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Straßenbeleuchtung in Stuttgart: Warum im Kessel viele Laternen dunkel bleiben

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Symbolbild © Unsplash/Namra Desai

Stuttgart. Im Kessel gehen die Lichter aus - zumindest teilweise. Die Stadt Stuttgart will nachtaktive Tiere und Insekten in ihrem natürlichen Lebensraum besser schützen. Um die Lichtverschmutzung zu reduzieren, schaltet die Verwaltung deshalb die nächtliche Beleuchtung auf ausgewählten Außerortsstrecken schrittweise vollständig ab. Welche Straßen sind bereits betroffen und wo wird es 2025 dunkler?

Wer nach Sonnenuntergang die Württembergstraße von Untertürkheim hoch nach Rotenberg fährt, um von dort oben einen Blick auf die funkelnden Lichter der Stadt unten im Tal zu haben, der muss zunächst ein dunkles Teilstück befahren – gerade für Radfahrer nicht ideal. Die Beleuchtung auf der Württembergstraße wurde zwischen der Einmündung des Weges zum TB Untertürkheim und dem Gebäude mit der Hausnummer 271 in Rotenberg abgeschaltet. Als eine von 30 Außerortsstrecken im Stadtgebiet, welche die Verwaltung bereits in diesem Sommer dauerhaft außer Betrieb gesetzt hat.

So viele Laternen wurden in Stuttgart bislang abgeschaltet

Bislang sind davon rund 550 Laternen in Stuttgart betroffen. Und an vier weiteren Außerortsstrecken wurde eine temporäre Abschaltung zur Nachtzeit zwischen 23 und 6 Uhr eingerichtet (Elsental, Königsträßle, Frauenkopfstraße und Sillenbuch‐Ruhbank). Ab 2025 kommen 51 weitere Strecken mit einer zeitgesteuerten Abschaltung hinzu. In diesen Stadtbezirken liegen die meisten der betroffenen Straßen: 

  • Ost: Im Bruckenschlegel zwischen Gebäude 32 und Sportanlage
  • Süd: Im Elsental zwischen der Buswendeschleife bei der Fuchswaldstraße und dem Gebäude Dachswaldweg 124
  • Mühlhausen: Fußweg am Max-Eyth-See zwischen der Haltestelle Wagrainäcker und dem Biergarten auf der Insel
  • Möhringen: Fußweg parallel zur Rembrandtstraße zwischen Ortsausgang Möhringen und Ortsausgang Sonnenberg
  • Bad Cannstatt: Masurenstraße zwischen Tannenbergstraße und Espan
  • Zuffenhausen: Ludwigsburger Straße zwischen Gebäude 215 und Gemarkungsgrenze

„Lichtverschmutzung ist einer der wesentlichen Faktoren für den deutlichen Rückgang der Artenvielfalt. Es ist richtig und wichtig, dass die Beleuchtung gerade im Außenbereich auf das erforderliche Maß reduziert wird. Nur so werden wir der gesetzlich verankerten Vorbildfunktion der öffentlichen Hand gerecht“, begründet der dafür zuständige Baubürgermeister Peter Pätzold die Maßnahmen, die Ende November dem Ausschuss für Klima und Umwelt vorgestellt worden waren.

Was ist Lichtverschmutzung und warum ist sie problematisch?

Der Begriff Lichtverschmutzung beschreibt laut Angaben aus dem Stuttgarter Rathaus die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen. Sie könne zum Problem für Lebewesen werden, die dämmerungs‐ und nachtaktiv sind. Dies betreffe 60 Prozent der Insekten‐ und 30 Prozent der Säugetierarten. Die Aufhellung der Nacht habe in Deutschland in den letzten Jahren erheblich zugenommen, pro Jahr um circa sechs Prozent. Weshalb in Stuttgart nun gegengesteuert werden soll.

Die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Tierwelt und unsere Ökosysteme sind vielseitig und weitreichend. Künstliches Licht lenkt Zugvögel von ihren gewohnten Routen ab. Auch das Fortpflanzungs‐ und Brutverhalten von Vögeln verändert sich durch die künstliche Verlängerung des Tageslichts. Auch Insekten sind davon betroffen, sie kreisen mitunter unablässig im Lichtkegel der Lampen und fallen unter Umständen erschöpft auf den Boden und sterben. Und weil die meisten Fledermausarten beleuchtete Gebiete vermeiden, müssen sie auf der Jagd große Umwege fliegen, was ihre Überlebens‐ und Fortpflanzungsrate senkt.

Die Belange des Artenschutzes mit den Belangen der Sicherheit in Einklang bringen

Die Tier‐ und Pflanzenwelt sind also auf wechselnde Lichtverhältnisse angewiesen. Um den natürlichen Lebensraum von Flora und Fauna besser zu schützen, habe das Amt für Umweltschutz diesen Sommer mit dem Arbeitskreis Stadtbeleuchtung eingehend geprüft, welche Strecken außerorts zwingend beleuchtet werden müssen und wo die Straßenleuchten im Sinne des Artenschutzes zeitweise oder vollständig abgeschaltet werden können.

„Die Arbeitsgruppe hat die Sicherheit auf jeder Strecke einzeln bewertet und gründlich geprüft, an welchen Stellen auf Beleuchtung verzichtet werden kann“, heißt es von der Verwaltung. Die Straßen‐ und Gehwegbeleuchtung an ausgewählten Strecken wurde daraufhin auf „das für die Sicherheit erforderliche Maß beschränkt“. Die Beleuchtung an Gefahrenstellen, Schulwegen und Zugängen zu ÖPNV‐Haltestellen soll gewährleistet bleiben.

An verschiedenen Stellen prüft die Stadt derzeit auch den Einsatz von Bewegungsmeldern, durch deren Steuerung das Straßenlicht seine volle Helligkeit entfaltet, sobald sich jemand nähert. Zum Beispiel messen rund um den Hafen Radarsensoren den Verkehrsfluss an den einzelnen Straßenlaternen, um die Beleuchtung an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. In einem ämterübergreifenden Abwägungsprozess habe man mit Augenmaß versucht, „die Belange des Artenschutzes mit Belangen der Sicherheit bestmöglich in Einklang zu bringen“, so Andreas Neft, der Leiter des Amts für Umweltschutz.

Auch Flutlichtanlagen in Stuttgart sollen modernisiert werden

Auch auf Sportplätzen sind derzeit noch vermehrt alte Flutlichter im Einsatz, die weit über das Spielfeld hinaus in die Umgebung abstrahlen, teilte die Stadt Anfang Dezember mit. In den kommenden Jahren soll damit Schluss sein. Moderne Flutlichtanlagen können auch hier die Lichtverschmutzung deutlich reduzieren. Angestrahlte Fassaden tragen ebenfalls zur Problematik bei. Seitdem die Landesregierung 2020 das Naturschutzgesetz reformiert hat, ist für die Beleuchtung von Fassaden eine Genehmigung der städtischen Naturschutzbehörde erforderlich.

Mit der Regelung kommt die Landeshauptstadt Vorgaben aus dem Naturschutzgesetz des Landes Baden‐Württemberg nach. Es sieht unter anderem vor, dass künstliche Beleuchtung beispielsweise in Außenbereichen zu vermeiden ist, um Ökosysteme besser zu schützen. Und einen erfreulichen Nebeneffekt gibt es laut der Stadt ebenfalls: Neben dem positiven Einfluss auf die artenreiche Tier‐ und Pflanzenwelt wird in Stuttgart eine Stromeinsparung von insgesamt bis zu 350 Megawattstunden pro Jahr erwartet. Dies entspricht circa zwei Prozent des aktuellen Verbrauchs der Straßenbeleuchtung.