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„Burlesque Chronicles“: Wie Stuttgart zur Bühne für Selbstbestimmung wird

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Merlin Johnson und Louise Lamour sind bis zum 1. Juni zusammen auf der Bühne zu sehen. © Burlesque Chronicles/Friedrichsbau Varieté

Stuttgart. Ein gedämpftes Licht, funkelnde Kostüme und eine Atmosphäre, die zwischen Nostalgie und Avantgarde schwebt: Burlesque ist weit mehr als ein glamouröser Striptease – es ist eine Kunstform, die Tradition, Selbstbestimmung und Entertainment vereint. Bei der Show "Burlesque Chronicles" im Friedrichsbau Varieté in Stuttgart kommen Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt zusammen, um genau das zu zelebrieren. Vor welche Herausforderungen sie gestellt werden und wie es um die Zukunft des Burlesques steht, haben uns eine Darstellerin und der Show-Moderator verraten.

Eine der Performerinnen, die noch bis zum 1. Juni im Varieté auf der Bühne stehen wird, ist Louise Lamour – so ihr Künstlername. Seit zwölf Jahren ist sie im Burlesque aktiv – ein Weg, der für sie zufällig begann. Nach einer Tanzverletzung suchte sie eine Bühne, auf der sie sich weiterhin künstlerisch ausleben konnte, und fand sie in dieser besonderen Form des Theaters. Doch was bedeutet Burlesque eigentlich genau?

Mit den Waffen einer Frau: Burlesque ist mehr als nur Striptease

Burlesque ist eine Mischung aus Tanz, Theater, Satire und Selbstausdruck. Besonders in der Neo-Burlesque-Bewegung, die in den 1980er-Jahren in den USA aufkam, geht es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um gesellschaftliche Statements. „Es ist Empowerment, ein Spiel mit Tabus, aber auf eine Art und Weise, die das Publikum mitnimmt und begeistert“, erklärt Lamour.

Während klassisches Burlesque oft mit den glamourösen Revue-Shows der 1950er- und 1960er-Jahre assoziiert wird, integriert Neo-Burlesque moderne Elemente aus verschiedenen Kunstformen. „Heute ist alles erlaubt – von Rockmusik bis hin zu Zirkuselementen. Es gibt keine festen Regeln, was das Genre so aufregend macht.“ Burlesque sei für Lamour auch eine Art Waffe, bei dem sie sie ihren Körper nicht nur zur Selbstdarstellung nutzen kann, sondern auch um eine Botschaft zu verbreiten.

Die Herausforderungen einer Burlesque-Künstlerin: Zwischen Akzeptanz und Empowerment

Doch genau diese kreative Freiheit stellt die Künstlerinnen und Künstler auch vor Herausforderungen. „Man hat nur wenig Zeit, um zu beeindrucken – und oft möchte man so viel wie möglich unterbringen“, sagt Lamour. Besonders das Kostümdesign erfordert viel Aufwand, da sie ihre Bühnenoutfits selbst anfertigt. Dabei geht es nicht nur um einen ästhetischen Look, sondern auch um Funktionalität – die Kleidung muss so gestaltet sein, dass sie sich im richtigen Moment mühelos ablegen lässt.

Nacktheit spielt im Burlesque bis heute eine übergeordnete Rolle. Da wundert es kaum, dass auch gesellschaftliche Vorurteile eine Herausforderung sind, besonders in konservativen Ländern wie Portugal, Lamours Heimat. „Viele Menschen haben eine falsche Vorstellung von Burlesque, doch sobald sie eine Show sehen, ändern sie oft ihre Meinung.“ Zwischen Deutschland und Portugal bestünden große Unterschiede, wie Lamour sagt, insbesondere in der Akzeptanz dieser Kunstform. "Hierzulande hat das Publikum leichteren Zugang dazu und begegnet der Burlesque daher mit größerer Offenheit."

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Das gesamte Ensemble von "Burlesque Chronicles" © alexkleinstudio/Burlesque Chronicles/Friedrichsbau Varieté

Die Magie der Moderation: Merlin Johnson führt Varieté Besucher durch den Abend

Neben den 11 Künstlerinnen und Künstlern spielt auch der Moderator eine zentrale Rolle bei "Burlesque Chronicles". In Stuttgart führt Merlin Johnson (Künstlername: Ferkel Johnson) durch den Abend – ein erfahrener Performer, der ursprünglich aus der Straßenkunst kommt. „Als Moderator ist es meine Aufgabe, die Show flüssig zu halten. Ich darf nicht zu viel reden – das ist manchmal schwer“, scherzt er. Johnson moderiert die Show nicht nur, sondern ist Teil des Ensembles und wird Abend für Abend auf der Bühne stehen.

Johnson begann seine Karriere in Berlin. Ausschlaggebend für seinen künstlerischen Werdegang war die Begegnung mit einer Burlesque-Tänzerin, wie er erzählt. Fasziniert von ihrer Arbeit, wollte er sich ebenfalls in dieser Kunstform versuchen. "Als sie merkte, dass ich es ernst meinte und nicht völlig verrückt war, lud sie mich direkt zu meinem ersten Auftritt ein“, sagt er über ihre Unterhaltung auf einer Party. Angezogen von der Magie des Burlesques, performte, produzierte und moderierte er Club-Shows und erkannte schließlich, seine Berufung darin. Seit 2016 führt er die Besucher im Friedrichsbau Varieté durch den Abend.

Die Zukunft des Burlesque: Lamour ist optimistisch

Diese Leidenschaft für Burlesque entfaltet sich nicht nur auf der Bühne einzelner Künstler, sondern ist tief in der deutschen Unterhaltungskultur verwurzelt. Besonders in den 1920er- und 1930er-Jahren war es eine Bühne für queere Kunst und gesellschaftlichen Wandel. Heute erlebt die Szene eine Renaissance, mit wachsenden Festivals und einer zunehmenden Akzeptanz.

Wie geht es also weiter mit Burlesque? Lamour ist optimistisch: „Es gibt weltweit immer mehr Künstlerinnen und Künstler, die ihre eigene Note einbringen. Ich hoffe, dass Burlesque weiterhin wächst und sich weiterentwickelt.“ Ihr persönlicher Traum? Ein Auftritt in Las Vegas – der Geburtsstätte des modernen Showgirls. Bis jetzt konnte sie auf Bühnen in beispielsweise Deutschland und Großbritannien performen, die sie bis jetzt zu ihren liebsten Ländern für ihre Kunst zählt.

Burlesque ist mehr als nur Entertainment – es ist eine Form der Selbstermächtigung, eine Bühne für Vielfalt und ein Ausdruck purer Lebensfreude. Wer es einmal erlebt hat, wird verstehen: Es geht nicht nur darum, was enthüllt wird – sondern vor allem darum, was dahintersteckt.

Mehr zu "Burlesque Chronicles" in Stuttgart: Wo gibt es Tickets?

"Burlesque Chronicles" ist noch bis zum 1. Juni im Friedrichsbau Varieté in Stuttgart zu sehen. Tickets für die Show gibt es unter www.friedrichsbau.de.

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