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Arbeitslosigkeit und Vorurteile: Diese Erfahrungen macht eine junge Arbeitslose

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Symbolbild. © Surface über unsplash.com

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde – und dennoch suchen viele (junge) Menschen oft monatelang nach Jobs. In dieser Situation findet sich auch Svenja wieder. Nach ihrem Studienabschluss 2021 sah sich Svenja das erste Mal mit dem Arbeitsmarkt und der Jobsuche konfrontiert. Nach ihrem ersten Job und einem darauffolgenden Wechsel in eine befristete Stelle ist Svenja seit Anfang des Jahres auf Jobsuche und seit Anfang Juli arbeitslos. Die Erfahrungen mit ihrer Jobsuche teilt sie auf Instagram und Tiktok und mit unserer Redaktion.

"Das war gar nicht mal so einfach einen Job zu finden nach der Uni. Aber ich glaube, das geht vielen Berufseinsteigenden so," sagt Svenja. 2021 war sie circa drei Monate lang auf Jobsuche. Obwohl sie ein komisches Bauchgefühl hatte, nahm Svenja die erste Zusage an. Sie hatte Angst vor der Arbeitslosigkeit. "Das ist so verankert, diese Angst, arbeitslos zu werden, weil Arbeit für viele Menschen ja auch sehr sinnstiftend ist. Man hat auch irgendwie das Gefühl, dass man versagt hat, wenn man nicht direkt im Anschluss ans Studium einen Job findet."

Jobsuche thematisiert auf Social Media: Vorurteile und gut gemeinte Ratschläge

Vorurteile gegenüber Arbeitslosen begegnen ihr seit sie ihre Situation online geteilt hat auch auf Social Media. Sie sehe ungepflegt aus, ihre Brille schrecke ab, sie sei selbst Schuld an ihrer Situation, da sie nicht genug Eigeninitiative zeige. Solche Kommentare bekomme sie vor allem zu Videos, in denen sie ihre persönlichen Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit und der Arbeitssuche teilt. Auch gut gemeinte Ratschläge sieht sie kritisch: "Sie sehen ja nicht was dahinter steckt, sehen nicht, ob du die Branche kennst oder wie die Bewerbungsprozesse bisher abgelaufen sind," sagt sie.

Unter anderem bei jungen Arbeitssuchenden sieht Ralf Steeg, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Waiblingen oft ein "Mismatch": Die Anforderungen passen nicht zu den Qualifikationen. Zudem haben sich Bedürfnisse und Erwartungen an die Arbeit in der Generation Z verändert. Darauf seien Arbeitgeber mittlerweile jedoch vorbereitet.

Fachkräftemangel: Aber wo?

"Arbeitslosigkeit ist kein statischer Block," schreibt die Agentur für Arbeit in einem Bericht vom März 2024. Engpässe gebe es vor allem in Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufen oder auch im Bau, im Handwerk und in IT-Berufen. Unter anderem in Büroberufen oder auch in künstlerisch-kreativen Berufen gebe es viele Arbeitslose auf wenig gemeldeten Stellen. Das spiegelt auch Svenjas Erfahrung: "In dem Bereich, in dem ich tätig war, gibt es sehr viele Arbeitslose aber keinen Fachkräftemangel," sagt sie. Oft fehle es an Wissen, wie die Kommentare unter ihren Beiträgen zeigen. Svenja wünscht sich einen anderen öffentlichen Diskurs über Arbeit und Arbeitslosigkeit. "Ganz häufig werden medial Meinungen verbreitet, die überhaupt nicht unterfüttert sind mit irgendwelchen Fakten oder Statistiken," sagt sie. 

Wer keine Ausbildung hat, ist laut Ralf Steeg im Durchschnitt deutlich länger arbeitslos. Von arbeitslosen Menschen zwischen 25 und 23 Jahren haben im Rems-Murr-Kreis 51 Prozent keine Ausbildung. Zwei Drittel seien davon in der Langzeitarbeitslosigkeit.

Gen Z und der Arbeitsmarkt: Sind die Ansprüche der jungen Generation zu hoch?

"Es gibt in meinem Postfach viele Leute, die auch mal arbeitslos waren. Sie sagen, sie hätten sich dann zusammengerissen und bei Lidl an der Kasse gearbeitet und einfach gemacht. "Ich kann nachvollziehen, dass es blöd ist, wenn jemand sagt, er finde keinen Job, wenn man doch bei Lidl an der Kasse arbeiten könnte. Aber das ist nicht die Art von Arbeitswelt, in der ich leben möchte," sagt Svenja.

Über die junge Generation wird oft behauptet, faul und wählerisch zu sein. Gerade in der Berufsberatung habe der Geschäftsführer viele junge Menschen getroffen, die sich reflektiert und intensiv mit der Berufswahl auseinander setzen. Laut Steeg schaffen sie eine Verbindung von Beruf und aktuellen Themen und beziehen das in ihre Überlegungen ein. 

So auch Svenja: "Durch die Erfahrungen, die ich bisher in der Arbeitswelt gesammelt habe, habe ich festgestellt, dass es Dinge in meinem Leben gibt, die mir wichtiger sind als Arbeit." Es sei ihr mittlerweile wichtiger, mit wem und wo sie wohnt. Außerdem möchte Svenja für ihre Arbeit anerkannt werden – und das vor allem finanziell. "Ich habe einen Master. Viele verstehen nicht, dass man ja schon jahrelang studiert hat und dafür kein Geld bekommen, sondern stattdessen sehr viel Geld ausgegeben hat. Dann möchte man auch mal ein bisschen was verdienen." Zufriedenheit ist laut einer Studie der Uni Bamberg für Gen-Z-Arbeitnehmer am wichtigsten. Viele wollen demnach bei ihrer Arbeit sorgenfrei und sicher sein. 45,2 Prozent seien zuversichtlich, ihren Traumjob zu finden. 

Wann lohnt es sich, einen anderen Weg einzuschlagen?

Was wenn es mit dem Traumjob nichts wird? Ab wann lohnt sich eine Umschulung oder Weiterbildung? "Allein an der Suchzeit nach einem neuen Job kann man das Lohnen einer Umschulung nicht festmachen," sagt Ralf Steeg. Eine Arbeitssuche sei sehr individuell und müsse ganzheitlich betrachtet werden. So spielen nicht nur die fachlichen Qualifikationen des Bewerbers oder der Bewerberin eine Rolle. Auch methodische, soziale und personale Kompetenzen seien für Arbeitgeber wichtig. Dazu zählen laut Ralf Steeg unter anderem Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Mobilität, Flexibilität und kreatives Arbeiten. Außerdem seien aktuell Kompetenzen wie Lernbereitschaft und das Interesse an digitaler Entwicklung relevant.

"Wenn die Menschen eine Ausbildung haben, dann ist die Suchzeit für eine neue Stelle allerdings relativ gering," sagt Ralf Steeg. Auch Svenja ist weiterhin positiv: "Im Gegensatz zu meiner Jobsuche nach dem Studium, sehe ich jetzt viel mehr Möglichkeiten. Ich weiß, ich kann die Situation nutzen, um mich weiterzubilden. Der große Unterschied, der mich jetzt handlungsfähiger macht, ist, dass ich Pläne machen kann."

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