall will allgemeines Wahlrecht abschaffen

Markus Krall ätzt auf Twitter regelmäßig gegen nach seiner Meinung unfähige Politiker und „Mainstream-Journalisten“. Er fordert eine „bürgerliche Revolution“, leugnet den menschengemachten Klimawandel und propagiert, Menschen, die Transferleistungen beziehen, das Wahlrecht zu entziehen. Nach Kralls Vorstellung, die sich auch in seinen Büchern niederschlägt, sollten sich Menschen zwischen dem Recht zu wählen und dem Beziehen von staatlichen Hilfen entscheiden müssen.

Mit dem Grundgesetz ist das nicht vereinbar. Krall schwebt eine gänzlich neue Verfassung vor, die auch einen Monarchen vorsieht. Wegen solcher Positionen nennt der Publizist und Soziologe Andreas Kemper, der sich ausführlich mit Kralls Aussagen und Werk auseinandergesetzt hat, ihn einen "Demokratiefeind". Krall selbst, das ist seinen Vorträgen zu entnehmen, nimmt sich dagegen als Verteidiger der Demokratie wahr.

Vorwürfe gegen Krall: Antisemitismus und AfD-Nähe

Ende November geriet Markus Krall in die Schlagzeilen, weil das Schweizer Bistum Chur einen mit ihm geplanten Vortrag wegen Antisemitismusvorwürfen wieder absagte. Dabei wurden auch Kralls politische Positionen kritisiert. Krall wies den Vorwurf des Antisemitismus vehement von sich und sagte gegenüber der NZZ, er behalte sich rechtliche Schritte vor.

Ebenfalls Ende November trennte sich der Goldhändler Degussa von Markus Krall, der dort mehrere Jahre Geschäftsführer war. Der Spiegel schrieb dazu, Krall sei „als Vertreter extrem rechter Thesen bekannt – und sieht seinen Fortgang offenbar als ‚Prüfung unseres Glaubens an Gott‘". Das Magazin wies darauf hin, dass Krall noch unter dem mittlerweile verstorbenen Degussa-Eigentümer August von Finck jr. eingestellt wurde. Dieser beförderte den Aufbau der AfD finanziell. Krall warb in der Vergangenheit offen für die Partei und trat bei AfD-Veranstaltungen als Redner auf. Nach eigenen Aussagen habe er die AfD aber nie selbst durch Spenden unterstützt.

Ulrike Guérot: Die Professorin, von der sich die Uni distanziert

Und noch eine umstrittene Person wird im Mai in Gmünd dabei sein: Marc Friedrich nennt Ulrike Guérot eine „gute Freundin“, die beiden seien „eng befreundet“. Guérot ist Professorin für Europapolitik an der Universität Bonn – offenbar aber nicht mehr lange.

Die Universität distanzierte sich bereits Ende 2022 von der Politikwissenschaftlerin. Im Buch „Endspiel Europa“, das Guérot gemeinsam mit Hauke Ritz verfasste, wird der Ukraine die Kriegstreiber-Rolle zugewiesen. Anfang 2023 kündigte die Universität der Professorin dann und begründete das mit bekannt gewordenen Plagiatsvorwürfen. Guérot beschrieb den Vorgang auf Twitter als beispiellos. Sie wolle juristisch dagegen vorgehen. In der FAZ heiß es dazu: „Plagiate sind in ihrem Fall so umfassend nachweisbar, dass Konsequenzen unausweichlich waren.“ 

Heldin der Querdenker-Szene: Die "Stimme des Postfaktischen"

Nicht erst seit ihren Äußerungen zum Krieg in der Ukraine ist Guérot umstritten. Sie ersetzt laut Die Zeit „systematisch Fakten durch Meinungen“, weshalb die Wochenzeitung sie als „Stimme des Postfaktischen“ bezeichnete. Während der Pandemie übte die Politikwissenschaftlerin scharfe Kritik an den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, gab Interviews auf verschwörungsideologischen Plattformen und wurde in der Querdenker-Szene als Heldin gefeiert. Sie selbst gab stets an, mit der Szene nichts am Hut zu haben.

"Exklusives Event": Tickets sind kaum noch zu haben

Ob das „exklusive Event“, wie Friedrich es ankündigt, für so viel Kritik sorgen wird, wie die Redner-Liste erahnen lässt, bleibt abzuwarten. Finanziell lohnen dürfte es sich allemal: Die Tickets für die Veranstaltung sind laut Website schon teilweise ausverkauft. Für den 5. Mai, an dem Daniele Ganser sprechen soll, gibt es bereits keine Karten mehr. Lediglich ein „Einzelticket“ für den 6. Mai wird noch angeboten. An diesem Tag sollen alle anderen Vorträge stattfinden. Preis: 249 Euro.

Auf der Website des Waiblinger Buchautors Marc Friedrich prangt aktuell ein großer Schriftzug: „Das Remstal wird zum Mittelpunkt der freien Meinungsäußerung.“ Mit diesen Worten kündigt er eine Veranstaltung an, die am 5. und 6. Mai in der Manufaktur B 26 in Schwäbisch Gmünd stattfinden soll: „Marc lädt ein“. Und wen lädt er ein? Nun, das dürfte durchaus für Kontroversen sorgen.

„Mit dabei sind Top Speaker zu spannenden Themenbereichen wie Europa, Demokratie, Geldpolitik, erneuerbare

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