Therapie am ZfP Winnenden: Können Alkoholiker kontrolliert trinken lernen?

7,9 Millionen Deutsche zwischen 18 und 64 Jahren konsumieren nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Einen problematischen Alkoholkonsum haben etwa neun Millionen Menschen dieser Altersgruppe. Durchschnittlich werden pro Kopf und Jahr rund zehn Liter reinen Alkohols konsumiert. „Alkohol ist nach wie vor die Volksdroge Nummer eins“, sagt Dr. Julia Pach, Oberärztin an der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung am ZfP Winnenden. Das liege auch daran, dass Alkohol günstig und einfach verfügbar sei und es sozial anerkannt sei, auch größere Mengen zu trinken, denke man etwa ans Volksfest. Dass Alkohol das Risiko erhöht, chronische Krankheiten wie Krebs oder Erkrankungen von Herz, Kreislauf und Leber zu bekommen, dürfte jedem bewusst sein. Dennoch können sich viele Menschen nicht vorstellen, ganz auf Alkohol zu verzichten – und die völlige Abstinenz ist nicht mehr die einzige Behandlung.
„Dry January“: Bringt das was?
Julia Pach hält einen trockenen Januar für eine gute Idee. „Es kann ein guter Einstieg sein, das eigene Trinkverhalten zu verändern, weil man in diesem Monat merkt, ob einem der Verzicht schwer- oder leichtfällt.“ Löse die Abstinenz körperliche Entzugserscheinungen aus wie beispielsweise Schwitzen, Zittern oder starke Unruhe, sei dies ein sehr deutliches Warnzeichen. Aber auch wer feststelle, dass das Verlangen nach Alkohol sehr stark sei und es ihm ohne das Bier oder den Wein am Abend schwerfalle, sich zu entspannen, sollte seinen Alkoholkonsum hinterfragen.
Welche Menge Alkohol ist problematisch?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert einen riskanten Konsum von Alkohol so: Frauen sollten, um ihre Gesundheit nicht zu gefährden, täglich nicht mehr als zwölf Gramm Alkohol zu sich nehmen, Männer nicht mehr als 24 Gramm. Zwölf Gramm entsprechen etwa einem kleinen Bier (0,3 Liter) oder einem Glas Sekt.
Dass Alkohol dem Körper schadet und es für die Gesundheit besser ist, nichts zu trinken, weiß jeder. Doch wann ist man tatsächlich alkoholabhängig? „Die Trinkmenge oder die Anzahl der Trinktage ist weniger entscheidend“, sagt Pach. Vielmehr zeige sich eine Sucht beispielsweise am Verlangen nach Alkohol, an körperlichen Symptomen, daran, dass Patienten andere Dinge wie etwa Hobbys vernachlässigten oder bereits einmal wegen ihres Alkoholkonsums Probleme bei der Arbeit oder in der Beziehung aufgetreten seien. „Wer dauerhaft ein Glas Wein pro Tag trinkt und damit zufrieden ist, ist nicht unbedingt abhängig. Wer aber die Dosis nach und nach steigert, schon“, so die Medizinerin.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Lange Zeit galt die völlige Abstinenz als einzige Behandlungsmöglichkeit einer Alkoholsucht. Die Therapie beginnt dann in der Regel mit einer dreiwöchigen Entgiftung, die entweder stationär oder in der Tagesklinik durchgeführt wird. Schon nach einer Woche normalisiert sich der Schlafrhythmus, Sodbrennen und Übelkeit verschwinden und die Motivation steigt. Für viele Menschen sei die völlige Abstinenz jedoch nicht vorstellbar, sagt Pach. Die Folge: Sie wissen, dass sie zu viel trinken, suchen sich aber keine Hilfe, obwohl sie gerne ihr Trinkverhalten ändern würden. Seit rund einem Jahr arbeiten die Ärzte der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung deshalb in der Therapie auch mit dem sogenannten kontrollierten Konsum. Diese Form der Therapie ist in der Regel ambulant, soll aber bald auch in der Tagesklinik möglich sein. „Wir erreichen mit den Möglichkeiten des kontrollierten Konsums auch Menschen, die sonst gar nicht kommen würden.“ Auch kämen Patienten durch diese Option früher.
Was ist kontrollierter Konsum?
Beim kontrollierten Konsum setzen sich die Patienten selbst Ziele, beispielsweise, wie viele alkoholfreie Tage pro Woche sie schaffen wollen und welche maximale Alkoholmenge pro Tag und Woche erlaubt ist. Dies wird in einem Tagebuch dokumentiert und in regelmäßigen Gesprächen mit den Therapeuten ausgewertet. Wichtig sei, sowohl die Vorteile des geringeren Konsums wahrzunehmen als auch zu thematisieren, was den Menschen fehle, wenn sie nicht trinken. „Der Alkohol hat für die Menschen eine Funktion. Wer sich beispielsweise durch den Alkohol entspannt hat, der braucht eine Alternative dazu, die zu ihm passt. Das kann ein Yogakurs, ein Spaziergang oder auch Musik sein“, so Julia Pach.
Was können Angehörige oder Freunde tun, die das Gefühl haben, dass jemand aus ihrem Umfeld zu viel trinkt?
„Zwingen, zur Beratung zu gehen, kann man niemanden. Das bringt auch nichts, solange demjenigen die Einsicht fehlt“, sagt Julia Pach. Stattdessen könne man seine Sorge ausdrücken, immer wieder Angebote machen. Vor allem aber müssten Angehörige oder Partner auch nach sich schauen, denn eine Suchterkrankung ist meist ein jahrelanger Leidensweg.
Wohin wenden sich Menschen, die selbst bemerken, dass sie zu viel trinken?
Erste Anlaufstellen sind Suchtberatungen. Auch die Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung am ZfP Winnenden bietet eine Institutsambulanz an, unter Tel. 0 71 95/9 00-28 90 (Montag bis Freitag: 8 bis 12 Uhr und 13 bis 16 Uhr) können Betroffene einen Termin für ein unverbindliches erstes Gespräch vereinbaren.