Stuttgart & Region

AfD-Demo in Stuttgart (12.11.): "Die gehören aus den Parlamenten herausgejagt!“

AfD Demo Stuttgart 12.11. Marktplatz
Etwas mehr als 300 Menschen besuchten am Samstag (12.11.) in Stuttgart eine Kundgebung der AfD. © ZVW/Gabriel Habermann

„Ganz Stuttgart hasst die AfD!“ – mit diesem Sprechchor wurden wir am Samstag (12.11) kurz nach 15 Uhr beim Marktplatz begrüßt, wo die "Alternative für Deutschland" eine Kundgebung angekündigt hatte. Mehrere Hundert Menschen waren gekommen, um dagegen zu protestieren.

Die Demonstrierenden sahen sich zwei Wasserwerfern gegenüber, Zäune und Dutzende Polizeibeamte trennten die Menge von der noch eher leeren Fläche, auf der später die AfD-Demo stattfinden sollte. Das Motto: „Wehrt euch gegen Armut, Not und Kälte.“

„Unser Land zuerst!“ wird „Deutschland zuerst!“

Hinter den Zäunen standen zu diesem Zeitpunkt überwiegend Männer, junge wie alte. Und auch wenn später noch einige Demonstrierende ihren Weg auf den Marktplatz fanden – von den angemeldeten 1000 kamen lediglich etwas über 300 Menschen. Vor dem Stuttgarter Rathaus wehten Deutschlandflaggen, Fahnen der AfD und ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA). Und manche hielten Herzen hoch, auf denen sich der Slogan der neuen AfD-Protestkampagne fand: „Unser Land zuerst!“

Der Stuttgarter AfD-Bundestagsabgeordnete Dr. Dirk Spaniel machte daraus auf der Bühne später: „Deutschland zuerst!“ – ein Slogan, der in dieser Form seit langem von der extremen Rechten in Deutschland genutzt wird. Der Journalist Maik Baumgärtner hatte erst wenige Stunden zuvor auf Twitter darauf aufmerksam gemacht, dass rechtsextreme Parteien den Spruch schon seit den späten 1980ern verwendeten.

Kampf um die Straße: AfD und Querdenker-Szene

Zuerst war aber Geduld angesagt: Die Demonstration verzögerte sich um eine geschlagene halbe Stunde, der Bühnen-Lkw war nicht rechtzeitig vor Ort. Als die Kundgebung dann gegen 16 Uhr startete, wurden zwei bemerkenswerte Durchsagen gemacht: Man wolle „keine verfassungsfeindlichen Symbole“ sehen, hieß es. Und es sollen keine Symbole von „Konkurrenz-Organisationen“ auf der Demo gezeigt werden.

Ersteres ist bemerkenswert, weil zu diesem Zeitpunkt weiterhin mehrere Fahnen der „Jungen Alternative“ (JA) auf dem Marktplatz wehten. Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die JA Baden-Württemberg und stuft sie als rechtsextrem ein. Es „liegen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor“, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Auch der Landesverband der AfD in Baden-Württemberg, der die Demonstration am Samstag veranstaltet hatte, steht als Verdachtsfall unter Beobachtung.

Zweiteres ist bemerkenswert, weil es zeigt, welchen Kampf die AfD am Samstag auch führte: Den Kampf um die Vorherrschaft auf der Straße. Die Kundgebung war ein Versuch von vielen, die Deutungshoheit über das Protestgeschehen zurückzuerlangen, die in den letzten zweieinhalb Jahren vor allem die Querdenker-Szene für sich beanspruchte. Die Szene war auf der AfD-Demo ebenfalls vertreten, unter anderem mit „Free Michael Ballweg“-Plakaten.

Spaniel: „Sanktionen hätte es mit uns nie gegeben“

Auf der Bühne ging es wie angekündigt auch um Inflation, Energie-Krise und den Ukraine-Krieg. „Diese Sanktionen [gegen Russland, Anm. d. Red.] hätte es mit uns nie gegeben“, sagte Dirk Spaniel. Die meiste Zeit über bestimmten aber andere Themen die Reden der AfD-Abgeordneten.

Der Landtagsabgeordnete Rüdiger Klos sprach beispielsweise über inklusive Sprache als „Gendergeschwätz“, bezeichnete Gendersternchen als „Angriff auf die deutsche Sprache“, die uns „weggenommen“ werden solle und machte Stimmung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

AfD Demo Stuttgart 12.11. Marktplatz Emil Sänze
Emil Sänze. © ZVW/Gabriel Habermann

Ein weiteres Thema, dass sich in allen Reden wiederfand: Die Bundesregierung – und das Vorhaben, sie zu Fall zu bringen. „Diese Regierung wackelt, die wackelt viel mehr, als alle hier glauben“, sagte Dirk Spaniel. Emil Sänze, Co-Vorsitzender des AfD-Landesverbands, sagte: „Was sind das für Menschen, die uns regieren? Die gehören aus den Parlamenten herausgejagt!“

Nationalistische Töne: „Ja was denn sonst?“

Entsprechend dem Motto waren auf der Demo in Stuttgart auch nationalistische Töne zu hören. Rüdiger Klos sagte beispielsweise: „Ich erwarte von einem Politiker, dass ihm Deutschland über alles geht – ja was denn sonst?“ Diese Formulierung erinnert an die erste Strophe des Deutschlandliedes, die verpönt ist, weil sie im Nationalsozialismus zusammen mit dem heute verbotenen Horst-Wessel-Lied als Hymne genutzt wurde.

AfD Demo Stuttgart 12.11. Marktplatz Markus Frohnmaier bessere Qualität
Markus Frohnmaier. © ZVW/Gabriel Habermann

Als letzter Redner betrat der zweite Co-Vorsitzende des AfD-Landesverbands die Bühne. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ließ der ultrarechte Markus Frohnmaier die Menge „AfD! AfD!“ skandieren. Wohl um den lauten Sprechchören des Gegenprotests etwas entgegenzusetzen. Frohnmaier gilt als einer der radikalsten Vertreter seiner Partei. Er sei sich sicher, dass Baden-Württemberg einen „richtig heißen Herbst“ erleben würde, sagte er.

Rechte unter sich: Baum, Hilburger, Fiechtner

Und während auf der Bühne auf weitere Proteste eingestimmt wurde, schoss die Höcke-Vertraute und AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum im Publikum Fotos mit AfD-Herzflyern. Sie zeigte sich lachend mit Oliver Hilburger aus Althütte, Vorsitzender des rechten „Zentrums“, ehemals Mitglied der rechtsextremen Band „Noie Werte“. Und dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Heinrich Fiechtner (Ex-AfD), der immer wieder mit radikalen Aussagen auf Querdenker-Demos auffiel.

„Zentrum“ stand bis vor kurzem noch auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei. Man sah die Organisation offenbar als so radikal an, dass man Mitgliedern den Zutritt zur AfD verwehren wollte. Das hatte sich erst im Juni geändert, auch auf das Drängen Björn Höckes hin. Was der Verfassungsschutz von der AfD hält, scheint der Partei ohnehin nicht mehr wichtig. Höcke spricht vom „sogenannten Verfassungsschutz“, Frohnmaier sprach in Stuttgart vom „Regierungsschutz“. „Diese Waschlappen-Politiker, die haben Angst“, sagte er.

Polizei-Einsatz: Lkw-Blockade nach Demo-Ende

Die Polizei sprach im Laufe der Kundgebung laut Pressemitteilung 15 Platzverweise aus. Menschen aus dem „mutmaßlich linken Spektrum“ hätten die Versammlung gestört. Ein weiterer Platzverweis sei gegen einen Gegendemonstranten augsesprochen worden, der versucht habe, einen Polizisten zu schlagen. Während der Kundgebung sei auch eine Drohne im Einsatz gewesen, wie ein Sprecher auf Nachfrage mitteilte

Demonstrierende blockierten nach Versammlungsende den Bühnen-Lkw an der Münzstraße/Dorotheenstraße. Die Polizei kesselte die Demonstrierenden ein und stellte nach eigenen Angaben die Personalien von 89 Menschen fest.