Rems-Murr-Kreis

Nach Vorwürfen bleibt Schlachthaus der Metzgerei Kühnle zu: Umbau zieht sich hin

Tierquälerei in Schlachthof? - Metzgereibetrieb stellt Schlachtbetrieb ein - Veterinär geht mit Elektroschocker auf einzelne Tie
Mahnwache vor dem "Fleischmarkt" neben dem geschlossenen Schlachtbetrieb der Metzgerei Kühnle in Backnang am 26. August 2022. © 7aktuell.de | Kevin Lermer

„Unsere Mandantin modernisiert aktuell ihr Schlachthaus“, teilt Dr. Jörn Claßen, Rechtsanwalt der Metzgerei Kühnle, mit. Die Wiedereröffnung werde in der zweiten Jahreshälfte sein. Kühnle hatte seinen Schlachtbetrieb in Backnang nach Bekanntwerden von Vorwürfen des Soko Tierschutz e.V. Mitte August 2022 freiwillig geschlossen. Claßen verweist erneut auf ein Gutachten, das die Vorwürfe entkräften soll. „Das Gutachten ist das Papier nicht wert, auf dem es steht“, sagt Tierschützer Friedrich Mülln. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an.

Einige Umbauarbeiten im Backnanger Schlachthaus hätten bereits begonnen, weitere seien noch in der Genehmigungsphase, so Jörn Claßen.  „Das zuständige Baurechtsamt ist die Stadt Backnang“, teilt das Landratsamt mit. „Das Regierungspräsidium Stuttgart ist, als Zulassungsbehörde für Schlachtbetriebe dieser Größe, in das Verfahren eingebunden. Ein aktueller Bauantrag liegt seit Donnerstag (16.03.) vor.“

Der Umbau werde seit Dezember „in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen dem Veterinäramt des Rems-Murr-Kreises, dem Regierungspräsidium, der Firma Kühnle und den von ihr beauftragten Planern abgestimmt.“ Es seien bauliche und technische Ergänzungen zur nachhaltigen Verbesserung des Tierschutzes bei den Zutrieben von Schweinen und Rindern vorgesehen, so das Landratsamt.

Ermittlungen gegen wen?

„Der gesamte Prozess rund um die Vorwürfe im Schlachthaus Kühnle ist noch nicht abgeschlossen“, teilte der Verbraucherschutz-Dezernent des Landratsamts, Gerd Holzwarth, am Freitag (17.03.) mit. „Teilweise laufen noch Untersuchungen und Auswertungen. Auch sind noch staatsanwaltliche Ermittlungen anhängig.“ Staatsanwalt Dr. Patrick Fähnle bestätigt das und bittet um Verständnis, „dass wir aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit keine Einzelheiten mitteilen können“.

Anfang September 2022 hatte es seitens der Staatsanwaltschaft geheißen, man führe im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen das Schlachthaus ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen Verstoßes gegen § 17 Tierschutzgesetz. Infolge der Berichterstattung in den Medien seien weitere Strafanzeigen eingegangen.

Und: „Die mit dem Eindringen von Tierrechtsaktivisten in Gebäude verbundenen Straftaten können nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund eines rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB nicht rechtswidrig sein. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, kann zuverlässig erst mit hinreichend gesicherter Tatsachengrundlage bei Abschluss der Ermittlungen beurteilt werden.“

Eine kleine Chronologie der Ereignisse

Tierrechtsaktivisten hatten zwischen April und Juni 2022 heimlich Videoaufnahmen im Kühnle-Schlachthaus an der Sulzbacher Straße gemacht und dabei angeblich „erhebliche Verstöße gegen das Tierschutzgesetz“ dokumentiert. Auf Basis dessen stellte Friedrich Mülln, Vorsitzender des Soko Tierschutz e.V., am 8. Juli die erste Anzeige. „Wir haben der Polizei und der Staatsanwaltschaft auch umfangreiches Beweis-Videomaterial übergeben“, so Mülln. Daraufhin sendete das ARD-Magazin Report Mainz am 23. August einen Beitrag unter dem Titel „Schlachthofskandal: Veterinäre schauen bei Tierschutzverstößen weg“. Zahlreiche Medien-Berichte folgten – auch in dieser Zeitung. Mahnwachen und Protestaktionen von Tierrechtsaktivisten in Backnang folgten Ende August.

Friedrich Mülln schaut heute weiterhin gelassen auf die Ermittlungen gegen die Tierrechtsaktivisten, die durch die heimlichen Aufnahmen womöglich unter anderem Hausfriedensbruch begangen haben könnten: „Der rechtfertigende Notstand war ganz klar gegeben, da das Schlachthaus Kühnle unter Überwachung des Veterinäramts stand und steht und ganz offensichtlich zu wenig unternommen wurde, um Rechtsverstöße zu unterbinden.“ Die Soko Tierschutz habe schon x-Missstände in Schlachthäusern auf diese Weise aufgeklärt. „In keinem Fall wurden wir angeklagt und in jedem Fall wurden die Verfahren gegen uns eingestellt.“

Für eine Einstellung der Ermittlungen gegen Kühnle und dessen Mitarbeiter wiederum plädiert deren Anwalt, Jörn Claßen: „Die Vorwürfe der selbst ernannten ‘Soko Tierschutz’ gegen unsere Mandantin haben sich nach Einschätzung des unabhängigen Tierschutzinstituts BSI Schwarzenbek als falsch herausgestellt." Über ein entsprechendes BSI-Gutachten informierte Kühnle seine Kundschaft in Flyern im November 2022, berichtete die Backnanger Kreiszeitung

Claßen weiter: "Die Veterinäre des BSI haben die veröffentlichten Aufnahmen geprüft und konnten anhand dieser keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz feststellen.“ Krampfhafte Bewegungen von Tieren nach der Betäubung seien nicht unüblich und ließen keinen Rückschluss auf eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Betäubung zu.

Friedrich Mülln hingegen bezweifelt die Unabhängigkeit des „BSI Schwarzenbek“: „Das ist ein Institut, das Schlachter schult und berät und Teil der Branche ist. Die haben unser umfangreiches Videomaterial gar nicht gesehen. Kühnles Anwalt hätte übrigens Einsicht in das gesamte Videomaterial bei der Staatsanwaltschaft beantragen können.“ Nicht zuletzt sei in der Report-Mainz-Sendung der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz, Kai Braunmiller, zu Wort gekommen. Dieser habe die Vorwürfe bestätigt. „Wenn das BSI-Gutachten so überzeugend wäre, warum hat es dann Kühnle nicht veröffentlicht?“

Kehrtwende des Veterinäramts?

Das Landratsamt kommt laut Mitteilung von diesem Freitag (17.03.) zu dem Schluss: „Bei der Sichtung des öffentlich zugänglichen Filmmaterials durch Veterinäramt und Fachleute der Regierungspräsidien Stuttgart und Tübingen konnten die von der ‘Soko Tierschutz’ angeprangerten erheblichen tierschutzrechtlichen Verstöße nicht bestätigt werden.“

Eine Kehrtwende? Veterinäramtsleiter Dr. Thomas Pfisterer hatte dieser Zeitung noch am 23. August 2022 bestätigt, dass bestimmte Missstände und Mängel im Schlachtbetrieb Kühnle bei Kontrollen schon vor rund zwei Jahren (2020) bekanntgeworden und seither dokumentiert worden waren, aber alle Rechtsmittel nicht ausgereicht hätten, um eine Zwangsschließung des Betriebs durchzukriegen. Zudem wurde ein Veterinär schritflich ermahnt, der mit einer Treibhilfe in den Viehtrieb persönlich eingegriffen haben soll anstatt nur zu überwachen und zu dokumentieren.

„Unsere Mandantin modernisiert aktuell ihr Schlachthaus“, teilt Dr. Jörn Claßen, Rechtsanwalt der Metzgerei Kühnle, mit. Die Wiedereröffnung werde in der zweiten Jahreshälfte sein. Kühnle hatte seinen Schlachtbetrieb in Backnang nach Bekanntwerden von Vorwürfen des Soko Tierschutz e.V. Mitte August 2022 freiwillig geschlossen. Claßen verweist erneut auf ein Gutachten, das die Vorwürfe entkräften soll. „Das Gutachten ist das Papier nicht wert, auf dem es steht“, sagt Tierschützer Friedrich

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