Schlafstörungen: Häufige Ursachen und Tipps - wann sollte man ins Schlaflabor?
Etwa jeder zweite Deutsche klagt im Laufe seines Lebens über Schlafstörungen, ein Drittel bedürfen einer medizinischen Intervention. Besonders ältere Personen sind betroffen: Bei den über 65-Jährigen sind es 25 Prozent. Woran liegt das und was kann man tun, um besser schlafen zu können? Wir haben mit Vera Wienhausen-Wilke gesprochen. Sie ist Ärztin für Innere Medizin, Pneumologie und Schlafmedizin sowie Leiterin des Schlaflabors im Klinikum Esslingen.
Häufige Ursachen für Schlafstörungen
Zu den häufigsten Ursachen für Ein- und Durchschlafstörungen zählen fehlende Schlafrituale, eine ungünstige Schlafumgebung sowie berufliche, persönliche oder familiäre Probleme, weiß Wienhausen-Wilke. Wenn man in einer Lebenskrise steckt, kann sich das auch auf den Schlaf auswirken: „Symptome für qualitativ veränderten Schlaf können Dünnhäutigkeit, Gereiztheit und Unkonzentriertheit sein.“
Auch das sogenannte Schlafapnoe-Syndrom, eine schlafbezogene Atemstörung, ist eine häufige Ursache. Hierbei kann es während dem Schlaf wiederholt zu Atempausen kommen. Grund ist eine Verengung des Rachenraums. Eine Vorstufe kann Schnarchen sein. „Durch die Atemstörung werden Stresshormone ausgeschüttet, was wiederrum zu Bluthochdruck, Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzmuskelschwäche sowie depressiver Verstimmung führen kann.“ Auch das Syndrom der unruhigen Beine, das sogenannte „Restless-Legs-Syndrom, ist eine verbreitete Ursache für Schlafstörungen. „Patienten berichten von einem unangenehmen Gefühl in den Beinen, vor allem gegen Tagesende.“ Mehr Bewegung könne dem entgegenwirken.
Schlafhygiene: Tipps für einen guten Schlaf
„Nicht jeder, der hin und wieder schlecht schläft, muss sofort ins Schlaflabor. Es gibt gute Tipps, die man selbst umsetzen kann“, sagt Wienhausen-Wilke. Dazu gehöre an erster Stelle eine gewisse Schlafhygiene: Man sollte versuchen, erst ins Bett zu gehen, wenn man müde ist. Den größten Fehler, den viele machen, ist ins Bett zu gehen mit der Vorgabe zu schlafen. Dadurch setzt man sich selbst unter Druck.
Außerdem helfe es, wenn man möglichst immer zur gleichen Zeit aufsteht. „Die Umgebung sollte so gestaltet sein, dass man sich wohl und sicher fühlt.“
Rituale vor dem Schlafengehen schaffen
Dabei sei es auch wichtig, dass es völlig dunkel ist. Licht verhindere nämlich die Ausschüttung des „Schlafhormons" Melatonin, was wir benötigen, um einzuschlafen. „Erschreckend viele Menschen sind am Handy und lesen Nachrichten, wenn das Licht bereits aus ist. Dabei wird man auch mit Negativem konfrontiert, was zu einem weiteren Stressfaktor führen kann.“ Bei Fernseher im Schlafzimmer sieht die Schlafmedizinerin die Gefahr darin, dass man einschläft und das Gerät die ganze Nacht läuft. „Wir hören im Schlaf nämlich fast ein Dezibel besser.“
Stattdessen kann es sinnvoll sein, sich Rituale vor dem Schlafengehen zu schaffen. Das kann zum Beispiel lesen, Podcast hören oder meditieren sein. Die Umgebungstemperatur sollte angenehm sein, die Arme und Beine nicht zu kalt. Mit kalten Füßen könne man schlecht einschlafen. "Das liegt daran, dass das Absenken der Körperkerntemperatur im Schlaf um etwa 0,4 Grad den Schlaf induziert. Das macht der Körper, indem er Wärme über die Extremitäten, also Beine und Arme, abgibt. Wenn man aber kalte Füße hat, kann keine Wärme abgegeben werden."
Zwei Schlaftypen: Die Eule und die Lerche
Wer nachts dann doch mal aufwacht und nicht mehr einschlafen kann, sollte den Körper nicht belohnen. Frau Wienhausen-Wilke erzählt von einem Patienten, der, nachdem er nicht mehr einschlafen konnte, aufgestanden ist und sich, Schokolade essend, eine Serie auf Netflix angesehen hat. Am nächsten Tag ist er wieder wach geworden, weil der Körper gesagt hat: „Ich will wissen, wie die Staffel weitergeht.“ Die Schlafmedizinerin empfiehlt: „Wer nicht mehr einschlafen kann, sollte das Bett verlassen, aber etwas Unangenehmes machen, wie die Lohnsteuererklärung kontrollieren.“
Die meisten brauchen rund 15 Minuten zum Einschlafen. „Man geht aber davon aus, dass wir viel zu wenig schlafen und eigentlich ein viel höheres Schlafbedürfnis haben“, sagt Wienhausen-Wilke. Das sei auch unserer aktuellen, hektischen Gesellschaft geschuldet.
Der Durchschnittsdeutsche schläft sechs bis acht Stunden. Es gibt aber, genetisch bedingt, auch Menschen, die deutlich weniger oder viel mehr Schlaf benötigen. Außerdem ist das Schlafbedürfnis auch vom Alter abhängig. Es wird zwischen zwei Schlaftypen unterschieden: Die Eule und die Lerche. „Die Eulen sind diejenigen, die bis spät abends noch lernen und arbeiten können, morgens aber kaum aus dem Bett kommen. Ihnen gegenüber stehen die Lerchen, die die Party am liebsten um 22 Uhr verlassen, dafür aber ideal für Frühschichten sind.“ Diese Schlaftypen sind genetisch festgelegt. „Die innere biologische Uhr lässt sich nicht verstellen, selbst wenn man beispielsweise jahrzehntelang Nachtschichten macht.“ Wobei man das im jungen Alter viel einfacher wegstecke.
„Es ist zwar hilfreich, wenn man weiß, zu welchem Schlaftyp man gehört, in unserer Gesellschaft wird das aber alles über einen Kamm geschoren, wenn man bedenkt, wie Schulöffnungszeiten oder Betriebszeiten festgelegt sind“, merkt Wienhausen-Wilke an. „Ich plädiere außerdem für einen „sleeping nap“, beispielsweise einen Mittagsschlaf. Das ist absolut hilfreich, sollte aber idealerweise 15 Minuten nicht überschreiten.“
Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM-Phase: Die verschiedenen Schlafphasen
Während dem Schlaf durchleben wir vier bis sieben Zyklen. Nach dem Einschlafen kommt die Leichtschlafphase, dann der Tiefschlaf und anschließend die REM-Schlafphase. Diese Phasen wechseln sich etwa alle 90 Minuten ab. Während dem Tiefschlaf regeneriert sich unser Körper. So können zum Beispiel Krebszellen erkannt werden. Die Abkürzung REM steht für „Rapid Eye Movement“, also die schnelle Augenbewegung. Während dieser 10- bis 15-minütigen Phase ist der Rest der Muskulatur komplett gelähmt. „In dieser Phase träumen wir und verarbeiten bewusste oder unbewusste Erlebnisse aus unserem Tag.“ Außerdem werden bis ins hohe Lebensalter neue Bewegungsmuster gelernt und vertieft sowie neue Nervenverbindungen gebildet. Da ein guter Schlaf mit langen REM-Phasen auch demenzielle Erkrankungen vorbeugt, macht es Sinn bis ins hohe Alter aktiv zu bleiben, Neues zu lernen, soziale Kontakte zu pflegen und auch neue Sportarten zu praktizieren.
Wann macht ein Besuch im Schlaflabor Sinn?
Die meisten Menschen leiden im Laufe ihres Lebens unter einer Schlafstörung. „Ernst wird es aber erst, wenn es länger als ein Vierteljahr andauert oder man deutliche Symptome hat. Dazu gehören Tagesmüdigkeit, Einschlafneigung, also die Neigung des Hirns, vom Wachsein in den Schlafzustand überzugehen sowie deutliche Atempausen“, so Wienhausen-Wilke. Auch wenn jemand schon einmal einen Schlaganfall oder Herzinfarkt hatte oder unter Vorhofflimmern leidet, macht es Sinn, den Schlaf untersuchen zu lassen.
Oft wird als erstes eine ambulante Schlafuntersuchung empfohlen. Dafür könne man fast alle Lungen-, Hals-, Nasen-, Ohrenärzten und Kardiologen, aber auch einigen Hausärzten aufsuchen, um die Sauerstoffsättigung, Atmung, Brust- und Bauchbewegung sowie den Puls zu messen. Hierbei lassen sich auch schwere Befunde feststellen. Ist das der Fall, wird man an ein Schlaflabor überwiesen. Dann findet eine erweiterte Untersuchung statt, die beinhaltet zusätzlich die Aufzeichnung der Hirnwellen, eine Aufnahme über Video und beispielsweise auch die Registrierung der Muskeltätigkeit. Im Schlaflabor können quasi alle Schlaferkrankungen, wie zum Beispiel epileptische Anfälle im Schlaf, Verhaltensauffälligkeiten oder Blutdruckprobleme, festgestellt werden – selbst solche, die sich erst in fünf bis zehn Jahren zu schweren neurologischen Erkrankungen entwickeln könnten.
Parasomien: Schlafwandeln, Reden oder Schreien während dem Schlaf
Zu Verhaltensauffälligkeiten, sogenannte Parasomien, zählt neben dem Schlafwandeln auch Reden oder Schreien während dem Schlaf. Bei Kindern sei das nichts Außergewöhnliches und komme sehr häufig vor. Wer allerdings im Erwachsenalter zum ersten Mal unter Parasomnien leidet, sollte hellhörig werden. „In manchen Fällen kann das ein Zeichen für schwere neurologische Erkrankungen sein, aber auch Ausdruck einer starken psychischen Belastung“, so Wienhausen-Wilke.





