Rems-Murr-Kreis

Querdenker-Partei empfiehlt Ivermectin gegen Corona - Experten schlagen Alarm

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Symbolfoto. © Pixabay (CC0)

Eine PDF-Datei macht aktuell in Telegram-Kanälen aus dem Rems-Murr-Kreis die Runde: die erste Mitgliederzeitung der "AG BasisGesundheit" der Querdenker-Partei Die Basis, die auch im Rems-Murr-Kreis aktiv ist. Die Autoren verweisen darin auf mehrere, angeblich hilfreiche Quellen für Gesundheitstipps.

Unter diesen Quellen findet sich neben einem Telegram-Kanal auch ein "Kompendium zur Selbstbehandlung mit Empfehlungen amerikanischer Ärzte". Covid-19-Therapien für die Hausapotheke, sozusagen. Ein Link führt interessierte Leser direkt zur Broschüre.

Angebliches Wundermittel: Nicht zur Covid-19-Therapie zugelassen

Dazu heißt es in der Basis-Zeitung: "Einige der hierin empfohlenen Medikamente sind in Deutschland nicht zur Therapie von Covid-19 zugelassen, insbesondere Ivermectin." Obwohl dieses Medikament doch wirksam sei und in vielen Ländern eingesetzt werde.

Aber stimmt das? Was ist dran am angeblichen Wundermittel? Wird einem hier in doppelter Hinsicht was vom Pferd erzählt? Und warum raten Gesundheitsbehörden, dringend die Finger davon zu lassen? Ein Faktencheck.

Von Tieren und Würmern: Was ist Ivermectin?

Ivermectin ist ein Entwurmungsmittel, das vor allem in der Tiermedizin bei Pferden und Rindern eingesetzt wird. Für den Einsatz beim Menschen ist es lediglich für die Behandlung von bestimmten Krätzemilben und Fadenwürmern zugelassen. Das Medikament ist verschreibungspflichtig.

In der Querdenker-Szene wird Ivermectin seit längerem als Möglichkeit angepriesen, Covid-19 zu behandeln und damit einer Corona-Impfung zu entgehen. Diese Annahme hat ihren Ursprung in wissenschaftlicher Forschung – berücksichtigt aber nicht den aktuellen Stand der Erkenntnisse.

Ivermectin und Corona: Die Studienlage

Vorneweg: Belege, dass Ivermectin gegen eine Covid-Erkrankung in irgendeiner Form helfen könne, gibt es bislang keine. Es stehen aber noch Ergebnisse von Studien aus, die derzeit laufen.

Die Wirkung von Ivermectin auf das Coronavirus wurde bereits zu Beginn der Pandemie in Laborexperimenten untersucht. Dabei fanden Forscher heraus, dass das Mittel möglicherweise die Vermehrung des Virus blockieren könnte.

Warum möglicherweise? Bei diesen Experimenten wurde Ivermectin lediglich in Zellkulturen eingesetzt. Und das in einer Konzentration, die deutlich höher liegt als das, was für Menschen bislang zugelassen ist.

Studien mit Schwächen: Limitiert, ungenau, gefälscht

In der Folge wurde das Mittel von Forschern auch bei Menschen in niedrigerer Dosierung angewandt. Manche Studien kamen zu dem Schluss, dass Ivermectin durchaus wirksam sei gegen eine Covid-19-Erkrankung. Im Nachhinein wurden diesen Studien aber erhebliche Schwächen nachgewiesen – von methodischen Ungenauigkeiten bis hin zum Vorwurf der Fälschung.

Im Fachmagazin "Nature Medicine" hieß es dazu sinngemäß: Kaum hinterfragte Studienergebnisse, die bei der simpelsten Prüfung in sich zusammenfielen, haben zu unangemessenem Vertrauen in Ivermectin geführt. Was möglicherweise zur Folge hatte, dass Patienten rund um die Welt nicht die notwendige Behandlung zuteilwurde.

Finger weg: Das sagen Gesundheitsbehörden

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schließt sich dieser Einschätzung an und rät, Ivermectin aktuell nur im Rahmen von klinischen Studien einzusetzen.

Und die Länder, in denen Ivermectin angeblich so erfolgreich gegen Covid-19 eingesetzt wird? Die haben eine Empfehlung des Mittels teilweise nach wenigen Monaten wieder zurückgenommen. Oder betonen, dass die Wirksamkeit des Medikaments nicht belegt ist.

In den USA und Österreich wird Ivermectin trotzdem immer wieder von Menschen zur Eigentherapie angewendet. In Apotheken ist es zeitweise ausverkauft. Und das obwohl Gesundheitsbehörden beider Länder sowie die Europäische Arzneimittelbehörde EMA vor der Einnahme warnen.

FDA stellt klar: "Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh."

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA sah sich gar zu folgendem Statement genötigt: "You are not a horse. You are not a cow. Seriously, y'all. Stop it." Übersetzt heißt das in etwa: "Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh. Ernsthaft, Leute. Lasst es."

In den USA hatte die Einnahme des Entwurmungsmittels ohne ärztliche Anleitung offenbar zu zahlreichen Anrufen beim Giftnotruftelefon geführt. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) warnt vor dem "Risiko der schwerwiegenden Toxizität bei unkontrollierter Anwendung".

Experten warnen in diesem Zusammenhang vor allem vor der Gefahr einer Überdosierung. Vor allem wenn Präparate angewendet werden, deren Dosierung für schwere Tiere gedacht ist.

Trotz aller Warnungen: Querdenker und Parteien halten Ivermectin im Gespräch

Trotz all dieser Warnungen empfehlen Corona-Leugner und Querdenker im englisch- und deutschsprachigen Raum immer noch, die Entwurmungskur gegen Covid-19 anzuwenden. Und verbreiten diese Empfehlungen über den Messenger-Dienst Telegram.

Unterstützt werden sie dabei von Politikern und Parteien, die der Szene nahestehen. Auch in Deutschland. Neben der Querdenker-Partei Die Basis sprach sich beispielsweise der AfD-Politiker Hans-Christoph Berndt kürzlich für Behandlungen mit Ivermectin aus.

Beispiellos bliebt bislang aber der Einfluss der FPÖ in Österreich: Parteichef Herbert Kickl brachte das angebliche Wundermittel dort ins Gespräch und löste damit einen Ansturm auf die Apotheken aus. Mit Corona infizierte er sich trotzdem.

Eine PDF-Datei macht aktuell in Telegram-Kanälen aus dem Rems-Murr-Kreis die Runde: die erste Mitgliederzeitung der "AG BasisGesundheit" der Querdenker-Partei Die Basis, die auch im Rems-Murr-Kreis aktiv ist. Die Autoren verweisen darin auf mehrere, angeblich hilfreiche Quellen für Gesundheitstipps.

Unter diesen Quellen findet sich neben einem Telegram-Kanal auch ein "Kompendium zur Selbstbehandlung mit Empfehlungen amerikanischer Ärzte". Covid-19-Therapien für die Hausapotheke,

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