Rems-Murr-Kreis

Putin und die Vernebelung: Gabriele Krone-Schmalz in Stetten - ein Kommentar

Shocking Footage Shows Aftermath Of Airstrike On Maternity Hospital In Mariupol, Ukraine
Standbild aus einem Video, das eine Klinik in Mariupol nach dem Beschuss zeigt. © Mariupol City Council/Cover Images

Es heißt, man solle Nachricht und Meinung sauber trennen – das machen wir jetzt mal mustergültig: Wir trennen radikal! Wenn Sie eine kompakte, gut lesbare Zusammenfassung des Vortrags von Gabriele Krone-Schmalz in Stetten wollen, klicken Sie bitte hier. Und wenn Sie an einer Meinung zu diesem Auftritt nicht interessiert sind, klicken Sie danach einfach nicht mehr zurück. Falls Ihnen indes an einem Kommentar gelegen ist, lesen Sie jetzt weiter.

Kriegsverbrechen, oder: Ein bisschen richtig ist vor allem falsch

Kriegsverbrechen, hat Gabriele Krone-Schmalz in Stetten gesagt, gebe es im Ukraine-Krieg auf beiden Seiten.

In gewisser Weise mag der Satz richtig sein; die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass auch ukrainische Kämpfer schon russische Kriegsgefangene ohne Gerichtsverfahren erschossen haben.

Vor allem aber ist der Satz empörend falsch, denn er lässt die grauenhaft offensichtliche Wahrheit, wer hier Täter und wer Opfer ist, hinter einem rhetorischen Nebelschleier aus Einerseits und Andererseits verschwinden: In diesem Krieg begeht eine Seite Kriegsverbrechen in schrecklicher Fülle, barbarischem Ausmaß, systematischer Konsequenz.

Die Toten von Butscha, Kramatorsk, Mariupol, Charkiw, Popasna ...

Seit Kriegsbeginn beklagt die Ukraine Tausende, vielleicht zehntausend, vielleicht mehr zivile Opfer: Sie wurden zu Tode gefoltert beim Massaker von Butscha, begraben unter Trümmern bei der Bombardierung des Bahnhofs von Kramatorsk, zerfetzt bei der Zerstörung von Wohngebieten, eines Theaters und einer Geburtsklinik in Mariupol, ermordet beim Raketenangriff auf das Einkaufszentrum von Krementschuk, sie starben in Charkiw, Mykolajiw, Wuhledar, wo Schulen und Krankenhäuser mit Streumunition überzogen wurden, sie verbrannten in Popasna, wo eine nach der Genfer Konvention geächtete Phosphorbombe in einem Altenheim einschlug.

Das sind die Toten; vergessen wir darüber nicht die Verstümmelten und Traumatisierten, nicht die vergewaltigten Frauen und deportierten Kinder, nicht die Hungernden und im Dunkeln Sitzenden, wenn Putin wieder einmal Kraft- und Umspannwerke, Stromleitungen und Staudämme zerstören lässt, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren.

Kriegsverbrechen auf beiden Seiten? Man sollte sich vielleicht nicht zu sehr wundern über diese Einordnung. Nachdem 2014 Russland die Krim völkerrechtswidrig annektiert hatte, schrieb Gabriele Krone-Schmalz: „Was Putin getan hat, ist keine Landnahme, sondern Notwehr unter Zeitdruck.“

Sasse, Belton, Schlögel: Drei Gegenvorschläge

Wir wollen nicht so deprimierend enden, deshalb drei produktive Vorschläge zum Schluss:

Wer sich ein fundiertes Bild über diesen Krieg und seine Vorgeschichte verschaffen möchte, findet im Buch „Der Krieg gegen die Ukraine“ eine ausgezeichnete, kompakte Einführung, die Autorin Gwendolyn Sasse ist wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa-Studien in Berlin.

Dass das russische Regime im Kern ein System der organisierten Kriminalität ist, belegt gründlichst Catherine Belton in ihrem investigativen Meisterwerk „Putins Netz“.

Und wer ein Gegenmittel zu Halb- und Viertelwahrheiten über die Ukraine in manchem russlandfreundlichen Vortrag sucht, liegt mit Karl Schlögels Buch „Entscheidung in Kiew: Ukrainische Lektionen“ goldrichtig.

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