Stuttgart & Region

Generalstreik als Ziel: Aktivistin über die Frauenrechtsbewegung in Stuttgart

img_10332
Seit fast 25 Jahren ist Christa Hourani aktivistisch tätig und setzt sich vor allem für Arbeiterinnenrechte ein. © Clara Eisenreich

Stuttgart. Seit fast 25 Jahren ist Christa Hourani aktivistisch tätig. Neben privaten Herausforderungen hat sie vor allem für Arbeiterinnenrechte in Stuttgart und der Region gekämpft. Für gleiche Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen in von Frauen dominierten Berufen geht sie auch 2025 am Frauenkampftag, auch feministischer Kampftag genannt, wieder auf die Straße. Wie es sich anfühlt, mit Ungleichheiten konfrontiert zu sein, wie sich die Bewegung in Stuttgart verändert hat und wer ihr Vorbild ist.

"Bei Daimler war ich in einer Abteilung, in der kamen in den ersten Wochen E-Mails an mit 'Sehr geehrte Herren'. Ich war die erste Frau in dieser Abteilung", sagt Christa Hourani. Das hat Wochen gedauert, bis die Anrede in "Sehr geehrte Herren und Frau Hourani' geändert wurde." In den 90er-Jahren habe die heute 68-jährige Rentnerin um eine Anrede kämpfen müssen. Angenehmer, dann als einzige Frau extra angesprochen zu werden, sei es nicht gewesen, "aber immerhin respektvoller als mich unter die Männer einzusortieren".

Einsatz für die Rechte von Frauen als Betriebsrätin

Das war sicherlich mit einer der Gründe, warum Christa Hourani 2002 Betriebsrätin bei der damaligen Daimler Zentrale   wurde und 2019 das Stuttgarter Aktionsbündnis 08. März mitgründete. Im Betriebsrat und in der IG Metall habe sie sich vor allem für die Rechte von Frauen am Arbeitsplatz eingesetzt. "Wir haben Kindertagesstätten beim Aufbau begleitet und versucht, die Situation der Sekretärinnen, der größten Beschäftigungsgruppe, zu verbessern", sagt Christa Hourani. Ihr Einsatz für Frauenrechte sei im Betrieb gut angekommen - aufgrund der vergleichsweise hohen Frauenquote von zeitweise 40 Prozent.

Gender Pay Gap: Frauen verdienen immer noch weniger als Männer

Bereits in den früher 2000er-Jahren hat sich Christa Hourani aktiv für die Angleichung von Löhnen eingesetzt. 2025 liegt der Gender Pay Gap, die Verdienstlücke bei Gehältern von Frauen, laut Statistischem Bundesamt bei 16 Prozent pro Stunde Arbeitszeit. "Da wünsche ich mir natürlich größere Schritte und ein schnelleres Angleichen", so Hourani. "Aber auf jeden Fall sieht man, dass sich etwas getan hat, was sich vielleicht nicht getan hätte, wenn man nicht aktiv gewesen wäre."

Frauen in Teilzeit: Bis zur Rente keine Vollzeitstelle mehr bekommen

"Was sich auch geändert hat, ist, dass heute Frauen früher wieder ins Berufsleben einsteigen als zu meiner Zeit. Dadurch ist es für sie auch einfacher, Anschluss zu finden und wieder in die gleiche Position zu kommen", so Christa Hourani. Auffallen würde ihr aber weiterhin, dass mehr Frauen in Teilzeit gehen als Männer. Schwierig sei manchmal auch, mit den Stunden wieder hochzugehen. "Ich bin mit 26 bei meinem ersten Kind in Teilzeit gegangen und habe es bis zur Rente nicht mehr geschafft, eine Vollzeitstelle zu bekommen – auch wegen meiner Tätigkeit im Betriebsrat", sagt Christa Hourani.

Finanziell habe es ihr als Alleinerziehende mit drei Kindern gereicht, eine größere Herausforderung sei die Kinderbetreuung gewesen. "In Erbstetten, wo ich damals gewohnt habe, hat der Kindergarten um halb zwölf zu und um zwei wieder aufgemacht", sagt sie. "Das war natürlich für eine berufstätige Frau unmöglich, aber das waren die Strukturen damals."

Verlässlichkeit für Kinderbetreuung geht weiter zurück

Diese Strukturen erachtet sie auch heute noch als ein Hindernis für berufstätige Frauen. "In letzter Zeit sind die Öffnungszeiten hier in Stuttgart zurückgenommen worden", sagt sie. Als Grund werde häufig der Personalmangel genannt. "Aber warum hat man den Personalmangel? Weil natürlich die Löhne und die Arbeitsbedingungen entsprechend sind", sagt sie. Die Verlässlichkeit für Kinderbetreuung gehe durch den Personalnotstand immer weiter zurück. "Das ist eine falsche Entwicklung, das zwingt wiederum Frauen in Teilzeit."

Armutsrisiko bei Alleinerziehenden: "Da hat sich nicht viel getan"

"Alleinerziehende sind sehr stark von Armut betroffen. Da hat sich nicht viel getan", sagt Hourani. Sauer macht Christa Hourani hier vor allem die Regelung der Steuerklassen: "Da krieg' ich so einen Hals, dass Alleinerziehende so viele Steuern zahlen, wie wenn sie solo wären. Aber sie sind nicht solo, sie haben Kinder", sagt Hourani. Der Jahresfreibetrag für Alleinerziehende sei minimal und würde kaum entlasten.

Nicht nur im Arbeitsleben werden Frauen laut Christa Hourani "ausgebeutet", sondern auch im Privaten. "Immer noch leisten Frauen über 44 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Letztendlich sorgen wir damit auch dafür, dass Männer dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen", sagt sie. Um auch dafür mehr Sichtbarkeit zu erlangen, wünscht sie sich übergreifende Streiks: "In der bundesweiten Vernetzung ist ein Generalstreik am 8. März das Ziel", sagt sie. "Davon sind wir noch ein paar Jahre entfernt, aber davon träumen wir."

Besetzer Charlottenplatz: Hier stand der Verkehr still

Nah dran am Generalstreik sei die Stuttgarter Bewegung gewesen als Aktivistinnen, darunter Christa Hourani, 1994 den Charlottenplatz besetzt haben. Nach diesem "Highlight" habe der Zuspruch an der Frauenbewegung in den darauffolgenden Jahren nachgelassen bis er sich seit den 2010er-Jahren wieder erhöht. Als Auslöser dafür nennt Hourani die gestiegene und weiter steigende Sichtbarkeit von Gewalt an Frauen, Streiks im Gesundheits- und Sozialenbereich, dem Equal Pay Day, der auf den Gehaltsunterschied von Männern und Frauen hinweist, oder auch dem Equal Care Day, der unbezahlte Sorgearbeit sichtbar machen soll.

Die Interessen der Menschen, für die sich Christa Hourani einsetzt, treten in den Hintergrund, wenn der Gesundheits- und Pflegebereich privatisiert und nicht staatlich finanziert werde. "Wir Frauen leiden darunter besonders, weil wir besonders darauf angewiesen sind, wir vermehrt in diesen Bereichen arbeiten und unsere Löhne nicht erhöht werden", sagt sie. Deswegen sei es für Christa Hourani besonders wichtig, vor der nächsten Tarifverhandlung "nochmal Druck zu machen".

Bedeutet mehr Geld für Rüstung weniger Geld für Soziales?

Hourani befürchtet, dass mit mehr Geld für die Rüstung Gelder bei Gesundheit und der Bildung gekürzt werden. "Als erstes sind es dann oft die Frauenprojekte, die gestrichen werden: Frauenhäuser, die nicht gebaut werden, Schutzprogramme oder Gewaltprävention." Doch auch um Frauenrechte zu sichern, ist für Christa Hourani ein Einsetzen für den Frieden unerlässlich: "Auch auf der Flucht und in Gemeinschaftsunterkünften ist Gewalt Alltag", sagt Hourani.

Friedenspolitik von Clara Zetkin ist ihr ein Vorbild

Am 8. März möchte sie deshalb auch darauf hinweisen, dass soziale Daseinsfürsorge mit Frieden verknüpft ist. Ihr großes historisches Vorbild ist hierbei die Politikerin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin. Gerade als Stuttgarter Feministin sehe sie sich in der Pflicht, "die Clara", wie sie sie nennt, in Erinnerung zu behalten. Die Sozialistin, die viele Jahre in Stuttgart gelebt und gewirkt hat, gilt als Mitbegründerin des Frauentags. "Sie hat eine klare Friedenspolitik verfolgt, eine klare Politik gegen Faschismus", so Hourani. Klar gegen Faschismus positioniert sich auch Christa Hourani: "Unserem Bündnis ist natürlich bewusst, dass wenn der Rechtsruck so weitergeht, auch die Rechte, die wir Frauen erkämpft haben, wieder weg sind. Wir würden viel verlieren."

VG WORT Zahlpixel