Stuttgart & Region

Generalstreik? Rechtsextreme und Querdenker wollen Bauernprotest kapern

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Bauern protestieren auch in der Region Stuttgart gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung.

In den letzten Wochen haben Bauern bundesweit gegen die Politik der Ampel-Regierung protestiert, unter anderem in Berlin und Stuttgart. Am 8. Januar 2024 sollen die Proteste fortgesetzt werden, sollte die Regierung den Forderungen der Bauern nicht nachgeben. Rechtsextremisten und Querdenker versuchen, diese Proteste für ihre Zwecke zu kapern. Nachrichten von einem angeblich geplanten Generalstreik machen auf Whatsapp, Facebook, Telegram & Co. die Runde. Was ist da los? Der Versuch einer Einordnung.

Worum geht es beim Protest der Bauern?

Der Protest der Bauern richtet sich konkret gegen die geplanten Streichung von Subventionen für Agrardiesel und die Rücknahme von Steuererleichtungen. Werden diese Pläne von der Regierung nicht zurückgenommen, "werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat", drohte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes.

Was hat es mit dem Generalstreik-Gerede auf sich?

Die Drohung des Bauernverband-Präsidenten wurde für einige Menschen zum Anlass genommen, über einen angeblichen "Generalstreik" im Januar zu sprechen. Aufrufe dazu werden seitdem über Whatsapp, Telegram, Facebook, X, TikTok und andere soziale Medien verbreitet. Der Tenor: Auch andere Berufsgruppen sollen die Bauern im Protest unterstützen, somit werde am 8. Januar das Land "lahmgelegt".

Was haben Rechtsextremisten damit zu tun?

Bereits in den letzten Wochen waren auf Demos der Bauern vereinzelt rechtsextreme Symbole zu sehen gewesen. In Stuttgart zeigten Bauern beispielsweise die Fahne der rechtsextremen Landvolkbewegung, die als ein Wegbereiter der NSDAP gilt. Das berichteten unter anderem taz und Stuttgarter Nachrichten. Auch Logos rechtsextremer Parteien wie der AfD oder der ehemaligen NPD ("Die Heimat") wurden gesichtet. Die rechtsextreme Szene mobilisiert auch jetzt zum "Generalstreik".

Ein paar Beispiele: Der gesichert rechtsextreme AfD-Landesverband von Björn Höcke in Thüringen wirbt für eine Teilnahme, sofern der Protest "gewaltlos und friedlich" bleibe. Dass die AfD Subventionen, für deren Erhalt die Bauern kämpfen, generell ablehnt, wird nicht erwähnt. Auch die rechtsextreme Kleinpartei "Freie Sachsen" mobilisiert für den 8. Januar zu einem "Tag des Widerstandes".

Ist der Bauernprotest deshalb rechts?

Die Bauernproteste gehen auf den Deutschen Bauernverband zurück, einen großen Interessenverband der Bauern. Sie sind nicht von Rechtsextremisten initiiert. Im Verhältnis gesehen scheinen Rechte auf bisherigen Bauern-Demos eher eine Minderheit darzustellen, sie versuchen sich aber öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen. Ein Beispiel dafür ist der rechte Aktivist Oliver Hilburger ("Zentrum") aus Althütte, der sich auf der letzten Demo in Stuttgart für ein Statement filmen ließ.

Der Bauernverband distanzierte sich im Nachgang der jüngsten Demonstrationen auf Facebook von "Schwachköpfen mit Umsturzfantasien und extremen Randgruppen“, die versuchen würden, die Proteste zu „vereinnahmen“. Die Verantwortlichen warnten also vor einer Unterwanderung, deren Gefahr sie offenbar wahrnehmen. Bei der Demo am 21. Dezember in Stuttgart durften Vertreter der demokratischen Parteien sprechen, ein Vertreter der rechtsextremen AfD nicht – was die Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg offenbar fuchsteufelswild machte. In einer Pressemitteilung forderte man "Konsequenzen" für Bauernvertreter.

Was haben Querdenker damit zu tun?

Auch auf Telegram bildet sich die Wut über die Distanzierung des Bauernverbands in zahlreichen Beiträgen ab. In Kanälen der Querdenker-Szene wird seit Dezember für einen Generalstreik geworben. In einem zentralen Demo-Kanal der Szene bezeichnet man die Mitglieder des Bauernverbands als "Heuchler" und Marionetten. Dort wird auch ein Video beworben, in dem geschildert wird, wie man am 8. Januar "neuralgische Punkte" blockieren könne. Andere träumen von den "größten Protesten seit dem Zweiten Weltkrieg". Tenor der Beitrage: Man werde die Ampel-Regierung "zum Rücktritt zwingen". Auch Szene-Influencer schließen sich den Aufrufen an.

Was haben Reichsbürger damit zu tun?

Die Querdenker-Szene und die Reichsbürger-Szene sind in Baden-Württemberg untrennbar miteinander verbunden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch in Reichsbürger-Kanälen auf Telegam auf den 8. Januar aufmerksam gemacht wird. "Die Zeit ist denke ich günstiger als wir uns zu denken wagen", heißt es in einem bekannten Szene-Kanal. "Wir erleben vor unseren Augen die Erosion und den Zusammenbruch der jetzigen Strukturen", es öffne sich "ein historisches Zeitfenster". Ein Nutzer antwortet: "Am 8. Januar können wir der Regierung zeigen, wozu wir noch fähig sind ..."

Warum kann das Generalstreik-Gerede gefährlich sein?

Dass Telegram-Kanäle den 8. Januar mit derart viel Bedeutung aufladen, und im Verschwörungswahn teilweise von angeblich weisgesagten Unruhen sprechen, birgt reale Gefahren. Wie der Generalbundesanwalt erst kürzlich bekannt gab, wartete die mutmaßliche Terrorgruppe um Heinrich Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Systemsturz geplant haben soll, auf ein Zeichen von außen. Ein Zeichen, dass der "Tag X" gekommen sei. Die Deutung, wann es soweit wäre, lag dabei offenbar bei der Gruppe selbst. So wurde Ermittlern zufolge auch der Tod der Queen als mögliches "Zeichen" angesehen. Dieses Warten auf ein Zeichen für den "Tag X" ist in vielen verschwörungsideologischen Kanälen und Gruppen zu beobachten.

FDP-Abgeordneter sieht Parallelen zum "Sturm aufs Kapitol"

Der FDP-Landtagsabgeordnete und Landwirt Georg Heitlinger (Wahlkreis Eppingen) kritisierte in einer Sitzung am 21. Januar im Landtag die politischen Pläne der Regierung und bezeichnet das Anliegen der Bauern als berechtigt. Gleichzeitig beklagte Heitlinger mit Hinblick auf die Mobilisierung zu einem Generalstreik eine "vergiftete Stimmung" im Land. "Was zurzeit losgeht, erinnert mich auf den Sturm aufs Kapitol", so der FDP-Politiker. Die "Meute" werde aufgehetzt, "das geht Richtung Lynchmob". Zuvor hatten Bilder von Bauernprotesten, bei denen Galgen zu sehen waren, die Runde gemacht. "Das können wir uns als Demokraten nicht bieten lassen."

Generalstreik-Gerede gab es früher schon

Was am 8. Januar tatsächlich passieren wird, wird sich zeigen. Dass die Mobilsierung für einen Generalstreik vor allem vom rechten Rand, und nicht von berufsbezogenen Interessenverbänden und Gewerkschaften kommt, weckt jedenfalls Zweifel daran, dass es tatsäclich dazu kommt. Auch wegen der "Vorgeschichte".

Das Gerede vom Generalstreik ist in der Querdenker-Szene und rechten Kreisen ein alter Hut. Schon 2021 wurde das Thema beispielsweise im Zusammenhang mit einer möglichen Impfpflicht diskutiert. Ein Datum, das in Szene-Kreisen kommuniziert worden war, war damals der 1. Dezember. Am Ende wurde daraus nichts.

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