So erlebt die Polizei das Frühlingsfest in Stuttgart: „18.000 Schritte“ pro Tag
Stuttgart. Kappen runter, Wasserflasche auf und durchatmen. Es ist kurz nach 19 Uhr als Kim P., Hilal K. und Fabio L. nach einer weiteren ausgiebigen Streifenrunde quer über das Frühlingsfest zurück auf die Wasenwache stapfen. „Es schlaucht teilweise schon sehr“, sagt Kim. Um die 25 Grad Celsius waren es am Dienstag (29.04.) in Stuttgart. Die Sonne heizte den Wasen ordentlich ein. Rund 18.000 Schritte machen die Streifenkräfte unter der Woche an einem „ruhigen Tag“, wie Fabio erzählt. Trotz Anstrengung sind sich jedoch alle drei einig: Die Wasen-Zeit ist auch für sie immer eine ganz besondere, auf die sie immer wieder hinfiebern. Warum das so ist und wie die Polizei auf dem Gelände die Übersicht behält, haben die Beamten uns bei einem Rundgang erzählt.
Rechtslage lässt unkomplizierte Personenkontrollen zu
Sie sind ein eingespieltes Trio. Ein kurzes Kommando und schon gehen alle drei entschlossen, aber freundlich auf eine vierköpfige Gruppe junger Männer zu. Es ist in diesem Fall eine „Null-Lage“, was bedeutet, dass kein weiterer Handlungsbedarf besteht. In anderen Fällen sieht das anders aus. Diese Art der Personenkontrollen bewähren sich auf dem Festgelände. „Wir haben während des Frühlingsfestes schon zahlreiche Waffen, wie beispielsweise Messer oder Elektroschocker beschlagnahmt“, erzählt Einsatzleiter Jörg Schiebe. Seit 2018 leitet der bekennende VfB-Fan zudem das Polizeirevier 6 an der Martin-Luther-Straße in Bad Cannstatt. Anders als im normalen Streifendienst lässt die Rechtslage auf dem Frühlingsfest Personenkontrollen auch ohne Anfangsverdacht zu.
Durch die verstärkten Personenkontrollen konnten bereits bis zum 01. Mai 39 Verstöße gegen das Waffengesetz festgestellt werden. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es drei. Auch die Zahl der Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte ist deutlich gestiegen. 13 Fälle gab es in den ersten 13 Tagen - im vergangenen Jahr waren es zum gleichen Zeitpunkt vier.
Sicherheitskonzept wird ständig angepasst
Vor dem Start des größten Frühlingsfestes Europas wurde das Sicherheitskonzept „wie jedes Jahr“ angepasst. Die Kommunikation mit der Stadt Stuttgart, den Veranstaltern sowie dem Sicherheitsdienst sei laut Schiebe eng und gut. Auf dem Festgelände gehe es darum, Konflikte und Gefahren möglichst frühzeitig zu erkennen. Dabei hilft auch die Videoüberwachung. 18 bewegliche und 6 feste Kameras zeichnen permanent auf und lassen sich von den zuständigen Kolleginnen und Kollegen auf der Wache steuern.

„Es hilft uns sehr, wenn wir per Funk von der Einsatzleitung mitgeteilt bekommen, an welcher Stelle auf dem Gelände ein Konflikt entstanden ist oder Kontrollen durchgeführt werden sollten“, erklären die Streifenbeamten. Zudem können die Situationen über die Kamerabilder auch schnell eingeschätzt werden und gegebenenfalls Verstärkung geschickt werden.
Polizeichef Jörg Schiebe ist bisher zufrieden
Wenn das Wort „Videoaufzeichnung“ fällt, lässt auch der Begriff „Datenschutz“ nicht lange auf sich warten. Laut Polizei werden die Aufnahmen nach drei Tagen überschrieben und keinerlei Daten ohne entsprechende Gründe weitergegeben. Insgesamt sei das Sicherheitsniveau auch in diesem Jahr wieder sehr hoch. „Bisher greifen unsere Maßnahmen. Wir sind sehr zufrieden“, resümiert Einsatzleiter Schiebe, wohlwissend, dass gerade einmal Halbzeit ist.
Große Herausforderung: „Struktur ins Chaos bekommen“
Wer sich auf dem Fest daneben benimmt, landet im Übrigen auch auf kurzem Wege schnell auf der Wache. Im Fall der Fälle übernimmt dort auch nahtlos das Ermittlungsteam.
Mehr als eine Million Besucher fanden bereits in der ersten Frühlingsfest-Hälfte den Weg auf den Wasen. Wenn so viele Menschen auf dem Wasen zusammenkommen, gilt es im Ernstfall vor allem „Struktur ins Chaos“ zu bekommen. „Das ist schon mit die größte Herausforderung“, erklärt Kim P. Die heiße Phase beginne traditionell zum Ende ihrer Schichten. Dann, wenn die Musik ausgeht und Tausende, stark alkoholisierte Partygäste aus den Zelten taumeln. Auf dem Weg zum Bahnhof entstehen regelmäßig Konflikte. „Da reichen teilweise auch einfach nur Blickkontakte, bevor eine Situation eskaliert.“ Anschließend komme es unter den Besuchern auch häufiger zu Solidarisierungseffekten.
Auch privat immer ein Mal mit den Kolleginnen und Kollegen aufs Frühlingsfest
Alles in allem sind es aber eben genau diese vielseitigen Herausforderungen, welche die Einsätze für das Trio so besonders machen. „Es ist schon immer die coolste Zeit. Hinzu kommt, dass wir auch viele Bekannte hier auf dem Gelände treffen“, sagt Fabio L. Mindestens einmal innerhalb der drei Wochen geht es für die Beamtinnen und Beamten dann auch ohne Uniform und Schutzweste auf das Fest. „Das versuchen wir schon immer hinzubekommen, aber ein Mal reicht meistens dann auch“, scherzt Fabio.
Während das Frühlingsfest noch bis zum 11. Mai läuft, endete der Einsatz zumindest beruflich für das Trio nach sechs intensiven Tagen auf dem Wasen am Mittwoch (30.04.). Insgesamt kommen seitens der Polizei bis zu 130 Einsatzkräfte im Zwei-Schicht-System täglich zum Einsatz und kümmern sich um die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher.