So will Stuttgart das Chaos vor der Ausländerbehörde in den Griff bekommen
Sie kommen aus verschiedensten Ländern und haben doch eins gemeinsam: Die Menschen vor der Ausländerbehörde in Stuttgart stehen schon Stunden vor der Öffnung in der Schlange vor der Behörde in der Eberhardstraße. Es sind mitunter chaotische Zustände. Nun will die Stadt Maßnahmen ergreifen, um die Situation endlich in den Griff zu bekommen.
Das sind die Ursachen für das Chaos vor der Stuttgarter Ausländerbehörde
„Die Ursachen für die unbefriedigenden Umstände sind vielfältig“, sagte Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) unter der Woche im Internationale Ausschuss der Landeshauptstadt. Dort hatten sich am Mittwochabend (27.09.) die Verwaltungsspitze, sachkundige Einwohnerinnen und Einwohner sowie Mitglieder des Gemeinderats getroffen, um über die katastrophale Situation zu sprechen.
Zuletzt stand die Ausländerbehörde massiv in der Kritik, weil Menschen dort teilweise auf Campingstühlen und mit Decken übernachten mussten, um eine Chance auf einen Termin zu haben. Als Folge der chaotischen Zustände fordert die baden-württembergische SPD-Fraktion die Schaffung eines zentralen Landeseinwanderungsamts. Der Verband Unternehmer Baden-Württemberg kritisierte die Zustände als „untragbar“. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) sprach von einer „Schande für eine internationale und wirtschaftsstarke Stadt“.
Laut OB Nopper sei die Situation „von Stadt, Land und Bund zu verantworten“, teilweise jedoch auch „den Umständen“ geschuldet: „Wir haben höhere Fallzahlen und deutlich weniger Personal, weil in Zeiten des allgemeinen Personal- und Fachkräftemangels weniger Personal zur Verfügung steht und wir viele Stellen nicht besetzen können, obwohl wir händeringend nach Kräften suchen.“
Aktuell sind fast 30 Prozent der Stellen bei der Ausländerbehörde in Stuttgart nicht besetzt
Derzeit sind laut einer Mitteilung aus dem Rathaus fast 30 Prozent der Stellen bei der Ausländerbehörde nicht besetzt. Nopper räumte daher selbstkritisch ein: „Die Stadt hat die Situation insofern zu vertreten, weil wir die Digitalisierung der Verwaltung – auch der Ausländerbehörde – in den letzten Jahren zu langsam vorangetrieben haben.“ Als Stadt habe man auch die Unterbringungssituation der Ausländerbehörde in den letzten Jahren „nicht schnell genug“ verbessert.
Aus der Verantwortung lässt der Stuttgarter Schultes Land und Bund aber nicht: Sie hätten die Situation insofern mit zu verantworten, als sie die Vorschriften im Ausländerrecht und die Dokumentationspflichten immer komplexer und komplizierter gemacht hätten. Die Rathausspitze will der Situation nun mit sieben Maßnahmen Herr werden:
- Die kurzfristige Verstärkung der Ausländerbehörde durch 20 Beschäftigte aus anderen Geschäftsbereichen der Stadtverwaltung
- Die sukzessive Einführung einer Online-Terminvergabe voraussichtlich ab Mitte Oktober (zunächst für Notfälle), um Wartezeiten vor der Ausländerbehörde zu reduzieren.
- Die Betreuung der Wartenden ab den frühen Morgenstunden durch das Deutsche Rote Kreuz und die Einrichtungen eines Warteraums im Gebäude der Ausländerbehörde.
- Die Implementierung eines umfänglichen Übersetzungstools für die Bereitstellung aller wichtigen Informationen auf der Homepage der Landeshauptstadt Stuttgart.
- Die Einrichtung eines Teams Arbeitgeberwechsel, das sich auf diese Fragen konzentrieren wird, um andere Bereiche der Behörde zu entlasten.
- Die Einbindung der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer und der Trumpf SE & Co. KG, die ihre Unterstützung angeboten haben.
- Die künftige Unterbringung der Ausländerbehörde in neuen und besseren Räumlichkeiten im Bollwerk am Berliner Platz (Beginn der Sanierung spätestens Anfang 2024).
„Wir setzen alles daran, die Probleme in den Griff zu bekommen und die Lage zu verbessern“, verspricht Nopper. Die aktuelle Misere mitten im Zentrum der Stadt war insofern vermeidbar, weil der International Ausschuss bereits vor zehn Jahren (!) Maßnahmen gefordert hatte, welche die Probleme der Ausländerbehörde in den Griff bekommen.
Das bestätigte auch Ordnungsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler). Als Gründe für die Probleme bei der Personalgewinnung nannte er in der jüngsten Sitzung des Ausschusses, dass die Beschäftigten der Ausländerbehörde aktuell keine Möglichkeit hätten, partiell im Homeoffice zu arbeiten.
Linken-Stadtrat Pantisano kritisiert Ordnungsbürgermeister Maier scharf
Scharfe Kritik am Ordnungsbürgermeister gab es im Nachgang an die Sitzung vom Linken-Stadtrat Luigi Pantisano. So soll Maier laut Pantisano im Ausschuss von einem Publikum, „das nicht einfach ist an der Ausländerbehörde“ gesprochen haben. „Ein Satz wie eine Ohrfeige“, findet Pantisano.
„Eine Beantwortung meiner Frage, was BM Maier denn mit diesem Satz genau gemeint hat, ging unter im Geschrei von Oberbürgermeister Nopper, der in der Sitzung nichts Besseres zu tun hatte als mich zu beleidigen“, so Pantisano in einem Statement auf der Plattform „X“, ehemals Twitter: „Ein absolut unwürdiges Verhalten für ein Stadtoberhaupt.“ Die nun beschlossenen Schritte sollen „hoffentlich und endlich die Situation vor Ort verbessern“, so Pantisano: „Der Druck hat geholfen.“
Wie schnell und ob die nun beschlossenen Maßnahmen den Wartenden in der Schlange vor der Behörde in der Eberhardstraße helfen werden, bleibt abzuwarten. Fürs Erste wird wohl auch weiterhin Geduld gefragt sein. Immerhin scheint nun aber ein erster Schritt in Richtung Besserung gemacht.