Rems-Murr-Kreis

TikTok-Hype: Warum "King Thomas Hornauer" und sein TAM Dance viral gehen

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Thomas Hornauer, hier in bürgerlichem Gewande. © Benjamin Büttner

Lachen die mit ihm? Lachen sie über ihn? Oder finden sie’s einfach irgendwie angenehm seltsam? Egal – jedenfalls, Thomas Hornauer, 62, aus Plüderhausen geht viral: Auf der Video-Plattform TikTok hat der selbst ernannte König eine riesige jugendliche Gefolgschaft quer durch die Republik.

"Herz 5"! König Thomas Hornauer grüßt

Fernöstliche Mönchsgesänge brummen im Hintergrund, an der Wand hängt ein Mandala, Hornauer sitzt da und trägt sein casual Werktags-Outfit: goldene Krone, goldenes Prunkgewand. „Gleich bin ich live“, sagt er auf seinem TikTok-Kanal „King Thomas Majestät of German“ – bitte nachher den Livestream einschalten! Dann spendet er noch den Hornauer-Segen: „Herz 5.“

Dieses Video hat bislang 4,2 Millionen Aufrufe. Vier. Komma. Zwo.

In der Kommentarspalte darunter tummeln sich Eingeweihte neben Neulingen: Manche grüßen routiniert mit „Herz 5“ oder auch „Darm 7“ zurück, andere spötteln („Mein Therapeut glaubt das alles nicht mehr“) oder fragen: „Kann mir einer den Sinn von dem Ganzen erklären?“

Tja. Wenn wir das könnten. Das Markante an Thomas Hornauer ist ja: Bei jemandem, der optisch so grandios schrill auftritt, ist man automatisch geneigt, erst mal zu denken, dass es gleich, wenn der auch noch den Mund aufmacht, bestimmt irre geistreich wird – und genau das kann man von Hornauer nun nicht direkt sagen.

Bei Kurt Krömer war Hornauer nicht so dolle

Einmal war er in der Talkshow von Kurt Krömer. Der versuchte es mit milden Fragen oder gemeinen, lustigen oder ernsten – und erntete immer nur Gebrummel, so schleppend vorgetragen, dass man sich unwillkürlich nach einer Kurbel umschaute, an der man drehen kann, damit das schneller geht. „Jetzt könnten Sie antworten“, mahnte Krömer, wenn Hornauer zwischenzeitlich ganz verstummte, „die Frage ist gestellt.“ Am Ende seufzte der Moderator: „Man lädt sich 'nen König ein und dann kommt gar nix.“

Auf TikTok aber hat Hornauer jetzt einen Nerv getroffen; wenngleich nicht mal Neurologen ergründen können, welchen. Seine Events gehen durch die Decke.

Thomas Hornauer und die Kapillarkraft

Der Tanz-Livestream: eine Art Ganzkörper-Online-Konferenz. Hornauer, im Bildschirmeck links oben, fährt Mucke vom Band ab, ein halb treibender, halb einlullender Beat, dazu macht der Meister, hinterm Keyboard sitzend, zusätzliche Schnurpselgeräusche am Synthesizer. Daneben und darunter sind junge Leute zu sehen, die sich aus ihren Wohnungen per Heimkamera zugeschaltet haben und tanzen. Manche schaukeln eher nur so vor sich hin, andere schlenkern dynamisch die Arme.

Wenn jemand sich zu steif bewegt, gibt Tanzlehrer Hornauer Korrekturhinweise: „Bisschen so in die Knie – rein ins Wurzelchakra.“ Wenn jemand gar zu exaltierte Dance-Moves zelebriert, wird der König streng: „Ich nehm dich runter, Freddi! Mach keine Show, es geht mir genau darum, dass wir keine Show machen!“

Virtuosität ist hier eindeutig nicht das Thema: „Lass alles Gelernte weg, alle künstlichen Schritte, du tanzt einfach nur, links links rechts rechts links links rechts rechts.“ Der Effekt, erklärt Naturheiler Hornauer, ist epochal: Im Tanz „schleudert die Kapillarkraft dir das Toxische aus der Zelle“.

TAM Dance: Wie die Götter Hornauer catchten

Es nennt sich TAM Dance. TAM steht, wie der Titel eines Hornauerschen Youtube-Videos verrät, für „transendale aktiv Meditations Tänze“, und sorry, für die Rechtschreibung können wir nichts. Eines Tages, hat Hornauer mal erzählt, habe er gemeinsam mit ein paar Musikern beschlossen: „Wir müssen den Menschen wieder etwas Neues geben“, müssen „alle Dimensionen sprengen“. Gesucht: „ein Kulturelement, das dem Zeitgeist gerecht ist.“

Schließlich hätten „die Götter uns gecatcht“, Hornauer & Co fanden „diesen Beat“: Es gibt eine Techno-, eine lateinamerikanische und eine arabische Variante. „Die Geschwindigkeit ist immer dieselbe: 99“. Oder um es mit Kurt Krömer zu sagen: „Ick fand das streckenweise gar nicht mal so interessant.“ Aber man kann es eben nicht erklären, man muss es erleben.

Auf jeden Fall besser als Detlef D! Soost

Hornauer, Jahrgang 1960, wurde zum Multimillionär mit 0190er-Hotlines, auch sogenannte Stöhnnummern sollen dabei gewesen sein; er kaufte den Regionalsender B.TV, um dort Wahrsager, Kartenleger und Hellseher auftreten zu lassen; eine Zeit lang bezeichnete er sich als afrikanischen Yoruba-Prinzen; und eine Religion stiftete er auch, den Christbuddhismus (und vor Gericht zog er auch mal) – im Vergleich dazu ist der TAM Dance geradezu spektakulär unspektakulär: bisschen Dudelmusik, bisschen Gelaber, bisschen Gehopse. Aber: reichweitenmäßig der helle Wahnsinn.

Und ganz ehrlich: Im Vergleich zu Detlef D! Soost, der vor 20 Jahren bei der Casting-Show „Popstars“ wie der Leiter eines Bootcamps jungen Leuten, die von einer Karriere träumten, Synchronschritte eindrillte, ist Tanzlehrer Hornauer ein, jawohl, sympathisches Gegenprogramm. Der Detlefsche Strebermist, bei dem junge Leute sich demütigen und zu stählerner Leistungsethik verdonnern lassen mussten, um am Ende doch kein Popstar zu werden, verkörperte traurig präzise den Selbstoptimierungswahn der neoliberalen 2000er Jahre. Der TAM Dance hingegen: Eine Prise Trance, ein Schuss Langeweile, ab und zu was zum Lachen, über wen oder was auch immer – nicht das Schlechteste in diesen von Corona, Krieg und Zukunftsangst zerwühlten Zeiten.

Bizarr? Schon. Aber vielleicht hat Hornauer tatsächlich recht: Womöglich hat er den Zeitgeist getroffen.

Lachen die mit ihm? Lachen sie über ihn? Oder finden sie’s einfach irgendwie angenehm seltsam? Egal – jedenfalls, Thomas Hornauer, 62, aus Plüderhausen geht viral: Auf der Video-Plattform TikTok hat der selbst ernannte König eine riesige jugendliche Gefolgschaft quer durch die Republik.

"Herz 5"! König Thomas Hornauer grüßt

Fernöstliche Mönchsgesänge brummen im Hintergrund, an der Wand hängt ein Mandala, Hornauer sitzt da und trägt sein casual Werktags-Outfit: goldene Krone,

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