Alle wollten den Stinker sehen
Stuttgart. Die riesige Blüte der Titanwurz öffnete Dienstag Nacht endlich ihre Blüte. Ein Spektakel, das gerade mal alle sieben Jahr zu beobachten ist und dann auch nur für eine Nacht. Länger wäre der fürchterliche Gestank der Pflanze vielleicht auch nicht zu ertragen.
Sie ist heiß und sie stinkt. Schlimmer als ein Fußballer nach einem Match an einem heißen Sommertag in ungewaschener Funktionswäsche, die drei Tage in der Sporttasche reifte. Die Titanwurz ist jetzt nicht unbedingt die attraktivste Pflanze, die man in der Wilhelma Stuttgart bewundern könnte, aber sie war der Star der Nacht. Weil sie ihre riesige Blüte nur alle sieben Jahre einmal öffnet, um wie ein verwesender Kadaver zu stinken und damit möglichst viele Insekten als Bestäubungshelfer anzulocken.
Die Besucher, die gestern zu dieser Gala-Nacht in die Wilhelma strömten, standen jedenfalls geduldig bis 1 Uhr nachts Schlange, um die Titanwurz live zu erleben - und zu riechen. Das Schmetterlingshaus hatte eigens länger geöffnet. Mit 6200 Gästen am Dienstag insgesamt verzeichnete die Wilhelma den besten Besucherwert des ganzen Jahres für einen regulären Arbeitstag unter der Woche, das heißt, wenn man Ferien-, Feier- und Brückentage nicht einbezieht.
Riesiges Interesse für Alberich
Es freut uns ungemein, dass die Menschen sich auch für so ein ruhiges Erlebnis der Pflanzenwelt begeistern können und sogar mit wenigen Stunden Vorwarnung auf den Weg machen“, sagt Dr. Björn Schäfer, Leiter des Fachbereichs Botanik. Das Interesse der Wissenschaft hat „Alberich“, so wird die Titanwurzpflanze wegen ihrer eher kleinen Statur liebevoll genannt, ebenfalls auf sich gezogen.
Mit einer Höhe des Kolbens von 1,25 Metern trug er einen der kleinsten bekannten Blütenstände einer Titanwurz in Europa, bei der sonst von rund zweieinhalb Metern auszugehen ist. So war die Pflanze allerdings besonders gut zu beobachten. Bei früheren Riesenblüten mussten die Besucher und Forscher auf eine Leiter klettern, um in den Blütenstand hineinschauen zu können.
Spannend war für die Botaniker zu messen, wie sehr sich der Kolben aufheizt, um den Eindruck eines verwesenden Kadavers zu erwecken. So will die Pflanze – in Kombination mit einem modrigen Geruch – Insekten zur Bestäubung anlocken. Der Verlauf zeigte, dass der Höhepunkt zwischen 22 und 23 Uhr lag. Bei den kontinuierlichen Messungen mit einer Wärmebild-Kamera der Uni Hohenheim zeigten sich Werte bis 40 Grad. Damit liegt die Pflanze merklich über den 38 Grad, die nach der Dokumentation früherer Blüten zu erwarten gewesen wäre.
Noch nicht verwelkt am Morgen
Selbst am Morgen danach brachte es die Pflanze um 9 Uhr noch auf 26,8 Grad. „Ich bin sehr überrascht, in welchem Zustand der Alberich heute Morgen immer noch ist“, sagte Schäfer. Üblicherweise verwelkt die Pflanze rasch nach der nächtlichen Blüte. Sie stand jedoch heute früh weiterhin aufrecht, lediglich die Spannung des aufgewölbten Hochblattes hatte schon erkennbar nachgelassen. „Als besonders kleine Titanwurz scheint Alberich den Ehrgeiz zu haben, zumindest länger als alle anderen zu stehen.“
So hatten auch morgendliche Besucher eine gute Gelegenheit, der ungewöhnlichen Pflanze einen Besuch abzustatten. Kurzentschlossene können sie heute über Tag noch im Schmetterlingshaus sehen. Doch die Pracht weicht kontinuierlich. Die Amorphophallus titanum stammt von der indonesischen Insel Sumatra und blüht im Schnitt nur alle sieben Jahre.