Cevapcici-Massaker und Mettwurst-Liebe: Erfundene Festivals auf Facebook sorgen für Irritationen
„Keinen Plan was mit euch so ist, aber wir sind verrückt nach Cevapcici.“ In der Ankündigung auf Facebook geht es direkt zur Sache, die Euphorie ist spürbar. „Lasst uns zusammen das 1. Cevapcici Festival zelebrieren und ein Massaker am Grill veranstalten!“ Als Datum wird aktuell der 27. August genannt, als Veranstaltungsort Stuttgart. Konkreter muss man offenbar nicht werden, ist ja nicht so groß, die Stadt. Und damit nicht genug: Parallel dazu soll in Stuttgart auch noch das „1. Mettbrötchen Open Air Festival“ stattfinden. In der Ankündigung heißt es: „Kein Plan was mit euch ist, aber wir sind verrückt nach ...“ – Moment mal!
Facebook-Hit: Cevapcici-Raketen und Zwiebelmett-Lippenpflege
Die beiden Veranstaltungen interessieren auf Facebook mehrere tausend Menschen. Sie wurden nicht zum ersten Mal angekündigt – und sind offenkundig fake. Die Veranstalter sind dabei um keine Ausrede verlegen. „Mettbrötchen Entertainment“ schiebt das ausgefallene Open Air 2022 aufs Wetter, „Cevapcici Entertainment“ konnte 2019 einfach keine passenden Partner finden, die die Vision vom Grill-Massaker teilen. Dabei sei das Interesse der Cevapcici-Enthusiasten doch hoch. 2020 hätten dagegen angeblich einige Festivals stattgefunden. Belege dafür gibt es nicht.
Die Kommentarspalten zu den Facebook-Veranstaltungen sind wild: Während manche ernsthaft zu fragen scheinen, wann die Festivals stattfinden, geben andere vor, sie hätten „aus persönlichen Gründen“ Tickets abzugeben. Die Veranstalter posten derweil Foto-Montagen von erfundenen Produkten wie Mettwurst-Eis („Cormetto“), Cevapcici-Raketen oder den Zwiebelmett-Lippenpflegestift.
Google empfiehlt das Mett-Fest: Also doch kein Fake, Stadt Stuttgart?
Die Veranstaltungen tauchen auch in der Google-Suche auf, werden neben real stattfindenden Konzerten genannt. Also doch kein Fake? "Die genannten beiden Festivals sind unserem Amt für öffentliche Ordnung nicht bekannt", so ein Sprecher der Stadt Stuttgart. "Es gibt Zweifel daran, ob die angekündigten Festivals tatsächlich stattfinden."
Den Veranstaltern haben wir übrigens die Möglichkeit gegeben, Stellung zu nehmen. Wie es sich gehört. Unsere Mail enthielt nur eine einzige Frage: Wieso? Eine Antwort kam bislang nicht.
Wieso denn bloß? Eine Vermutung, was hinter der Veranstaltung steckt
Eine Vermutung findet sich bei "Mimikama", einem Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch aus Österreich. In einem Artikel von 2017 heißt es, dass solche Fake-Events eine hohe Reichweite erzeugen würden. Nutzer, die Interesse bekunden, könnte man hinterher dazu einladen, die dahinter liegende Seite mit "Gefällt mir" zu markieren. Wenn die Seite genügend Nutzer angesammelt habe, werde sie an Unternehmen verkauft, die darüber ihre Produkte anpreisen können. Für die Unternehmen sei das praktisch: Man wisse von den Nutzern bereits, dass sie sich für ein bestimmtes Themengebiet interessieren. In den meisten Fällen: Essen.
Klingt einleuchtend. Tatsächlich haben sowohl "Mettbrötchen Entertainment" als auch "Cevapcici Entertainment" die Facebook-Veranstaltungen 2020 genutzt, um mehrfach für ein Produkt namens "Ohrenschoner" zu werben. Es handelt sich um ein Verbindungsstück für Mund-Nase-Masken, in das man die Schlaufen der Maske einhängen kann, um die Ohren zu entlasten.
Ob dabei nennenswert viel Geld rum kam, ist unklar. Für die meisten Nutzer, die kommentieren, scheinen die Facebook-Seiten jedenfalls ein Witz zu sein. Ein Witz mit einer bitteren Pointe: Sorry, es wird weder ein Mettbrötchen-, noch ein Cevapcici-Festival geben. Die Vorstellung, wie man in Stuttgart zu den Klängen einer Band (vielleicht den "Mett Shop Boys"?) im Zwiebelatem der Menge untertaucht, bleibt vorerst ein unerreichbarer Traum.
Offenlegung: Der Autor dieser Zeilen ist Vegetarier. Die Faszination für Mettbrötchen hat er noch nie verstanden. Er hat schon mal vegane Cevapcici gegessen. Bei der Recherche spielte all das aber keine Rolle.