Schutzraum auf dem Frühlingsfest Stuttgart: Was macht die Wasenboje eigentlich?
Auf dem Frühlingsfest in Stuttgart, in unmittelbarer Nähe zum Deutschen Roten Kreuz und der Wasenwache, befindet sich ein Container in leuchtendem Blau und Grün. Ein Logo mit der Aufschrift „Wasenboje Stuttgart“ prangt an der Außenfassade. Die Wasenboje ist ein Rückzugsort für alle, die sich im Trubel des Frühlingsfests unwohl fühlen, belästigt wurden oder anderweitig Unterstützung suchen. Wir haben mit zwei Mitarbeiterinnen der Wasenboje, Beate Vacano und Mira Monopoli, sowie der Projektleiterin Franziska Haase-Flaig gesprochen. Warum ist ein Schutzraum nötig?
Die Notsituationen werden alle dokumentiert. Das Team hat sich allerdings bewusst dazu entschlossen, keine konkreten Fälle zu benennen, weil die betroffenen Frauen sich in den Geschichten wiedererkennen könnten. „Wir sind ein Schutzraum und wollen somit auch den größtmöglichen Schutz bieten", ist sich das Team einig.
Wasenboje auf dem Frühlingsfest Stuttgart: Schutzraum für alle
Dieser Schutzraum richtet sich vor allem an Frauen, Mädchen und an diejenigen, die sich als Frauen identifizieren. Abgelehnt wird allerdings niemand: „Wir weisen natürlich niemanden zurück - auch keine Männer. Es ist aber einfach so, dass Sexismus überwiegend Frauen betrifft“, so Monopoli. Die Wasenboje hilft zum Beispiel, wenn jemand seine Gruppe verloren hat oder einfach nur sein Handy aufladen möchte. Außerdem bietet das Team eine Begleitung zum Taxi oder zur Haltestelle an, ist aber auch Anlaufstelle, wenn jemand verbale oder körperliche Übergriffe erlebt.
"Auch für Frauen, die in Ruhe stillen möchten, bieten wir einen Schutzraum“, erzählt Vacano. In einem Extraraum ist ein weiterer Rückzugsraum mit Liege. Hier kann man auch die Türe hinter sich schließen. "Manche Menschen werden zum Beispiel von einem Geruch, der lauten Geräuschkulisse oder aber dem Trubel getriggert und bekommen Panik - das kann ganz individuell sein", weiß Monopoli. Wenn dann Bedarf besteht, können die Mitarbeiterinnen an Anlaufstellen, wie zum Beispiel psychologische Beratungsstellen, das Jugendamt und der Krisennotfalldienst, weitervemitteln.

"Wenn jemand aus irgendeinem Grund nicht mehr nach Hause kommt, haben wir auch schon Übernachtungsmöglichkeiten organisiert. Das machen wir aber natürlich nur im äußersten Notfall“, betont Vacano. Hierfür kooperiert die Wasenboje mit der Jugendherberge in Bad Cannstatt.
„Die meisten Mitarbeiterinnen kommen aus dem sozialpädagogischen oder psychologischen Bereich, einige haben aber auch einen medizinischen oder juristischen Hintergrund“, so Vacano. Die Mitarbeiterinnen bekommen eine Ehrenamtspauschale, sind aber Fachkräfte oder angehende Fachkräfte. Das Team besteht ausschließlich aus Frauen, was bewusst so ausgewählt wurde. „Zusätzlich zu unserer fachlichen Expertise haben wir in Schulungen den Umgang mit Krisensituationen gelernt. So, zum Beispiel, was zu tun ist, wenn sich jemand aggressiv verhält“, erzählen Vacano und Monopoli.
Vor dem Container ist ein Stehtisch mit Infomaterial: „Ich habe auch schon einer Gruppe junger Frauen Flyer in die Hand gedrückt. Die waren sehr interessiert und dankbar für den Hinweis“, erzählt Vacano. Auch sonst sei die Resonanz durchweg positiv. "Wir haben auch schon mit Eltern gesprochen, die ihre Kinder durch das Angebot beruhigter auf den Wasen gehen lassen.“
Wann ist die Wasenboje auf dem Frühlingsfest in Stuttgart vertreten?
Die Mitarbeiterinnen der Wasenboje sind unter der Woche von 13 bis 24 Uhr und am Wochenende sowie einen Tag vor Feiertagen bis 1 Uhr vor Ort. Die Zeiten richten sich nach den Öffnungszeiten der Festzelte. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Bedarf vor allem nach Zeltschluss groß ist. Die Zeiten haben wir auf Wunsch von DRK und Polizei angepasst", erzählen Vacano und Monopoli. In der Nachmittagsschicht arbeiten vier Personen, abends ab 18.30 Uhr sind sechs Personen vor Ort.
Die Wasenboje arbeitet zwar mit der Polizei und dem DRK zusammen, ist aber trotzdem unabhängig. „Wir richten uns nach dem Bedarf der Betroffenen, das heißt, wenn jemand anonym bleiben und keine externe Hilfe in Anspruch nehmen möchte, akzeptieren wir das“, so Monopoli. "Dabei wird niemand unter Druck gesetzt. Die Betroffenen dürfen selbst entscheiden, was sie möchten und was nicht."
Die Betreiber sind dieses Jahr über die Wasenboje informiert, was von Vorteil ist, wie das Kollektiv findet: „Dadurch haben wir noch einmal eine andere Sichtbarkeit gewonnen. Außerdem konnten wir durch den ersten Durchlauf bereits eine gute Vertrauensbasis schaffen“, so Projektleiterin Franziska Haase-Flaig.
In Grandls Festzelt wird dieses Jahr eine Sicherheitsapp getestet, mit der man auf Knopfdruck das Sicherheitspersonal alarmieren kann. Auch hier arbeitet man zusammen. Das Sicherheitspersonal hat die interne Telefonnummer der Wasenboje und kann die Mitarbeiterinnen so hinzuziehen. „Wir waren im Vorfeld mit Grandls-Geschäftsführer Marcel Benz im Austausch und haben uns die Schnittstellen angeschaut“, so Haase-Flaig.
Wasenboje: Pilotprojekt der Stadt Stuttgart
Die Wasenboje ist ein gemeinsames Pilotprojekt der Kriminalprävention und der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart. Aber auch die mobile Jugendarbeit, die Nachtmanager und andere Institutionen sind involviert. „Geplant ist, dass wir auch 2024 und 2025 vor Ort sein werden. Unser Ziel ist es, das Projekt zu verstetigen."
Safer Space auch bei der Fußball-EM 2024 geplant
Auch bei der Fußball-EM 2024 wird es, ähnlich wie die Wasenboje, einen Safer Space geben. "Hierzu wurden wir von in Stuttgart für die Host City und das Fan-Festival der UEFA EURO 2024 angefragt. Die Frauen, die dort arbeiten, wurden alle vom Landesprogramm „nachtsam“ geschult", sagt Haase-Flaig.