Wohninvest: Warum sich Harald Panzer aus der Geschäftsführung zurückzieht

Harald Panzers im Rems-Murr-Kreis nachgerade allgegenwärtiges Immobilien-Unternehmen Wohninvest wächst auch in der Corona-Krise stürmisch, aber der Gründer zieht sich jetzt aus dem operativen Geschäft zurück, aufgrund zweier Bandscheibenvorfälle; und auch mit ganz anderem Ärger muss Panzer sich herumschlagen ...
Er ist eine der spektakulärsten Gestalten des Rems-Murr-Wirtschaftslebens, bei Oberbürgermeistern so bekannt wie bei TVB-Stuttgart-Fans und Werder-Bremen-Verehrern – jetzt gibt Harald Panzer „gesundheitsbedingt“ die Geschäftsführung seiner Wohninvest-Gruppe mit Sitz in Fellbach ab: an Dominik Sikler, 36. Sikler wurde bereits 2016 zum Chef der operativen Gesellschaften bestellt, nun übernimmt er die Geschäftsführung ganz. Panzer, der derzeit wegen seines zweiten Bandscheibenvorfalls binnen neun Monaten in Reha ist, erklärt: Er trete „mit Freude und aus voller Überzeugung“ in die zweite Reihe. Dominik Sikler habe „in den vergangenen Jahren bereits den Weg der Wohninvest-Unternehmensgruppe maßgeblich mitbestimmt. Er wird mit unserem hoch qualifizierten Team die positive Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzen. Als Hauptgesellschafter stehe ich der Geschäftsführung selbstverständlich jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. In den nächsten Wochen steht aber vor allem auch meine Gesundheit für mich im Mittelpunkt“.
Wohninvest: Eine Erfolgsgeschichte im Rekordtempo
Seit 2005 hat Harald Panzer in recht kurzer Zeit aus einer Art Start-up-Unternehmen einen Immobilienkoloss gemacht, spezialisiert auf Erwerb, Entwicklung und Verkauf von Einkaufszentren, Bürogebäuden, Industriearealen, Wohnkomplexen: 2019 arbeiteten bei Wohninvest bereits 80 Beschäftigte und generierten 200 Millionen Euro Jahresumsatz, mittlerweile beschäftigt die Firmengruppe gar rund 200 Leute, der Umsatz ging 2020 auf etwa 300 Millionen hoch.
Spektakulär ist auch das Wohninvest-Sportsponsoring: Von Panzers Geldspritzen profitiert zum Beispiel Handball-Bundesligist TVB Stuttgart. Auch Ringerstar Frank Stäbler wäre ohne diese Unterstützung womöglich nicht dreimal Weltmeister und Olympiadritter geworden. Und für 30 Millionen Euro über eine Laufzeit von zehn Jahren hat Panzer die Namensrechte an der Heimat des Fußball-Traditionsclubs Werder Bremen erworben: Die Spielstätte heißt seither „Wohninvest Weserstadion“. Panzers Name fällt sogar immer wieder, wenn Insider über die Suche nach einem weiteren Großsponsor für den VfB Stuttgart spekulieren – über das Raun- und Murmel-Stadium hinaus ist dieses Gerücht aber nie gediehen.
Im Rems-Murr-Kreis wirkt Panzers Tätigkeit mittlerweile vielerorts stadtbildprägend: Er hat zum Beispiel das traditionsreiche Waiblinger Hotel Koch gekauft, abgerissen und lässt jetzt ein zweieinhalb mal so großes Haus der Kette Loginn Achat mit 136 Doppelzimmern hochziehen für 22 Millionen Euro. Die Neue Ortsmitte in Schwaikheim – 46 Wohnungen und ein Edeka-Markt – hat Panzer als privates Investment gekauft. Und Wohninvest erwarb 38 Wohnungen, die auf dem Areal des ehemaligen Waiblinger Krankenhauses die Kreisbaugruppe hochzieht.
Ein schwebendes Verfahren: Wie war das mit den WGS-Immobilien?
Neben der Bandscheibe drückt Panzer derzeit allerdings noch ein Problem: ein juristisches. Um es zu erklären, muss man etwas ausholen. Denn bereits die Vorgeschichte – wenngleich Panzer darin noch gar nicht involviert war – ist delikat: Alles begann mit der wohl spektakulärsten Immo-Pleite in der Geschichte des Großraums Stuttgart ...
In den 90er Jahren galten die sogenannten WGS-Fonds der Wohnungsbaugesellschaft Stuttgart als heißer Tipp: Zehntausende von Privatanlegern erwarben Anteile an insgesamt 41 Gebäuden und spekulierten im Gegenzug auf hohe Mieteinnahmen. Auch Volksbanken und Sparkassen vertrieben die Anteile – aber die Fonds-Prospekte machten teils haarsträubend überzogene Hoffnungen; in einem Fall soll sogar die Geschosszahl eines Gebäudes falsch angegeben gewesen sein. Die Mieten, die erzielt wurden, blieben, wen wundert's, krass hinter dem vollmundig Versprochenen zurück, die WGS ging in Konkurs, ihr Initiator auf Jahre ins Gefängnis, und die Anleger blieben auf ihren Anteilen sitzen; einen Zweitmarkt, um sie abzustoßen, gab es nicht.
Mit diesen Machenschaften hat Harald Panzer wie gesagt nicht das Geringste zu tun; aber in den 2010er Jahren kaufte er einer mittlerweile eingesetzten Gebäudeverwaltungsgesellschaft diverse WGS-Fonds-Gebäude ab: mit Zustimmung der jeweiligen Anleger, die wohl froh waren, ihre Anteile loszuwerden und endlich doch noch Geld zu bekommen.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hegt allerdings den Verdacht, dass der Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft vier der Immobilien „trotz vorliegender höherer Angebote von Konkurrenten beziehungsweise zu nicht marktgerechten Preisen“, also „unter Wert“ verkauft haben soll, „zum Nachteil der Anleger“. Dabei sollen laut Staatsanwaltschaft zwischen Immobilien-Verkäufer und Käufer „für die Bevorzugung bei den Veräußerungen Geldzahlungen vereinbart gewesen sein“.
Ende offen - Wohninvest floriert derweil weiter
Ob diese Belastungshypothese stichhaltig ist, steht derzeit in den Sternen. Die Anklageschrift liegt beim Landgericht, das nun zu entscheiden hat, ob ein Verfahren eröffnet wird. Panzer selber sagt dazu, seine Anwälte seien gerade dabei, für das Gericht eine Gegen-Stellungnahme zu erarbeiten.
Derweil bleibt Wohninvest – Bandscheibenknirschen hin, juristischer Ärger her – ein hochaktiver und erfolgreicher Player im Immobiliengeschäft. Nur zwei Beispiele aus jüngster Zeit: Laut Immobilienzeitung hat Wohninvest ein Fachmarktzentrum im südhessischen Groß-Umstadt verkauft – und das „Bochumer Fenster“, ein Hochhaus in bester Lage, gekauft; sogar die WAZ berichtete vom „Millionendeal“ im Ruhrpott.