Stuttgart & Region

Berliner Techno nun Teil der Unesco: Was ein Raver aus Stuttgart darüber denkt

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Der 28-jährige Stuttgarter kennt sich in der Techno-Szene aus. Er ist seit rund 10 jahren Teil davon. © ZVW/Sofie Smakici

Techno ist in aller Munde, sei es auf Social-Media, in der Werbung oder auch in Kaufhäusern. Seit Mitte März gehört die elektronische Musikrichtung mit Millionen von Anhängern zum immateriellen Kulturerbe der Unesco. Genaugenommen geht es dabei um Berliner Techno. Auch wenn Berlin nicht gerade ums Eck liegt, wollten wir wissen, was Menschen aus der Region über die Aufnahme ins Deutsche Verzeichnis denken. Was Szene-Kenner Luca Ganter aus Stuttgart dazu zu sagen hat, warum er zu Techno feiert und was sich in der Szene seit Corona verändert hat.

Mehr Akzeptanz in der Gesellschaft: Techno ist nicht tot zu kriegen

Der 28-Jährige legt selbst hin und wieder als DJ auf, feiert seit rund 10 Jahren aktiv in der Szene und hat 2017 eine eigene Veranstaltungsreihe, Delicium, ins Leben gerufen. Vor etwa 1,5 Jahren hat er mit zwei Freunden eine weitere Veranstaltung auf die Beine gestellt: Caldera Craze. „Techno bekommt durch die Aufnahme ins Verzeichnis mehr Akzeptanz in der Gesellschaft“, sagt Ganter. Er sieht es positiv und vielleicht auch als kleine Chance, dass sich bei uns in der Region dadurch mehr tut.

„Es gibt ja mittlerweile auch hier schon größere Festivals“, sagt er und meint damit beispielsweise das Electrique Barock, was inzwischen von Ludwigsburg nach Waghäusel (Landkreis Karlsruhe) umgezogen ist. „Am Stuttgarter Schlossplatz soll es dieses Jahr auch wieder eine Veranstaltung geben. Fritz Kalkbrenner und ein paar DJs aus Stuttgart sind mit dabei“, so Ganter. Es gehe in die richtige Richtung. Auch wenn über die Jahre hinweg Stuttgarter Techno-Clubs schließen mussten – zuletzt der Toy Club – und nur eine Handvoll übriggeblieben sind, stirbt die Musik in der Region nicht aus. 2022 war beispielsweise Techno-Urgestein Sven Väth auf dem Schlossplatz zu hören, als er rund 5000 Gästen mit seinen Beats einheizte – und das kostenlos.

Im Sommer findet auf Fridas Pier zum zweiten Mal das Sweat-Festival statt, welches vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert wird. 2019 durfte die Delicium-Crew rund um Luca Ganter bereits ein Open-Air für die Landesgartenschau im Rems-Murr-Kreis auf die Beine stellen. Die nächsten Veranstaltungen des Kollektivs finden am 18. Mai in Schorndorf und am 26. April in Fellbach statt (hier und hier mehr dazu). Techno sei ohne Frage ein Stück deutscher Kultur geworden, findet der 28-jährige Porsche-Mitarbeiter.

Ein Gefühl von Freiheit und Gemeinschaft: Wie Techno entstanden ist

Die Anfänge der Musikrichtung lagen strenggenommen aber nicht in diesem Land. Los ging es mit Techno-Sounds Mitte der 1980er rund um Detroit (USA) und war ursprünglich auch eine Erfindung vor allem schwarzer Jugendlicher. Autor und DJ Tajh Morris kritisierte im Resident Advisor bei der Aufnahme der Unesco, die wegfallende Anerkennung und Wertschätzung, wenn Techno bloß zum Nachwende-Soundtrack von Berlin erklärt würde.

Denn so nahm die elektronische Musikrichtung hierzulande seine Anfänge: mit dem Fall der Berliner Mauer und der Mutter aller Techno-Paraden, der Love Parade. Sie wurde nach den tragischen Ereignissen 2010 in Duisburg, bei dem 21 Menschen wegen einer Massenpanik starben, vorzeitig eingestellt. Seit 2020 gibt es die Nachfolge-Veranstaltung, die unter dem Namen „Rave the Planet“ läuft.

„Es geht im Grunde um Zusammenhalt und Zusammensein, egal, wer du bist oder wo du herkommst“, so Ganter über den eigentlichen Spirit der Musik. „Klar, liegt der Ursprung nicht in Deutschland, es ist aber trotzdem viel gewachsen.“ Für Luca Ganter ist Techno ein Gefühl von Freiheit und Gemeinschaft. „Wenn ich auf dem Floor stehe und die Musik höre, kann ich mich fallen lassen und nur auf die Musik konzentrieren. Es ist ein großer Bestandteil meines Lebens“, sagt er.

Wegen Corona und Social-Media: Lack und Leder fast überall in der Techno-Szene angekommen

Eine Sache hat sich aber in der Techno-Szene geändert, die Ganter nicht unbedingt gutheißen möchte. Techno habe gerade durch die sozialen Medien während der Corona-Zeit einen starken Hype erlebt. „Durch Berlin und Social-Media ist nun auch die Freizügigkeit mehr bei uns angekommen“, so Ganter. Lack und Leder, Bauhausketten, Männer ohne T-Shirt sind längst in Clubs und auf Festivals anzutreffen. „Ich glaube durch Instagram und TikTok und das sich präsentieren wollen ist alles nochmal extremer geworden“, sagt er. Die Outfits der heutigen Szene fanden sich noch vor Corona vor allem bei Fetisch-Partys, wie beispielsweise in Clubs wie dem Berghain oder Kitty Kat in Berlin.

Wie jemand auf Techno tanzt und wie er aussieht spielt keine Rolle

„Ich kann es verstehen, dass die Menschen sich mit irgendetwas identifizieren wollen – ging mir in meiner Anfangszeit ja genauso“, sagt er. „Was jetzt aber dadurch etwas untergegangen ist, ist die Mentalität“, und meint damit das eine gute Zeit haben eher im Vordergrund stehen sollte als das Aussehen einer Person, was sie anhat oder wie sie tanzt. „Ich habe das Gefühl, dass es bei den Veranstaltungen heutzutage viel darum geht, gesehen zu werden.“ 

Von Freundinnen bekomme er auch immer mal wieder mit, dass sie Männer antanzen, obwohl sie das nicht wollen. "Das gab es davor nicht wirklich und ich verstehe auch ehrlich gesagt nicht was das soll," sagt er und macht deutlich, dass es beim Techno-Feiern nicht darum geht Frauen oder Männer anzubaggern, wie es beispielsweise in Hip-Hop-Clubs üblich ist.

Auf die Frage hin, ob der momentane Hype um Techno weiterhin bestehen bleibt, antwortet er mit: "Ja, so wie ich das auf Social-Media beobachten kann, denke ich wird es noch eine Zeit lang anhalten."

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